Sitzung: 06.07.2020 Sozialausschuss
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Sachverhalt:
In der Sitzung vom 20.05.2019 berichtete das Jobcenter
Landkreis Würzburg dem Sozialausschuss über die geänderten
Abrechnungsmöglichkeiten der Personalkosten für Mitarbeiter der
Widerspruchstelle aufgrund des Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG)
in Schweinfurt vom 20.12.2017, Az. L 11 AS 391/14 KL.
Bei der Abrechnung der Verwaltungskosten für den Vollzug
des SGB II wird nach der Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Abrechnung
der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die zugelassenen
kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im
automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes
(Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) unterschieden
zwischen den Personalkosten nach § 10 KoA-VV und den Personalgemeinkosten nach
§ 13 KoA-VV. Die Personalkosten werden in tatsächlicher Höhe („spitz“)
abgerechnet (§ 19 Abs. 1 KoA-VV), während für die Personalgemeinkosten nach §
22 KoA-VV ein Zuschlag in Höhe von 30% der nach § 19 abgerechneten (und um die
Aufwendungen nach § 10 Abs. 3 KoA-VV geminderten) Personalkosten zu
berücksichtigen ist („pauschale Abrechnung“).
Zu den nach § 13 Abs. 4 KoA-VV im Rahmen der
Personalgemeinkosten pauschal abzurechnenden Kosten der allgemeinen Verwaltung gehören
insbesondere Aufwendungen für Personalangelegenheiten, Personalvertretung und
Innenrevision sowie Aufwendungen für Haushalt, Organisation, Recht,
Dokumentation und Statistik. Aus diesem Grund wurden die Personalkosten der im
Jobcenter angesiedelten Mitarbeiter der Widerspruchstelle bisher im Rahmen der
Gemeinkostenpauschale abgerechnet.
Mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in
Schweinfurt vom 20.12.2017, Az. L 11 AS 391/14 KL hat die Stadt Erlangen
erfolgreich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wegen
Einbehalten bei der Abrechnung von Verwaltungskosten verklagt. Das LSG hat die
Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil es sich um eine
Einzelfallentscheidung im Bezug auf die konkreten Tätigkeiten der beiden betroffenen
Mitarbeiterinnen (allerdings keine Tätigkeiten im Rahmen der Widerspruchstelle)
handelt, was durch das BMAS auch immer wieder betont wird.
Jedoch enthält das Urteil einige grundsätzliche
Ausführungen zur Abgrenzung von spitz und pauschal abrechenbaren
Personalkosten. Das LSG hat zur Abgrenzung der in § 13 Abs. 4 KoA-VV
aufgeführten und pauschal abzurechnenden Aufgaben der allgemeinen Verwaltung
der sogenannten „Z-Verwaltung“ -
unabhängig von den streitgegenständlichen konkreten Tätigkeiten der
beiden abzurechnenden Mitarbeiterinnen des kommunalen Jobcenters Erlangen
- ausgeführt, dass diese Tätigkeiten nur
dann den Gemeinkosten zuzurechnen sind, wenn diese nur eine allgemeine, nicht
fachspezifische Unterstützungsfunktion haben. In Randziffer 45 führt das LSG
aus:
„Vielmehr ist jeweils der konkrete Fall danach zu untersuchen, ob
die dahinterstehende Tätigkeit einen materiellen Bezug zur Leistungserbringung
im SGB II-Bereich oder nur eine allgemeine, nicht fachspezifische
Unterstützungsfunktion hat. Als Beispiel kann hier auch der Bereich Recht
gesehen werden. Eine klassische Querschnittsaufgabe kann bei einer
Prozessführung gesehen werden, die in allen Sachgebieten anfallen kann. Ebenso
die Beschäftigung beispielsweise mit einem von einem Rathausbesucher geltend
gemachten Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einer
Amtspflichtverletzung Auch dies kann alle Sachgebiete gleichermaßen betreffen.
