Beschluss: zur Kenntnis genommen

Sachverhalt:

 

In der Sitzung vom 20.05.2019 berichtete das Jobcenter Landkreis Würzburg dem Sozialausschuss über die geänderten Abrechnungsmöglichkeiten der Personalkosten für Mitarbeiter der Widerspruchstelle aufgrund des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) in Schweinfurt vom 20.12.2017, Az. L 11 AS 391/14 KL.

 

Bei der Abrechnung der Verwaltungskosten für den Vollzug des SGB II wird nach der Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) unterschieden zwischen den Personalkosten nach § 10 KoA-VV und den Personalgemeinkosten nach § 13 KoA-VV. Die Personalkosten werden in tatsächlicher Höhe („spitz“) abgerechnet (§ 19 Abs. 1 KoA-VV), während für die Personalgemeinkosten nach § 22 KoA-VV ein Zuschlag in Höhe von 30% der nach § 19 abgerechneten (und um die Aufwendungen nach § 10 Abs. 3 KoA-VV geminderten) Personalkosten zu berücksichtigen ist („pauschale Abrechnung“).

 

Zu den nach § 13 Abs. 4 KoA-VV im Rahmen der Personalgemeinkosten pauschal abzurechnenden Kosten der allgemeinen Verwaltung gehören insbesondere Aufwendungen für Personalangelegenheiten, Personalvertretung und Innenrevision sowie Aufwendungen für Haushalt, Organisation, Recht, Dokumentation und Statistik. Aus diesem Grund wurden die Personalkosten der im Jobcenter angesiedelten Mitarbeiter der Widerspruchstelle bisher im Rahmen der Gemeinkostenpauschale abgerechnet.

 

Mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in Schweinfurt vom 20.12.2017, Az. L 11 AS 391/14 KL hat die Stadt Erlangen erfolgreich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wegen Einbehalten bei der Abrechnung von Verwaltungskosten verklagt. Das LSG hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung im Bezug auf die konkreten Tätigkeiten der beiden betroffenen Mitarbeiterinnen (allerdings keine Tätigkeiten im Rahmen der Widerspruchstelle) handelt, was durch das BMAS auch immer wieder betont wird.

 

Jedoch enthält das Urteil einige grundsätzliche Ausführungen zur Abgrenzung von spitz und pauschal abrechenbaren Personalkosten. Das LSG hat zur Abgrenzung der in § 13 Abs. 4 KoA-VV aufgeführten und pauschal abzurechnenden Aufgaben der allgemeinen Verwaltung der sogenannten „Z-Verwaltung“ -  unabhängig von den streitgegenständlichen konkreten Tätigkeiten der beiden abzurechnenden Mitarbeiterinnen des kommunalen Jobcenters Erlangen -  ausgeführt, dass diese Tätigkeiten nur dann den Gemeinkosten zuzurechnen sind, wenn diese nur eine allgemeine, nicht fachspezifische Unterstützungsfunktion haben. In Randziffer 45 führt das LSG aus:


 

„Vielmehr ist jeweils der konkrete Fall danach zu untersuchen, ob die dahinterstehende Tätigkeit einen materiellen Bezug zur Leistungserbringung im SGB II-Bereich oder nur eine allgemeine, nicht fachspezifische Unterstützungsfunktion hat. Als Beispiel kann hier auch der Bereich Recht gesehen werden. Eine klassische Querschnittsaufgabe kann bei einer Prozessführung gesehen werden, die in allen Sachgebieten anfallen kann. Ebenso die Beschäftigung beispielsweise mit einem von einem Rathausbesucher geltend gemachten Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einer Amtspflichtverletzung Auch dies kann alle Sachgebiete gleichermaßen betreffen. Geht es aber alleine um SGB II spezifische Rechtsfragen, geht es regelmäßig um Probleme in Zusammenhang mit der Leistungserbringung nach dem SGB II. Es bedarf hier der entsprechenden Fachkenntnis, die nicht über den Leistungsbereich der gemeinsamen Einrichtung hinausgeht und daher auch nicht als Querschnittsaufgabe einer „Z-Verwaltung“ angesehen werden. Alleine eine solche Betrachtungsweise wird dabei dem Wortlaut von § 13 Abs. 4 KoA-VV gerecht, der gerade nicht von einer „besonderen“, mithin fachbezogenen Veraltung [sic!] spricht, sondern vom Bereich „allgemeiner“ Verwaltung.“ (zitiert nach http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-139687)

 

