Beschluss: einstimmig beschlossen

Sachverhalt:

 

Am 28.02.2021 stellte die Kreistagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einen Antrag zur Unterstützung der Schülerinnen und Schüler aus dem Landkreis Würzburg bei der Orientierung in der pandemiebedingt komplizierten Unterrichts- und Lernsituation und in der Rückkehrphase zum regulären Unterricht. Der Antrag befindet sich in Anlage zu den Sitzungsunterlagen:

 

„Das Amt für Jugend und Familie wird beauftragt, an den Grund- und Mittelschulen im Landkreis Würzburg bei Wiederaufnahme des Schulbetriebs sozialpädagogische Unterstützung anzubieten, sofern diese nicht im Rahmen der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) bereits abgedeckt ist. Auf Antrag soll die Hilfe auch für Gymnasien und Realschulen zur Verfügung stehen.

 

Die zu schaffenden Stellen werden befristet und mit geeignetem pädagogisch ausgebildeten Personal besetzt. Die fachliche Begleitung erfolgt durch das Amt für Jugend und Familie. Wo vorhanden soll eine Anbindung an die JaS angestrebt werden.“

 

Eine Vertreterin, ein Vertreter der Kreistagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stellt den Antrag vor und begründet ihn im Detail.

 

Anmerkung der Verwaltung, Amt für Jugend und Familie FB 31c:

 

Grundsätzlich wird das Anliegen positiv bewertet. Das Jugendamt teilt die Einschätzung, dass im Zusammenhang mit den Regelungen zur Eindämmung der Pandemie die Bedürfnisse und Bedarfe von Kindern auf eher organisatorische Aspekte der schulischen Notwendigkeiten reduziert sind und dass Familien in der Dreifachfunktion Beruf, Elternschaft und Schulersatz vor allem bei länger anhaltender Situation schnell an ihre Grenzen stoßen. Andauernde Überforderung verursacht und manifestiert Krisen in den Familien, insbesondere bei ressourcenschwachen Familie (beengter Wohnraum, Alleinerziehende, fehlende verwandtschaftliche oder nachbarschaftliche Unterstützung, …).

 

Der vorliegende Antrag beinhaltet aber noch kein Konzept, es gibt viele offene Fragen:

-       An welchen Umfang ist gedacht? (Anzahl der Stellen, Stellenqualifikation, Laufzeit,)

-       Wie sieht der Kostenrahmen aus: 2021; 2022 und länger?

-       Die betroffenen Hauptakteure Schulen, JaS und Schulamt sind bisher nicht einbezogen. Ein Angebot, ein Konzept, muss aber dringend vorab besprochen werden.

-       Ist es das Ziel, kurzfristig Fachkräfte an jede Grund- und Mittelschule zu bringen? Auf der konzeptionellen Grundlange von JaS (Einzelfallarbeit)?

-       Der Antrag soll möglichst bald umgesetzt werden, d.h. es müsste schnell ein pädagogisches Konzept und ein Finanzierungskonzept erstellt werden.

-       Wo sollen die Fachkräfte herkommen? Die aktuelle Arbeitsmarktsituation bietet, insbesondere kurzfristig, kaum Möglichkeiten. In diesem Zusammenhang sind auch die Qualifikationserfordernisse zu klären.

 

Debatte:

 

Frau Kreisrätin Heeg stellt für die Fraktion der Grünen den Antrag vor und nimmt dabei insbesondere Bezug auf die Copsy-Studie von Februar 2021, welche hervorhebt, dass das Schulpersonal in Zeiten des Corona-Lockdowns an die Grenzen des Leistbaren kommen und dringend sozialpädagogische Unterstützung, wie z. B. Jugendsozialarbeit an Schulen, benötigt. Grundsätzliches Anliegen der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen ist der Ausbau der Jugendsozialarbeit an Grundschulen im Landkreis Würzburg. Dies geht vor allen ansonsten möglichen kurzfristigen Maßnahmen.

 

Herr Rostek stellt die grundsätzliche Einschätzung der Verwaltung, Amt für Jugend und Familie, wie im Protokolltext zur Tagesordnung dargestellt, dar.

