Beschluss: einstimmig beschlossen

Sachverhalt:

 

Bei der Abrechnung der Verwaltungskosten für den Vollzug des SGB II wird nach der Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) unterschieden zwischen den Personalkosten nach § 10 KoA-VV und den Personalgemeinkosten nach § 13 KoA-VV. Die Personalkosten werden in tatsächlicher Höhe („spitz“) abgerechnet (§ 19 Abs. 1 KoA-VV), während für die Personalgemeinkosten nach § 22 KoA-VV ein Zuschlag in Höhe von 30% der nach § 19 abgerechneten (und um die Aufwendungen nach § 10 Abs. 3 KoA-VV geminderten) Personalkosten zu berücksichtigen ist („pauschale Abrechnung“).

 

Zu den nach § 13 Abs. 1 KoA-VV im Rahmen der Personalgemeinkosten pauschal abzurechnenden Kosten gehören nicht als Einzelkosten erfassbaren Kosten der Leitung. Davon abweichend dürfen die Kosten der Leitung nach § 13 Abs. 2 Satz 2 KoA-VV in tatsächlicher Höhe „spitz“ abgerechnet werden, wenn ausschließlich Aufgaben der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II wahrgenommen werden. Bis zum 31.12.2017 erfolgte auch die Bewilligung von Bildungs- und Teilhabeleistungen nach §§ 34 f. SGB XII und § 6b Bundeskindergeldgesetz (BKGG) für Wohngeld- und Kinderzuschlagbezieher im Jobcenter Landkreis Würzburg „aus einer Hand“. Zum 01.01.2018 wurden die Bildungs- und Teilhabeleistungen nach §§ 34 f. SGB XII und § 6b BKGG an den damaligen Fachbereich 33 abgegeben.

 

In der Jahresabrechnung 2017 wurden erstmals die Personalkosten des Leiters des Fachbereichs 41 - Haushalt und Recht Jobcenter Landkreis Würzburg – zu 50% bezüglich der Querschnittsaufgaben des Controllings über die Personalgemeinkostenpauschale nach § 13 KoA-VV abgerechnet und zu 50% spitz bezüglich seiner Funktion als Fachbereichsleiter im Rechtskreis SGB II. In den Vorjahren erfolgte jeweils eine Abrechnung zu 100% über die Personalgemeinkostenpauschale nach § 13 KoA-VV. Hintergrund für die anteilige Spitz-Abrechnung war das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) in Schweinfurt vom 20.12.2017, Az. L 11 AS 391/14 KL, in dem die Abrechnung der tatsächlichen Personalkosten für zusätzliche Mitarbeitergruppen eröffnet wurde.

 

Mit Nachfrageschreiben vom 24.06.2019 hinterfragte die Prüfgruppe (PG) des Bundes­ministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) die jeweils hälftige Abrechung der Personal­kosten und bat um Zurverfügungstellung der Stellenbeschreibung und Erläuterung der spitz und nicht spitz abgerechenten Stellenanteile. Die geforderten Erläuterungen wurden zusam­men mit einer Stellenbeschreibung am 26.06.2019 an das BMAS weitergeleitet.

 


Mit Schreiben vom 08.04.2020 beanstandete die PG des BMAS die zu 50% spitz abgerechneten Kosten des Fachbereichsleiters FB 41 in der Jahresabrechnung 2017.

 

Das BMAS argumentiert, dass die 50%-tige Abrechnung als Fachbereichsleiter für die Bereiche Recht und Haushalt nicht mit der KoA-VV vereinbar sind, da sie Querschnittsaufgaben darstellen. Diese seien über die Personalgemeinkosten nach § 13  KoA-VV pauschal abzurechnen. Außerdem habe der Mitarbeiter als stellvertretender Geschäftsbereichsleiter gemäß Aufgabenzuteilung in der Arbeitsplatzbeschreibung ausschließlich die Vertretung und Unterstützung des Geschäftsbereichsleiters zu verantworten. Da der Leiter (sowie dessen Vertretung) Aufgaben aus dem SGB II-Bereich, aber auch aus anderen Leistungsbereichen wahrnimmt (so zumindest noch 2017), sind dessen Kosten nach § 13 Abs. 2 Satz 1 KoA-VV ebenfalls den Personalgemeinkosten zuzurechnen. Demzufolge sind die Kosten für die Leitung sowie seines Stellvertreters bereits mit dem Gemeinkostenzuschlag in Höhe von 30% abgegolten. Die Ausnahme des § 13 Abs. 2 Satz 2 KoA-VV sei nicht einschlägig. Die nach § 10 KoA-VV abgerechneten Kosten seien folglich zu beanstanden. Nach  Berücksichtigung des kommunalen Finanzierungsanteils (KFA) ergäbe sich eine  Beanstandungssumme in Höhe von 51.630,58 Euro für das Haushaltsjahr 2017:

 

 

2017

Personalkosten:

32,454,92 €

Pauschale Personalnebenkosten:

1.226,00 €

Versorgungszuschlag:

11.359,22 €

Gemeinkosten:

6.108,50 €

Gesamt:

60.885,12 €

Abzgl. KFA (15,2%):

-  9.254,54 €

Rückforderung:

51.630,58 €

 

Dieser Betrag sollte – zusammen mit anderen Forderungen – am 12.05.2020 zur Zahlung fällig sein. Mit Schreiben vom 22.04.2020 wurde gegenüber dem Bund angekündigt, die vorstehende Summe unter Vorbehalt und ohne Anerkennung einer Rechtspflicht zu erstatten. Die Überweisung erfolgte am 27.04.2020, die Wertstellung am 05.05.2020. Eine gesonderte Begründung des Vorbehalts gegenüber dem BMAS soll noch erfolgen.

