Beschluss: zur Kenntnis genommen

Sachverhalt:

 

Die drei Fachbereiche des Jugendamtes 31 a, b und c stellen auf Grundlage des Geschäftsberichts 2020 besonders hervorzuhebende Aspekte des vergangenen Jahres vor:

 

·         Kindeswohlgefährdung in Zeiten der Pandemie (FB 31a)

·         Jugendkriminalität (FB 31a)

·         Eingliederungshilfen (FB 31b)

·         Fallzahlentwicklung Hilfen zur Erziehung

·         Familienbildung und Familienstützpunkte (FB 31c)

·         Neuorientierung in der Jugendhilfeplanung (FB 31c)

 

Debatte:

 

Herr Adler berichtet für den Fachbereich 31a, Sozialpädagogische Dienste:

 

Die häufigste Frage im Jahr 2020 im Fachbereich 31a drehte sich um Kindeswohlgefährdung und häusliche Gewalt. Führen die coronabedingten familiären Einschränkungen zu mehr innerfamiliären Konflikten? Sowohl die statistischen Zahlen für den Landkreis Würzburg vom letzten Jahr, als auch die persönliche Einschätzung der Fachkräfte im Jugendamt stellen ganz klar keine Zunahme an familiären Konflikten fest. Das liegt daran, dass in dem sogenannten „Hellfeld“ der Kontakt zu belasteten Familien nie abgebrochen ist. 2020 gab es im Vergleich zu den Vorjahren mehr Meldungen bei Kindeswohlgefährdungen. Ein gut eingeführtes standardisiertes Verfahren stellt sicher, dass jede Meldung kurzfristig bearbeitet wird. Bei notwendigen Hausbesuchen finden diese auch während der Pandemie in persönlicher Präsenz mit 2 Fachkräften (4-Augen-Prinzip) statt. Auffällig ist, dass im Vergleich zu den Vorjahren die Inobhutnahmen auf 14 im Jahr 2020 zurückgegangen sind.

 

Bei den einzelnen Hilfearten fällt eine enorme Zunahme bei den Sozialpädagogischen Familienhilfen auf. Ein Grund dafür ist es, dass die Jugendhilfe gerade in Familien mit kleinen Kindern kein Gefährdungsrisiko eingeht. Gerade bei § 8a-Meldungen mit gewichtigen Anhaltspunkten ist eine Familienhilfe eine gute Antwort. Auch diese Hilfen haben in Zeiten der Pandemie stattgefunden, teilweise mit nicht unerheblichen gesundheitlichen Risiken für die Fachkräfte. Auf Rückfrage von Frau Kreisrätin Heeg bestätigt Herr Adler, dass die starke Zunahme der Sozialpädagogischen Familienhilfe vermutlich mit der gleichzeitigen Zunahme der Meldungen von Kindeswohlgefährdungen zusammenhängt.

 

Bei der Vollzeitpflege ist seit Jahren ein leichter aber stetiger Rückgang der Fallzahlen festzustellen. Das liegt vor allem daran, dass gerade bei Familien mit Kleinkindern viel versucht wird, die Kinder in den Ursprungsfamilien zu halten. Zudem nehmen die Fälle zu, dass Kinder so gravierende und multiple Verhaltensschädigungen aufweisen, dass sie in der Vollzeitpflegefamilie nicht mehr betreut werden können. Die Versorgung mit Pflegefamilien ist in der Regel gut, Probleme tun sich aber bei den Bereitschaftspflegefamilien auf, die gefordert sind, kurzfristig, manchmal sogar mitten in der Nacht, ein Kind aufzunehmen.

 

Die jugendhilferechtliche Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Ausländern hat seit der Flüchtlingskrise stark abgenommen. Allerdings gibt es eine Zunahme bei den Inobhutnahmen. Maßgeblicher Grund hierfür ist, dass die Bundespolizei auf den Autobahnen Flüchtlingstransporte ermittelt. Die so aufgegriffenen Minderjährigen werden dem örtlichen Jugendamt zugestellt. Da diese Jugendlichen in aller Regel andere Ziele im Auge haben, sind diese häufig nach wenigen Tagen bereits wieder weg. Herr Schmitt, Polizeiinspektion Würzburg-Land, ergänzt hierzu, dass momentan an den EU-Außengrenzen die Flüchtlingsströme abgehalten werden. Diejenigen, die es dennoch über Schleußer nach Deutschland schaffen, haben in der Regel gerade bei Minderjährigen das Ziel, bei bereits hier lebender Verwandtschaft unterzukommen.