 

Frau Schulamtsdirektorin Vollmar stellt ihre Sicht der Dinge aus der Perspektive der Schulen dar. Frau Vollmar bedankt sich ausdrücklich dafür, dass der Jugendhilfeausschuss sich so intensiv und konstruktiv mit dem Thema Schule auseinandersetzt. Sie bestätigt die Notwendigkeit der Unterstützung von Kindern gerade in dieser Zeit. Als besonders wertvoll beschreibt Frau Vollmar die Jugendsozialarbeit an Schulen, die auch bei den Eltern als dauerhaftes schulisches Instrument wahrgenommen und geschätzt wird. Ganz eindeutig bestätigt sie den zusätzlichen Bedarf an Jugendsozialarbeit an Grundschulen. Den Antrag der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen begrüßt sie grundsätzlich, äußert aber hinsichtlich der Kurzfristigkeit und Befristung von Angeboten ihre Bedenken. Momentan haben die Schulen eine Fülle von Angeboten an kurzfristiger pädagogischer Unterstützung, insbesondere von Studierenden der Universität Würzburg. Diese Unterstützung ist einerseits sehr wertvoll, erfordert andererseits aber immer wieder neue Einarbeitungsherausforderungen. Was die Schulen zusätzlich benötigen sind nicht weitere kurzfristige Maßnahmen, sondern langfristige personelle Ressourcen wie Jugendsozialarbeit an Schulen.

 

Herr Landrat Eberth bedankt sich für den engagierten Vortrag von Frau Vollmar. Er begrüßt den Antrag der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, warnt aber davor in Aktionismus zu verfallen. In einer Abstimmung zwischen Landratsamt, Amt für Jugend und Familie und Schulamt wird vorgeschlagen, den Ausbau der Jugendsozialarbeit an Grundschulen im Landkreis Würzburg zu forcieren. Das schafft zwar keine kurzfristigen Lösungen, ist dafür aber nachhaltig und auf mittelfristige Sicht wirksam und effektiv.

 

Herr Kreisrat Eck betont im Namen der Kreistagsfraktion der SPD, dass gerade Kinder und Jugendliche einerseits besonders stark von den Corona-Beschränkungen betroffen sind, andererseits in der Öffentlichkeit als Leidtragende kaum wahrgenommen werden. Zudem sieht er die Belastungsgrenze für Eltern gerade im Kontext Homeschooling überschritten. Aus diesem Grund befürwortet die SPD-Fraktion den Antrag der Grünen, gibt aber zu bedenken, dass kurzfristige Aktionen wenig wirksam sind. Die SPD-Fraktion befürwortet auf bestehende Strukturen aufbauende langfristige Strategien.

 

Frau Kreisrätin Behon hält den Antrag der Grünen grundsätzlich für sinnvoll. Unter der Corona-Situation leiden alle Bevölkerungsschichten, vom Kleinkind bis zum Senior. Allerdings möchte sie keinen Schnellschuss starten, sondern kontinuierlich und zukunftsorientiert Strukturen aufbauen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass die Schulen im Landkreis Würzburg sehr unterschiedlich sind und die Antworten auf geeignete Angebote zunächst einmal vor Ort gefunden werden müssen. Aus diesem Grund sieht sie als Kompromiss den Ausbau der Jugendsozialarbeit an Grundschulen in Absprache mit den Gemeinden, den Schulverbänden, den betroffenen Schulen und dem Jugendamt als zielführend an.

 

Frau Kreisrätin Heeg ergänzt erläuternd zum Antrag, dass es der Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vor allen Dingen darum geht, Unterstützungsangebote für die Kinder und Schüler zu schaffen, die momentan durch das Raster fallen und den Bedarf einer besonderen Zuwendung haben. Auch sie ist der Meinung, dass Jugendsozialarbeit an Schulen die beste aller Möglichkeiten darstellt und sie würde sich sehr darüber freuen, wenn ihr Antrag einen Ausbau der Jugendsozialarbeit an Grundschulen bewirkt.

 

Frau Kreisrätin Feiler ergänzt, dass langfristige Strategien immer bessere Lösungen darstellen. Es ist dringend darauf zu achten, dass Kinder und Jugendliche in der aktuellen Situation nicht unter den Tisch fallen. In diesem Zusammenhang stellt sie die Frage, ob es für die Bayerischen Lehrkräfte Zusatzausbildungen im psychosozialen Bereich gibt. Frau Vollmer antwortet darauf, dass momentan der Fortbildungsfokus für Lehrkräfte im Bereich Digitalisierung liegt. Ihr sind aktuell keine konkreten Angebote bekannt, sie nimmt die Anregung aber gerne auf, um Möglichkeiten psychosozialer Fortbildungen für Lehrkräfte mit der Regierung zu besprechen. Unabhängig davon gibt es an den Schulen die Beratungslehrkräfte und die Schulpsychologen, die in diesem Zusammenhang tätig werden können.

