Sitzung: 06.07.2020 Sozialausschuss
Beschluss: einstimmig beschlossen
Sachverhalt:
Bei der Abrechnung der Verwaltungskosten für
den Vollzug des SGB II wird nach der Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die
Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die
zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im
automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes
(Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) unterschieden
zwischen den Personalkosten nach § 10 KoA-VV und den Personalgemeinkosten nach §
13 KoA-VV. Die Personalkosten werden in tatsächlicher Höhe („spitz“)
abgerechnet (§ 19 Abs. 1 KoA-VV), während für die Personalgemeinkosten nach §
22 KoA-VV ein Zuschlag in Höhe von 30% der nach § 19 abgerechneten (und um die
Aufwendungen nach § 10 Abs. 3 KoA-VV geminderten) Personalkosten zu
berücksichtigen ist („pauschale Abrechnung“).
Zu
den nach § 13 Abs. 1 KoA-VV im Rahmen der Personalgemeinkosten pauschal
abzurechnenden Kosten gehören nicht als Einzelkosten erfassbaren Kosten der
Leitung. Davon abweichend dürfen die Kosten der Leitung nach § 13 Abs. 2 Satz 2
KoA-VV in tatsächlicher Höhe „spitz“ abgerechnet werden, wenn ausschließlich
Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wahrgenommen
werden. Bis zum 31.12.2017 erfolgte auch die Bewilligung von Bildungs- und
Teilhabeleistungen nach §§ 34 f. SGB XII und
§ 6b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für Wohngeld- und
Kinderzuschlagbezieher im Jobcenter Landkreis Würzburg „aus einer Hand“. Zum
01.01.2018 wurden die Bildungs- und Teilhabeleistungen nach §§ 34 f. SGB XII
und § 6b BKGG an den damaligen Fachbereich 33 abgegeben.
In der Jahresabrechnung 2017 wurden erstmals die Personalkosten des Leiters des Fachbereichs 41 - Haushalt und Recht Jobcenter Landkreis Würzburg – zu 50% bezüglich der Querschnittsaufgaben des Controllings über die Personalgemeinkostenpauschale nach § 13 KoA-VV abgerechnet und zu 50% spitz bezüglich seiner Funktion als Fachbereichsleiter im Rechtskreis SGB II. In den Vorjahren erfolgte jeweils eine Abrechnung zu 100% über die Personalgemeinkostenpauschale nach § 13 KoA-VV. Hintergrund für die anteilige Spitz-Abrechnung war das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) in Schweinfurt vom 20.12.2017, Az. L 11 AS 391/14 KL, in dem die Abrechnung der tatsächlichen Personalkosten für zusätzliche Mitarbeitergruppen eröffnet wurde.
Mit Nachfrageschreiben vom
24.06.2019 hinterfragte die Prüfgruppe (PG) des Bundesministeriums für Arbeit
und Soziales (BMAS) die jeweils hälftige Abrechung der Personalkosten und bat
um Zurverfügungstellung der Stellenbeschreibung und Erläuterung der spitz und
nicht spitz abgerechenten Stellenanteile. Die geforderten Erläuterungen wurden
zusammen mit einer Stellenbeschreibung am 26.06.2019 an das BMAS
weitergeleitet.
Mit Schreiben vom 08.04.2020
beanstandete die PG des BMAS die zu 50% spitz abgerechneten Kosten des
Fachbereichsleiters FB 41 in der Jahresabrechnung 2017.
Das BMAS argumentiert, dass die 50%-tige Abrechnung als
Fachbereichsleiter für die Bereiche Recht und Haushalt nicht mit der KoA-VV
vereinbar sind, da sie Querschnittsaufgaben darstellen. Diese seien über die
Personalgemeinkosten nach § 13 KoA-VV
pauschal abzurechnen. Außerdem habe der Mitarbeiter als stellvertretender
Geschäftsbereichsleiter gemäß Aufgabenzuteilung in der Arbeitsplatzbeschreibung
ausschließlich die Vertretung und Unterstützung des Geschäftsbereichsleiters zu
verantworten. Da der Leiter (sowie dessen Vertretung) Aufgaben aus dem SGB
II-Bereich, aber auch aus anderen Leistungsbereichen wahrnimmt (so zumindest
noch 2017), sind dessen Kosten nach § 13 Abs. 2 Satz 1 KoA-VV ebenfalls den
Personalgemeinkosten zuzurechnen. Demzufolge sind die Kosten für die Leitung
sowie seines Stellvertreters bereits mit dem Gemeinkostenzuschlag in Höhe von
30% abgegolten. Die Ausnahme des § 13 Abs. 2 Satz 2 KoA-VV sei nicht
einschlägig. Die nach § 10 KoA-VV abgerechneten Kosten seien folglich zu
beanstanden. Nach Berücksichtigung des
kommunalen Finanzierungsanteils (KFA) ergäbe sich eine Beanstandungssumme in Höhe von 51.630,58 Euro
für das Haushaltsjahr 2017:
|
2017 |
Personalkosten: |
32,454,92 € |
Pauschale Personalnebenkosten: |
1.226,00 € |
Versorgungszuschlag: |
11.359,22 € |
Gemeinkosten: |
6.108,50 € |
Gesamt: |
60.885,12 € |
Abzgl. KFA (15,2%): |
- 9.254,54 € |
Rückforderung: |
51.630,58 € |
Dieser Betrag sollte – zusammen mit anderen
Forderungen – am 12.05.2020 zur Zahlung fällig sein. Mit Schreiben vom
22.04.2020 wurde gegenüber dem Bund angekündigt, die vorstehende Summe unter
Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu erstatten. Die
Überweisung erfolgte am 27.04.2020, die Wertstellung am 05.05.2020. Eine
gesonderte Begründung des Vorbehalts gegenüber dem BMAS soll noch erfolgen.