 

In der Jugendhilfe im Strafverfahren sind pro Jahr gut 1.000 Vorgänge im Jugendamt anhängig. Allerdings muss man relativieren, dass davon ca. 200 Diversionen sind, das sind Fälle, die das Jugendamt im Auftrag der Staatsanwaltschaft regelt. Weitere ca. 200 Fälle pro Jahr werden in der Hauptverhandlung unter Beteiligung der Jugendhilfe im Strafverfahren verhandelt. Somit haben wir in der Jugendhilfe im Strafverfahren im Jahr in der Summe ca. 400 zu bearbeitende Fälle. Bei der Übersicht der Deliktarten wird ein Pandemieeffekt sichtbar. So sind die Fallzahlen z. B. bei den Ladendiebstählen, bei den Gewaltdelikten und bei den Drogendelikten rückläufig, da die entsprechenden Gelegenheiten nicht in der Fülle gegeben waren. Darüber hinaus muss man klar feststellen, dass die Entwicklung in gewissen Straftatgruppen von dem jeweiligen Ermittlungsverhalten der Polizei im starken Maße abhängt. Als ein Beispiel nennt Herr Adler die Zunahme bei den Sexualdelikten. Bei vielen Straftaten werden mittlerweile die Handys von Jugendlichen konfisziert. Bei der Überprüfung der Handys stoßen die Ermittlungsbeamten auf kinderpornografisches Material, das in irgendwelchen sozialen Netzwerken verbreitet wird. Sehr häufig haben die Jugendlichen keine Kenntnis bzw. vergessen, dass das Material in ihrem Handyarchiv noch vorhanden ist. D. h., sehr häufig steckt kein sexualisiertes oder anderweitiges affines Verhalten der Jugendlichen dahinter, sondern reine Nachlässigkeit. Bei gewaltpornografischen Medien ist nicht allein die Verbreitung, sondern auch der Besitz strafbar. Dies schlägt sich in den Fallzahlen nieder. D. h., in diesem Tatbestand spiegelt sich weniger eine kriminelle Energie, als vielmehr eine mangelnde Information über mögliche Konsequenzen.

 

Frau Kreisrätin Wild bestätigt aus ihrer Erfahrung als Jugendschöffin, dass das Problem weniger beim Kind liegt, als vielmehr bei den Eltern. Sie hat die Erfahrung gemacht, dass kaum Eltern bei jugendgerichtlichen Strafverfahren anwesend sind und ihre Kinder stützen. Auch in den Hilfen zur Erziehung, insbesondere in familienersetzenden, wollen die Kinder in aller Regel zurück zu ihren Eltern. Auch das verdeutlicht, dass die Probleme weniger bei den Kindern, als vielmehr bei den Eltern zu suchen sind.

 

Herr Obermayer berichtet für den Fachbereich 31b, Verwaltung der Jugendhilfe:

 

Die Fallzahlenentwicklung für die Übernahme von Teilnahmebeiträgen in Kindertageseinrichtungen und der Kindertagespflege sind deutlich rückgängig. Das ist im Wesentlichen auf die Einführung des Bayerischen Betreuungsgeldes zurückzuführen, da damit ein Rückgang der Elternbeiträge in den Einrichtungen der Tagespflege einhergeht.

 

Seit letztem Jahr gibt es den Fachdienst Eingliederungshilfen (§ 35a SGB VIII). Hintergrund ist das Bundesteilhabegesetz. Dies hat zu einer erheblichen Fallsteigerung bei der Teilhabeprüfung, als auch bei den Hilfen geführt.

 

Frau Kreisrätin Heeg fragt an, worauf die besonderen Fallzahlsteigerungen bei den Eingliederungshilfen zurückzuführen sind. Herr Obermayer antwortet, es gibt eine Reihe von Gründen, z. B. die zunehmende Sensibilität des Fachpersonals in Kindertageseinrichtungen, die bereits vor dem Übergang vom Kindergarten in die Schule entsprechende Hinweise auf Unterstützungsbedarfe geben. Des Weiteren verpflichten gerichtliche Verfahren das Jugendamt, unabhängig von der Prüfung der Teilhabeberechtigung, z. B. Schulbegleiter vom ersten Tag der Einschulung an. Erst im Laufe des Fallmanagements könne dann vom Jugendamt abgeschätzt werden, ob ein Schulbegleiter notwendig ist oder nicht, oder ob der Stundenumfang angepasst werden kann.