 

Herr Schrappe weist auf die Beratungs- und Unterstützungsangebote der Erziehungsberatungsstellen hin. Er selber hält sehr viel von der Qualität der Jugendsozialarbeit an Schulen, weist aber darauf hin, dass es Familien gibt, für die die Schule nicht der Ort des Vertrauens ist. Hier bieten sich die Erziehungsberatungsstellen als neutrale Institution an und können viele Familien auffangen.

 

Herr Kreisrat Joßberger informiert, dass auch die Kreistagsfraktion der UWG den Antrag vom Grund her unterstützt. Für ihn war es aber zunächst einmal wichtig zu hören, was die Fachkräfte aus dem Jugendamt und dem Schulamt zu dem Antrag äußern, daran wird er sich gerne orientieren. Nach Ansicht der UWG-Fraktion sollen keine neuen Angebote geschaffen werden, sondern vielmehr soll auf bestehende und bewährte Strukturen gesetzt werden.

 

Herr Fritz unterstützt die bisher getroffenen Äußerungen hinsichtlich der Stärkung und des Ausbaus bewährter und bestehender Strukturen und weist ergänzend auf die ambulanten und mobilen Hilfen zur Erziehung hin, die gerade jetzt und vor allen Dingen auch in der Zeit nach der Pandemie sehr viele Defizite aufzuarbeiten haben werden.

 

Frau Kreisrätin Wild begrüßt ebenfalls grundsätzlich das Anliegen der Kreistagsfraktion der Grünen, gibt aber zu bedenken, dass man die aktuelle Situation nicht überdramatisiert. Viele Familien, Kinder und Jugendliche kommen gut klar mit der aktuellen Situation und man weiß schließlich auch, dass Menschen aus Krisensituationen oft gestärkt hervorgehen. Sie sieht durchaus die Problematik und die Handlungsnotwendigkeit bei ohnehin schon belasteten Familien, warnt aber vor einer grundsätzlichen Dramatisierung in Krisensituationen. Sie sieht es deshalb als sehr wichtig an, in der Jugendhilfe Angebote vorzuhalten, die Kinder und Jugendliche stark machen, um auch in der Zukunft Krisensituationen bewältigen zu können. Hierbei verweist sie insbesondere auf die Erziehungsberatungsstellen, auf die Familienstützpunkte und auf die Jugendarbeit. Aus ihren eigenen Kontakten zu unterschiedlichen Schulen in der Region und darüber hinaus weiß sie, dass die aktuelle Situation auch positive Effekte hat. So ist z. B. der Kontakt zwischen Lehrkräften und Eltern wesentlich intensiver geworden, die Notwendigkeit gemeinsam konstruktiv Lösungen zu finden, sich abzusprechen und abzustimmen birgt neue Chancen im Verhältnis von Schule und Elternschaft. Dies stärkt letztendlich auch die Resilienz von Kindern und Familien.

 

Herr Landrat Eberth formuliert den Beschlussvorschlag wie folgt:


Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss sieht den Bedarf an weiterer Jugendsozialarbeit an Schulen im Landkreis Würzburg. Er empfiehlt einen zügigen Ausbau in Verbindung mit den Schulen, den Gemeinden und Sachaufwandsträgern, dem Staatlichen Schulamt und dem Amt für Jugend und Familie. Die entsprechenden notwendigen Mittel werden im Jugendhilfehaushalt eingeplant. Darüber hinaus werden die bereits bestehenden Beratungsangebote aktiv an den Schulen beworben, um die Möglichkeit von kurzfristigen Hilfen auszuweiten.

 

Beschluss:

 

Der Jugendhilfeausschuss sieht den Bedarf an weiterer Jugendsozialarbeit an Schulen im Landkreis Würzburg. Er empfiehlt einen zügigen Ausbau in Verbindung mit den Schulen, den Gemeinden und Sachaufwandsträgern, dem Staatlichen Schulamt und dem Amt für Jugend und Familie. Die entsprechenden notwendigen Mittel werden im Jugendhilfehaushalt eingeplant. Darüber hinaus werden die bereits bestehenden Beratungsangebote aktiv an den Schulen beworben, um die Möglichkeit von kurzfristigen Hilfen auszuweiten.