Beschluss: mehrheitlich abgelehnt

Abstimmung: Ja: 6, Nein: 7

Sachverhalt:

 

Bereits in den Jahren 2019 und 2020 wurde auf Grundlage der Beschlüsse im Jugendhilfeausschuss vom 19.10.2018 sowie 07.10.2019 das Beratungsangebot des Evangelischen Beratungszentrums EBZ „Mit Familienberatung zur Integration“ gefördert. Gegenstand der Förderung sind 30 Wochenstunden, verteilt auf 2 Fachkräfte, sowie der notwendige Sachkostenanteil. Stadt und Landkreis haben sich die Kosten zunächst mit einem Schlüssel von 2/3 und 1/3 der Kosten geteilt, im Jahr 2020 hat die Stadt ihren Anteil auf Höhe des Landkreises begrenzt. Der Finanzierungsanteil des Landkreises lag 2019 bei 13.637,00 €, 2020 bei 24.177,00 €.

 

Das Evangelische Beratungszentrum stellt für 2021 einen neuen Förderantrag an Stadt und Landkreis Würzburg mit einem zu finanzierenden Kostenrahmen von 58.500,00 €. Dies entspräche bei einer jetzt hälftigen Finanzierung durch den Landkreis einem Förderbetrag von 29.250,00 € (Steigerung im Vergleich zum Vorjahr i. H. v. 5.073,00 €).

 

Das Beratungsangebot richtet sich an neu zugewanderte Familien. Für Eltern aus diesen Kulturkreisen ist es unüblich, mit innerfamiliären oder erzieherischen Problemlagen öffentliche Stellen wegen Beratung oder Hilfen aufzusuchen. Deshalb setzt das Angebot auf „aufsuchende“ bzw. „begleitende“ Beratung, mit dem Ziel, die Eltern so schrittweise an das institutionelle Beratungsangebot heranzuführen. Dementsprechend wenden sich die Eltern nicht direkt an die Beratungsstelle, sondern werden von Dritten zugewiesen. Dies sind insbesondere der ASD, die Schulen und Kindertagesstätten.

 

Laut Geschäftsbericht des EBZ wurden 2019 38 Familien erreicht, davon 12 aus dem Landkreis Würzburg. Für 2020 liegen bisher keine Fallzahlen vor, die Aufteilung Stadt/Landkreis liegt jetzt jedoch bei ca. 50/50.

 

Laut Mitteilung aus dem ASD des Kreisjugendamtes wurden 2020 ca. 35 Familien an das Beratungsangebot verwiesen, es ist jedoch nicht bekannt, wie viele tatsächlich dort ankamen.

 

In einer Vorberatung des Antrags durch die Steuerungsgruppe Jugendhilfeplanung wird im Ergebnis empfohlen, das Angebot nicht weiter zu fördern. Begründung:

 

·         Die Fallzahlen erscheinen sehr niedrig.

·         Die Problematik der Ablehnung institutioneller Beratungsangebote bei neuzugewanderten Familien kann auch mit hohem Aufwand nicht nachhaltig verändert werden, auch wenn im Einzelfall positive Ergebnisse erzielt werden können.

·         Hinsichtlich der sozialräumlich orientierten Jugendhilfe im Landkreis gilt zu bedenken, dass das Angebot nur Familien/Eltern in unmittelbarer Stadtnähe erreichen können.

·         Konzeptionell richten sich Jugendhilfeangebote an alle Kinder, Jugendliche und Familien, egal aus welcher Lebenslage oder Problembiografie. In der im Jugendhilfeausschuss beschlossenen Planungsvorlage „Geflüchtete Kinder, Jugendliche und Familien in der Jugendhilfe“ vom 27.11.2017 wurde grundsätzlich der Bedarf an „Sonderangeboten“ für Geflüchtete bejaht, allerdings nur als Übergangslösung. Jugendhilfe muss sich immer am individuellen Bedarf orientieren und adäquate Hilfsangebote finden.

 

Debatte:

 

Herr Rostek teilt aktuelle Informationen des Stadtrates der Stadt Würzburg mit, welcher im Rahmen seiner Haushaltsberatungen am 26.11. und 27.11.2020 die Förderung des Beratungsangebotes des EBZ „Mit Familienberatung zur Integration“ aus der Förderung herausgenommen hat, d. h. die Stadt Würzburg fördert dieses Angebot nicht.

 

Herr Schrappe stellt als Vertreter des Diakonischen Werkes/Evangelisches Beratungszentrum die Trägersicht zum Zuschussantrag dar. Im Vorfeld wurden die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses über den Träger bereits umfassend informiert. Auf diese Informationen nimmt Herr Schrappe Bezug. Die zwei Schreiben befinden sich in der Anlage zum Protokoll.

 

Zu der Ablehnung der Stadt Würzburg ergänzt Herr Schrappe, dass dies bereits im letzten Jahr so erfolgt ist, im Nachgang aber dennoch gefördert wurde. Diese Vorgehensweise sieht Herr Schrappe auch für das Jahr 2021, so dass er fest mit einer städtischen Förderung rechnet. Im Widerspruch zum Sachvortrag von Herrn Rostek betont Herr Schrappe, dass der „Übergang“ zur Integration noch nicht geschafft ist, deshalb bittet er die Ausschussmitglieder um eine Weiterförderung des Projektes. Das Diakonische Werk wird sich bemühen, sowohl bei der Stadt als auch bei anderen Stellen Fördergelder zu erhalten, im schlimmsten Fall werden die Nutzer des Angebotes auf Bewohner des Landkreises Würzburg reduziert.