Nachdem die bisher über die Gemeinkostenpauschale abgerechneten Widerspruchssachbearbeiter im Jobcenter Landkreis Würzburg ausschließlich Sachverhalte im Zusammenhang mit der aktiven (Integration) oder passiven (Lebensunterhalt) Leistungserbringung bearbeiten, wurden die Personalkosten der beiden Widerspruchssachbearbeiter für das Jahr 2018 erstmals ‚spitz‘ gegenüber dem BMAS abgerechnet. Andere kommunale Jobcenter verfahren gleichermaßen. Beim Treffen der bayerischen Optionskommunen und der Stadt Jena am 03.04.2019 in Kaufbeuren sprachen sich die anwesenden Optionskommunen einhellig für eine Spitzabrechnung der Kosten der Widerspruchsachbearbeitung ab 2018 aus und wollten notfalls den Klageweg beschreiten. Auch der anwesende Vertreter des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sah gute Erfolgsaussichten der geplanten Vorgehensweise. Von Seiten des Deutschen Landkreistages wird die Rechtslage ebenso eingeschätzt. Sollte sich der Landkreis Würzburg entscheiden, notfalls gegen die Ablehnung der Erstattung der spitz abgerechneten Personalkosten für die Widerspruchsachbearbeitung zu klagen, wolle der DLT das Verfahren als Musterklage unterstützen, da dieses dann vor dem LSG in Schweinfurt stattfinden würde und die Chancen aufgrund der Ausführungen im Urteil vom 20.12.2017 gut ständen.

 

Für den Fall, dass das BMAS an seiner Rechtsauffassung festhält und die Spitzabrechnung der Personalkosten verweigert, hat der Sozialausschuss mit Beschluss FB 41/038/2019 den Landrat ermächtigt, gegen eine Ablehnung der spitzen Personalkostenabrechnung 2018 hinsichtlich der in der Widerspruchstelle eingesetzten Mitarbeiter durch das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen, falls eine Einigung im Verständigungswege nicht zu erreichen ist.

 

Zum 01.01.2020 wurde die Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (Kommunalträger-Abrechnungs­verwaltungsvorschrift – KoA-VV) geändert. Unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung des LSG wurde mit Rückwirkung ab dem 01.01.2019 eine Spitzabrechnung (unter anderem) der Personalkosten für Mitarbeiter der Widerspruchstellen für zulässig erklärt, wenn diese ausschließlich Rechtsfragen nach dem SGB II bearbeiten. Eine Spitzabrechnung der Personalkosten vor dem 01.01.2019 lehnt das BMAS weiterhin ab.

 


Mit Schreiben der Prüfgruppe des BMAS vom 16.01.2020 zur Jahresabrechnung 2018 verweist das BMAS auf seine weiter bestehende Rechtsauffassung, dass eine Spitzabrechnung der Mitarbeiter der Widerspruchstelle vor dem 01.01.2019 ausgeschlossen ist und bat um Mitteilung, ob die Jahresabrechnung durch den Landkreis Würzburg dahingehend korrigiert wird. Ansonsten würde eine Beanstandung im Rahmen des Jahresabschlussschreibens durch das BMAS erfolgen.

 

Mit Schreiben vom 29.01.2020 teilten wir dem BMAS mit, dass wir die Jahresabrechnung nicht korrigieren werden und dies somit zu einer Beanstandung durch das BMAS führen wird.

 

In der Sitzung des Arbeitskreises kommunaler Jobcenter des Deutschen Landkreistages (DLT) am 13.02.2020 teilte die Hauptgeschäftsstelle mit, dass mehrere zugelassene kommunale Träger (zkT) ebenfalls Probleme mit den spitz abgerechneten Personalkosten für Widerspruchsachbearbeiter haben. Der DLT hat daher angeboten, die mit der erweiterten Spitzabrechnung zusammen hängenden Rechtsfragen in einem Musterverfahren mit dem BMAS für alle kommunalen Träger klären zu lassen. Je nach Ausgang der Gespräche mit dem BMAS sei anschließend zu entscheiden, ob die Prozessführung beim jeweiligen Rechtsamt angesiedelt werden könne und solle oder ob ein Prozessbevollmächtigter mit Finanzierung über das Optionsbudget beauftragt werden solle. Die Hauptgeschäftsstelle wird über den Fortgang berichten. Es ist daher möglich, dass der Landkreis Würzburg nicht von der Klageermächtigung durch Beschluss FB 41/038/2019 Gebrauch machen muss.

 

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Sozialausschuss nimmt die vorstehenden Ausführungen zur Kenntnis.

 

 

 

Debatte:

 

Herr Schumacher erläutert die Klage vor dem Bayerischen Sozialgericht bezüglich zweier Mitarbeiter.


Beschluss:

 

Der Sozialausschuss nimmt die vorstehenden Ausführungen zur Kenntnis.


Zur weiteren Veranlassung an

 

Zur Kenntnis an