 

In einer vorherigen Anfrage begründete die Prüfgruppe des BMAS die Nichtabrechenbarkeit der zu 50% geltend gemachten Personalkosten ausschließlich mit der Tätigkeit als Stellvertretender Geschäftsbereichsleiter. Die Tätigkeit des stellvertretenden Geschäftsbereichsleiter habe gemäß Aufgabenzuteilung in der Arbeitsplatzbeschreibung die Vertretung und Unterstützung des Leiters zu verantworten. Er trete mithin bei Abwesenheit des Leiters in dessen Verantwortung. Da der Leiter (sowie dessen Vertretung) Leistungen aus dem SGB II- Bereich und auch andere Leistungsbereiche wahrnehmen, seien die Kosten der Leitung nach § 13 Abs. 2 Satz 1 KoA-VV den Gemeinkosten zuzurechnen. Demzufolge seien die Kosten für die Leitung, sowie des Stellvertreters bereits mit den Gemeinkostenzuschlag in Höhe von 30% abgegolten. Die Ausnahme nach § 13 Abs. 2 Satz 2 KoA-VV sei nicht einschlägig, weil der Leiter auch andere Aufgaben, außerhalb des SGB II-Bereiches, wahrnähme.

 

Aus Sicht des Jobcenters ist die Weigerung der Anerkennung des vollen spitz abgerechneten Anteils der Personalkosten in Höhe von 50% ungerechtfertigt. Nach der Stellenbeschreibung des Fachbereichsleiters beträgt der Anteil der Vertretung des Geschäftsbereichsleiters in der Stellenbeschreibung lediglich 8% der gesamten Arbeitszeit. Innerhalb dieser Vertretungszeit entfällt der weit überwiegende Anteil auf Vertretungstätigkeiten im Bereich SGB II. Der Anteil der Vertretungsaufgaben außerhalb des SGB II betrug unter 1%, so dass nach hiesiger Auffassung eine Nichterstattung in Höhe der vollen angesetzten 50% unverhältnismäßig ist.

 

Nachdem der Deutsche Landkreistag (DLT) bereits bezüglich der Spitzabrechnung der Mitarbeiter der Widerspruchstellen ein Musterverfahren anstrengen will, werden wir dem DLT auch den Sachverhalt bezüglich der beanstandeten Abrechnung der stellvertretenden Geschäftsbereichsleitung mitteilen, und falls der Sachverhalt auch bei anderen zkT einschlägig ist, ein weiteres Musterverfahren anregen.

 

Angesichts des hohen zur Disposition stehenden Betrages von 51.630,58 Euro bittet die Verwaltung darum, den Landrat zu ermächtigen, notfalls Klage beim Landessozialgericht Bayern gegen eine Beanstandung der Jahresrechnung 2017 bezüglich der spitzen Abrechnung des 50%-Anteils der Personalkosten des Fachbereichsleiters des FB 41 einzulegen, falls eine gütliche Einigung mit dem BMAS diesbezüglich nicht zu erreichen ist oder kein Musterverfahren über den DLT eingeleitet wird. Eines Vorverfahrens (Widerspruchsverfahren) bedarf es nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht, da die ablehnende Entscheidung durch eine oberste Bundesbehörde (BMAS) erfolgt. Die Klage wäre nach § 29 Abs. 2 Nr. 3 SGG beim Landessozialgericht zu erheben.

 

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Sozialausschuss ermächtigt den Landrat, gegen eine Beanstandung der spitzen Personalkostenabrechnung 2017 hinsichtlich des 50%-Anteils der Personalkosten des Fachbereichsleiters des FB41 und stellvertretenden Geschäftsbereichsleiters durch das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen, falls eine Einigung im Verständigungswege oder ein Musterverfahren eines Dritten nicht zustande kommt.

 

 

 

Debatte:

 

Herr Schumacher erläutert die Angelegenheit.


Beschluss:

 

Der Sozialausschuss ermächtigt den Landrat, gegen eine Beanstandung der spitzen Personalkostenabrechnung 2017 hinsichtlich des 50%-Anteils der Personalkosten des Fachbereichsleiters des FB41 und stellvertretenden Geschäftsbereichsleiters durch das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen, falls eine Einigung im Verständigungswege oder ein Musterverfahren eines Dritten nicht zustande kommt.


Zur weiteren Veranlassung an

 

Zur Kenntnis an