 

Herr Prof. Adams teilt die Ausführungen von Herrn Rostek dahingehend, dass Teilspezialisierungen und Zergliederung von Jugendhilfeleistungen nicht zielführend sind. Allerdings hat er insbesondere im Kontext der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge die Erfahrung gemacht, dass zu früh angesetzte integrative Angebote scheitern. Diese Erfahrung stammt zwar aus dem stationären Jugendhilfebereich, ist seiner Ansicht nach aber auf ambulante Angebote der Jugendhilfe übertragbar. Seiner Ansicht nach wird die Integration von Familien ein großes Aufgabenfeld bleiben, deshalb bedarf es auch solche spezialisierten Angebote.

 

Herr Landrat Eberth bestätigt durchaus die Notwendigkeit solcher Angebote. Allerdings kann er nicht außen vorlassen, dass das Thema Integration eigentlich eine Angelegenheit des Bundes und nicht der Kommune ist.

 

Herr Kreisrat Eck merkt an: Erstens: Bei 35 Zuweisungen an das Beratungsangebot durch das Jugendamt selbst erkennt er einen Bedarf und einen fachlichen Zusammenhang. Zweitens: Die SPD-Fraktion sieht vor allen Dingen den Wert des präventiven Ansatzes des Beratungsangebotes. Integration ist ein langwieriger Prozess, deshalb plädiert die SPD-Fraktion dafür, die Förderung des Angebotes aufrechtzuerhalten. Allerdings ist eine Kofinanzierung der Stadt Würzburg in gleicher Höhe unabdingbar.

 

Herr Adler stellt hinsichtlich der 35 Zuweisungen durch den Allgemeinen Sozialdienst des Kreisjugendamtes richtig, dass es sich dabei um Zuweisungen an das Evangelische Beratungszentrum insgesamt, also auch an die Erziehungsberatung handelt. Nur ein kleinerer Teil davon waren Zuweisungen an die Familienberatung.

 

Frau Kreisrätin Wild, als Vorsitzende des Unterausschusses Jugendhilfeplanung, weist daraufhin, dass die Planungsgruppe es sich mit der Befassung zu diesem vorliegenden Thema nicht leichtgemacht hat. Zu berücksichtigen waren alternative Angebote und die Fragestellung, inwiefern das, was das Projekt leistet, durch andere übernommen werden kann. Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass zu einem späteren Zeitpunkt, bei Wiederaufkeimen der Problemlage, das Projekt neu angestoßen werden könnte.

 

Herr Meixner betont ebenso die Wichtigkeit, das Angebot weiter zu fördern. Der Übergang der Integration ist längst noch nicht geschafft. Anstelle einer Streichung der Förderung wäre es vielleicht auch möglich, das Konzept besser auf die Landkreisstrukturen anzupassen. Frau Kreisrätin Heeg betont die Notwendigkeit einer Weiterförderung. Aus eigener Erfahrung heraus weiß sie, wie zeitaufwändig es ist, Migrationsfamilien an unsere Gesellschaft heranzuführen.

 

Herr Rostek erläutert zu seinen Ausführungen, dass er nicht der Ansicht ist, Integration würde sich in wenigen Jahren von selbst ergeben, vielmehr muss man hier in Generationenzeiträumen denken. Als Jugendhilfeplaner ist er jedoch gefordert, neue Jugendhilfeleistungen unter der Fragestellung des Nutzens für einen Flächenlandkreis zu überprüfen. Darüber hinaus hat er als Jugendhilfeplaner aber auch die Aufgabe kritisch zu überprüfen, wie unsere Zielgruppenausrichtung in der Jugendhilfe organisiert ist. Sicher ist es hilfreich, anlassbedingt besondere Zielgruppen exklusiv in der Jugendhilfe zu berücksichtigen und zu thematisieren, jedoch darf dies keine Dauerlösung sein. Schnell verlieren wir Bedarfe anderer Zielgruppen wie z. B. Familien mit behinderten Kindern, Alleinerziehende, sozial und finanziell abgehängte Familien, usw., aus dem Auge. Er weist auf die „Verlierer der Gesellschaft“ hin, die auch an die Hand genommen werden müssten, für die es aber keine Angebote gäbe.

 

Herr Landrat Eberth ruft zur Abstimmung und weist daraufhin, dass das stimmberechtigte Mitglied, Herr Prof. Adams, als Vertreter der Diakonie, an diesem Tagesordnungspunkt aufgrund der Trägerbetroffenheit nicht mit abstimmen darf.


Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss lehnt die weitere Förderung des Beratungsangebotes „Mit Familienberatung zur Integration“ ab dem Jahr 2021 ab.

 

Beschluss:

 

Der Beschlussvorschlag der Verwaltung ist abgelehnt.

 

Der Jugendhilfeausschuss stimmt dem Antrag des Evangelischen Beratungszentrums auf Förderung des Angebotes „Mit Familienberatung zur Integration“ zu. Die erforderlichen Mittel werden im Jugendhilfeaushalt eingeplant.