In einer vorherigen Anfrage begründete die
Prüfgruppe des BMAS die Nichtabrechenbarkeit der zu 50% geltend gemachten
Personalkosten ausschließlich mit der Tätigkeit als Stellvertretender
Geschäftsbereichsleiter. Die Tätigkeit des stellvertretenden
Geschäftsbereichsleiter habe gemäß Aufgabenzuteilung in der
Arbeitsplatzbeschreibung die Vertretung und Unterstützung des Leiters zu
verantworten. Er trete mithin bei Abwesenheit des Leiters in dessen
Verantwortung. Da der Leiter (sowie dessen Vertretung) Leistungen aus dem SGB
II- Bereich und auch andere Leistungsbereiche wahrnehmen, seien die
Kosten der Leitung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 KoA-VV den Gemeinkosten zuzurechnen.
Demzufolge seien die Kosten für die Leitung, sowie des Stellvertreters bereits
mit den Gemeinkostenzuschlag in Höhe von 30% abgegolten. Die Ausnahme nach § 13
Abs. 2 Satz 2 KoA-VV sei nicht einschlägig, weil der Leiter auch andere
Aufgaben, außerhalb des SGB II-Bereiches, wahrnähme.
Aus Sicht des Jobcenters ist die Weigerung der
Anerkennung des vollen spitz abgerechneten Anteils der Personalkosten in Höhe
von 50% ungerechtfertigt. Nach der Stellenbeschreibung des Fachbereichsleiters
beträgt der Anteil der Vertretung des Geschäftsbereichsleiters in der
Stellenbeschreibung lediglich 8% der gesamten Arbeitszeit. Innerhalb dieser
Vertretungszeit entfällt der weit überwiegende Anteil auf Vertretungstätigkeiten
im Bereich SGB II. Der Anteil der Vertretungsaufgaben außerhalb des SGB II
betrug unter 1%, so dass nach hiesiger Auffassung eine Nichterstattung in Höhe
der vollen angesetzten 50% unverhältnismäßig ist.
Nachdem der Deutsche Landkreistag (DLT) bereits
bezüglich der Spitzabrechnung der Mitarbeiter der Widerspruchstellen ein
Musterverfahren anstrengen will, werden wir dem DLT auch den Sachverhalt
bezüglich der beanstandeten Abrechnung der stellvertretenden
Geschäftsbereichsleitung mitteilen, und falls der Sachverhalt auch bei anderen
zkT einschlägig ist, ein weiteres Musterverfahren anregen.
Angesichts des hohen zur Disposition stehenden
Betrages von 51.630,58 Euro bittet die Verwaltung darum, den Landrat zu
ermächtigen, notfalls Klage beim Landessozialgericht Bayern gegen eine
Beanstandung der Jahresrechnung 2017 bezüglich der spitzen Abrechnung des
50%-Anteils der Personalkosten des Fachbereichsleiters des FB 41 einzulegen,
falls eine gütliche Einigung mit dem BMAS diesbezüglich nicht zu erreichen ist
oder kein Musterverfahren über den DLT eingeleitet wird. Eines Vorverfahrens
(Widerspruchsverfahren) bedarf es nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 des
Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht, da die ablehnende Entscheidung durch eine
oberste Bundesbehörde (BMAS) erfolgt. Die Klage wäre nach
§ 29 Abs. 2 Nr. 3 SGG beim Landessozialgericht zu
erheben.
Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss ermächtigt den Landrat, gegen
eine Beanstandung der spitzen Personalkostenabrechnung 2017 hinsichtlich des
50%-Anteils der Personalkosten des Fachbereichsleiters des FB41 und
stellvertretenden Geschäftsbereichsleiters durch das Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen,
falls eine Einigung im Verständigungswege oder ein Musterverfahren eines
Dritten nicht zustande kommt.
Debatte:
Herr Schumacher erläutert die
Angelegenheit.
Beschluss:
Der Sozialausschuss ermächtigt den Landrat, gegen
eine Beanstandung der spitzen Personalkostenabrechnung 2017 hinsichtlich des
50%-Anteils der Personalkosten des Fachbereichsleiters des FB41 und
stellvertretenden Geschäftsbereichsleiters durch das Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen,
falls eine Einigung im Verständigungswege oder ein Musterverfahren eines
Dritten nicht zustande kommt.
Zur weiteren
Veranlassung an
Zur Kenntnis an