Geht es aber alleine um SGB II spezifische Rechtsfragen, geht es regelmäßig um
Probleme in Zusammenhang mit der Leistungserbringung nach dem SGB II. Es bedarf
hier der entsprechenden Fachkenntnis, die nicht über den Leistungsbereich der
gemeinsamen Einrichtung hinausgeht und daher auch nicht als Querschnittsaufgabe
einer „Z-Verwaltung“ angesehen werden. Alleine eine solche Betrachtungsweise
wird dabei dem Wortlaut von § 13 Abs. 4 KoA-VV gerecht, der gerade nicht von
einer „besonderen“, mithin fachbezogenen Veraltung [sic!] spricht, sondern vom
Bereich „allgemeiner“ Verwaltung.“ (zitiert nach http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-139687)
Nachdem die bisher über die Gemeinkostenpauschale
abgerechneten Widerspruchssachbearbeiter im Jobcenter Landkreis Würzburg
ausschließlich Sachverhalte im Zusammenhang mit der aktiven (Integration) oder
passiven (Lebensunterhalt) Leistungserbringung bearbeiten, wurden die
Personalkosten der beiden Widerspruchssachbearbeiter für das Jahr 2018 erstmals
‚spitz‘ gegenüber dem BMAS abgerechnet. Andere kommunale Jobcenter verfahren
gleichermaßen. Beim Treffen der bayerischen Optionskommunen und der Stadt Jena
am 03.04.2019 in Kaufbeuren sprachen sich die anwesenden Optionskommunen
einhellig für eine Spitzabrechnung der Kosten der Widerspruchsachbearbeitung ab
2018 aus und wollten notfalls den Klageweg beschreiten. Auch der anwesende
Vertreter des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sah gute
Erfolgsaussichten der geplanten Vorgehensweise. Von Seiten des Deutschen
Landkreistages wird die Rechtslage ebenso eingeschätzt. Sollte sich der Landkreis
Würzburg entscheiden, notfalls gegen die Ablehnung der Erstattung der spitz
abgerechneten Personalkosten für die Widerspruchsachbearbeitung zu klagen,
wolle der DLT das Verfahren als Musterklage unterstützen, da dieses dann vor
dem LSG in Schweinfurt stattfinden würde und die Chancen aufgrund der
Ausführungen im Urteil vom 20.12.2017 gut ständen.
Für den Fall, dass das BMAS an seiner Rechtsauffassung
festhält und die Spitzabrechnung der Personalkosten verweigert, hat der
Sozialausschuss mit Beschluss FB 41/038/2019 den Landrat ermächtigt, gegen eine
Ablehnung der spitzen Personalkostenabrechnung 2018 hinsichtlich der in der
Widerspruchstelle eingesetzten Mitarbeiter durch das Bundesministeriums für
Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen,
falls eine Einigung im Verständigungswege nicht zu erreichen ist.
Zum 01.01.2020 wurde die Allgemeine Verwaltungsvorschrift
für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch
die zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von
Bundesmitteln im automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des
Bundes (Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) geändert.
Unter Bezugnahme auf die Rechtsauffassung des LSG wurde mit Rückwirkung ab dem
01.01.2019 eine Spitzabrechnung (unter anderem) der Personalkosten für
Mitarbeiter der Widerspruchstellen für zulässig erklärt, wenn diese
ausschließlich Rechtsfragen nach dem SGB II bearbeiten. Eine Spitzabrechnung
der Personalkosten vor dem 01.01.2019 lehnt das BMAS weiterhin ab.
Mit Schreiben der Prüfgruppe des BMAS vom 16.01.2020 zur
Jahresabrechnung 2018 verweist das BMAS auf seine weiter bestehende
Rechtsauffassung, dass eine Spitzabrechnung der Mitarbeiter der
Widerspruchstelle vor dem 01.01.2019 ausgeschlossen ist und bat um Mitteilung,
ob die Jahresabrechnung durch den Landkreis Würzburg dahingehend korrigiert
wird. Ansonsten würde eine Beanstandung im Rahmen des Jahresabschlussschreibens
durch das BMAS erfolgen.
Mit Schreiben vom 29.01.2020 teilten wir dem BMAS mit, dass
wir die Jahresabrechnung nicht korrigieren werden und dies somit zu einer
Beanstandung durch das BMAS führen wird.
In der Sitzung des Arbeitskreises kommunaler Jobcenter des
Deutschen Landkreistages (DLT) am 13.02.2020 teilte die Hauptgeschäftsstelle
mit, dass mehrere zugelassene kommunale Träger (zkT) ebenfalls Probleme mit den
spitz abgerechneten Personalkosten für Widerspruchsachbearbeiter haben. Der DLT
hat daher angeboten, die mit der erweiterten Spitzabrechnung zusammen hängenden
Rechtsfragen in einem Musterverfahren mit dem BMAS für alle kommunalen Träger
klären zu lassen. Je nach
Ausgang der Gespräche mit dem BMAS sei anschließend zu entscheiden, ob die
Prozessführung beim jeweiligen Rechtsamt angesiedelt werden könne und solle
oder ob ein Prozessbevollmächtigter mit Finanzierung über das Optionsbudget
beauftragt werden solle. Die Hauptgeschäftsstelle wird über den Fortgang
berichten. Es ist daher möglich, dass der Landkreis
Würzburg nicht von der Klageermächtigung durch Beschluss FB 41/038/2019
Gebrauch machen muss.
Beschlussvorschlag:
Der Sozialausschuss nimmt die vorstehenden Ausführungen zur Kenntnis.
Debatte:
Herr Schumacher erläutert die Klage vor dem Bayerischen
Sozialgericht bezüglich zweier Mitarbeiter.
Beschluss:
Der Sozialausschuss nimmt die vorstehenden Ausführungen zur Kenntnis.
Zur weiteren
Veranlassung an
Zur Kenntnis an