 

Herr Rostek berichtet für den Fachbereich 31c, Kinder-, Jugend- und Familienarbeit:

 

Auch die Tätigkeitsfelder im Fachbereich 31c waren 2020 maßgeblich von der Pandemiesituation geprägt, wenn auch nicht alles im ausschließlich negativen Tenor, es gibt auch durchaus interessante positive Entwicklungen, die sich so ohne Lockdown und Einschränkungen nicht ergeben hätten.

 

Im Bereich der Kindertagesbetreuung gab es einen enorm erhöhten Beratungsbedarf für die 135 Kindertageseinrichtungen und für die Tagesmütter. Die telefonischen Anfragen in Angelegenheiten der Notbetreuung, der Schließungen und Öffnungen, der Zugangsberechtigungen in Kitas usw. waren so immens, dass sie im Fachbereich auf mehrere Schultern verteilt werden mussten, um die Anfrageflut zu bewältigen. Damit konnte auch vor allen Dingen im ersten Halbjahr 2020 das Bürgertelefon des Landkreises Würzburg nicht unmaßgeblich entlastet werden. Im Mittelpunkt standen Fragen zu den Infektionsschutzverordnungen, zu Betretungsverboten, zur Notbetreuung, zur Definition sogenannter „systemrelevanter Personen“ und vieles mehr.

 

In der Jugendarbeit hat uns insbesondere das Thema Kinderrechte beschäftigt. Kinder und Jugendliche werden bis heute noch mehr als Infektionsüberträger, also als Gefährdungspotential und weniger als Träger von Rechten gesehen. Wir hatten es mit Schließungen und Teilöffnungen der offenen Jugendarbeit zu tun. Dennoch waren viele Angebote möglich. Insbesondere bei den Ferienangeboten konnten mit Einhaltung der Hygieneregeln eine ganze Reihe von Veranstaltungen durchgeführt werden, so der Abenteuerspielplatz in Kirchheim, der Zirkus Wirbelwind mit seinen zwei Wochenveranstaltungen mit Übernachtung der Kinder, das Ferienpassprogramm und das Mut-mach-Programm an Grundschulen.

 

In den frühen Hilfen, der Angebote der Familienbildung und Familienstützpunkte haben sich nach der „Schockstarre“ im ersten Lockdown vor allen Dingen ab dem zweiten Halbjahr 2020 viele kreative Lösungen und Angebote entwickelt. Vom Tür- und Angelgespräch, Beratungsspaziergängen und Treffen in öffentlichen Freiräumen (z. B. Spielplatz) mit informationsinteressierten Eltern konnten coronakonforme persönliche Kontakte ermöglicht und gepflegt werden. Besonders stark und erfolgreich war der Ausbau digitaler Elternbildungsangebote: vom Online-Elternabend, über digitale Gruppentreffen junger Mütter, von Online-Beratungsgesprächen, bis hin zur digitalen Krabbelgruppe. Wichtig ist hierbei die Frage der digitalen Kompetenz der Fachkräfte in technischer und methodischer Hinsicht, sowie die Frage der geeigneten digitalen Ausstattung, wozu auch ein guter Internetzugang gehört. In diesen Bereichen haben zahlreiche Qualifizierungsangebote stattgefunden. Ein weiterer wichtiger Arbeitsauftrag für die Familienbildung, Familienstützpunkte und frühe Hilfen im Jahr 2020 war die Unterstützung und das Mutmachen der Eltern in der aktuell schwierigen Erziehungsverantwortung, insbesondere bewirkt durch die Dreifachbelastung Kinder, Beruf und Schule.

 

In der Netzwerkarbeit, in der Arbeit von Arbeitsgruppen und Arbeitsgemeinschaften auf Landkreisebene, auf unterfränkischer Ebene, auf bayerischer Ebene und auf Bundesebene, wurde das Ausweichen auf digitale Formate als großer und auch für die Zukunft dauerhaft zu erhaltender Wert erkannt.