Beschluss: einstimmig beschlossen

Sachverhalt:

 

Bei der Abrechnung der Verwaltungskosten für den Vollzug des SGB II wird nach der Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Abrechnung der Aufwendungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch die zugelassenen kommunalen Träger und für die Bewirtschaftung von Bundesmitteln im automatisierten Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen des Bundes (Kommunalträger-Abrechnungsverwaltungsvorschrift – KoA-VV) unterschieden zwischen den Personalkosten nach § 10 KoA-VV und den Personalgemeinkosten nach § 13 KoA-VV. Die Personalkosten werden in tatsächlicher Höhe („spitz“) abgerechnet (§ 19 Abs. 1 KoA-VV), während für die Personalgemeinkosten nach § 22 KoA-VV ein Zuschlag in Höhe von 30% der nach § 19 abgerechneten (und um die Aufwendungen nach § 10 Abs. 3 KoA-VV geminderten) Personalkosten zu berücksichtigen ist („pauschale Abrechnung“).

 

Zu den nach § 13 Abs. 4 KoA-VV im Rahmen der Personalgemeinkosten pauschale abzurechnenden Kosten der allgemeinen Verwaltung gehören insbesondere Aufwendungen für Personalangelegenheiten, Personalvertretung und Innenrevision sowie Aufwendungen für Haushalt, Organisation, Recht, Dokumentation und Statistik. Aus diesem Grund wurden die Personalkosten der im Jobcenter angesiedelten Mitarbeiter der Widerspruchstelle bisher im Rahmen der Gemeinkostenpauschale abgerechnet.

 

Mit Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts in Schweinfurt vom 20.12.2017, Az. L 11 AS 391/14 KL hat die Stadt Erlangen erfolgreich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wegen Einbehalten bei der Abrechnung von Verwaltungskosten verklagt. Das LSG hat die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung im Bezug auf die konkreten Tätigkeiten der beiden betroffenen Mitarbeiterinnen (allerdings keine Tätigkeiten im Rahmen der Widerspruchstelle) handelt, was durch das BMAS auch immer wieder betont wird.

 

Jedoch enthält das Urteil einige grundsätzliche Ausführungen zur Abgrenzung von spitz und pauschal abrechenbaren Personalkosten. Das LSG hat zur Abgrenzung der in § 13 Abs. 4 KoA-VV aufgeführten und pauschal abzurechnenden Aufgaben der allgemeinen Verwaltung der sogenannten „Z-Verwaltung“ - unabhängig von den streitgegenständlichen konkreten Tätigkeiten der beiden abzurechnenden Mitarbeiterinnen des kommunalen Jobcenters Erlangen -  ausgeführt, dass diese Tätigkeiten nur dann den Gemeinkosten zuzurechnen sind, wenn diese nur eine allgemeine, nicht fachspezifische Unterstützungsfunktion haben. In Randziffer 45 führt das LSG aus:

 

„Vielmehr ist jeweils der konkrete Fall danach zu untersuchen, ob die dahinterstehende Tätigkeit einen materiellen Bezug zur Leistungserbringung im SGB II-Bereich oder nur eine allgemeine, nicht fachspezifische Unterstützungsfunktion hat. Als Beispiel kann hier auch der Bereich Recht gesehen werden. Eine klassische Querschnittsaufgabe kann bei einer Prozessführung gesehen werden, die in allen Sachgebieten anfallen kann. Ebenso die Beschäftigung beispielsweise mit einem von einem Rathausbesucher geltend gemachten Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit einer Amtspflichtverletzung. Auch dies kann alle Sachgebiete gleichermaßen betreffen. Geht es aber alleine um SGB II spezifische Rechtsfragen, geht es regelmäßig um Probleme in Zusammenhang mit der Leistungserbringung nach dem SGB II. Es bedarf hier der entsprechenden Fachkenntnis, die nicht über den Leistungsbereich der gemeinsamen Einrichtung hinausgeht und daher auch nicht als Querschnittsaufgabe einer „Z-Verwaltung“ angesehen werden. Alleine eine solche Betrachtungsweise wird dabei dem Wortlaut von § 13 Abs. 4 KoA-VV gerecht, der gerade nicht von einer „besonderen“, mithin fachbezogenen Veraltung [sic!] spricht, sondern vom Bereich „allgemeiner“ Verwaltung.“ (zitiert nach http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/Y-300-Z-BECKRS-B-2017-N-139687)

 

Nachdem die bisher über die Gemeinkostenpauschale abgerechneten Widerspruchssachbearbeiter im Jobcenter Landkreis Würzburg ausschließlich Sachverhalte im Zusammenhang mit der aktiven (Integration) oder passiven (Lebensunterhalt) Leistungserbringung bearbeiten, wurden die Personalkosten der beiden Widerspruchssachbearbeiter für das Jahr 2018 erstmals spitz gegenüber dem BMAS abgerechnet. Andere kommunale Jobcenter verfahren gleichermaßen. Beim letzten Treffen der bayerischen Optionskommunen und der Stadt Jena am 03.04.2019 in Kaufbeuren sprachen sich die anwesenden Optionskommunen einhellig für eine Spitzabrechnung der Kosten der Widerspruchsachbearbeitung ab 2018 aus und wollten notfalls den Klageweg beschreiten. Auch der anwesende Vertreter des Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sah gute Erfolgsaussichten der geplanten Vorgehensweise. Von Seiten des Deutschen Landkreistages wird die Rechtslage ebenso eingeschätzt. Sollte sich der Landkreis Würzburg entscheiden, notfalls gegen die Ablehnung der Erstattung der spitz abgerechneten Personalkosten für die Widerspruchsachbearbeitung zu klagen, wolle der DLT das Verfahren als Musterklage unterstützen, da dieses dann vor dem LSG in Schweinfurt stattfinden würde und die Chancen aufgrund der Ausführungen im Urteil vom 20.12.2017 gut ständen.

 

Mit Schreiben vom 19.03.2019 teilte das BMAS mit, dass in der letzten Sitzung der Unterarbeitsgruppe Fortentwicklung der KoA-VV eine denkbare Lösung besprochen wurde. Diese sieht vor, die Tätigkeitsbereiche Widerspruchs- und Grundsatzangelegenheiten sowie Ordnungswidrigkeiten spitz abzurechnen. Im Gegenzug soll die Gemeinkostenpauschale von 30% auf 25% abgesenkt werden. Diese Neuregelung zum 01.01.2020 würde erstmalig für das Haushaltsjahr 2020 gelten. Eine Rückwirkung für die Haushaltsjahre 2017 und 2018 schloss das BMAS zum jetzigen Zeitpunkt bereits aus. Das bedeutet in der Folge, dass das BMAS eine entsprechende Korrektur der Jahresabrechnungen nicht zulassen und eine spitze Abrechnung dieser Aufgabenbereiche für die Vergangenheit beanstanden wird.

Eine Rückwirkung ist nach Ansicht des BMAS insbesondere auch nicht vor dem Hintergrund der vorstehenden Entscheidung des Bayrischen Landessozialgerichts geboten. Das BMAS betonte zum wiederholten Mal, dass das genannte Urteil ausschließlich Geltung für den Einzelfall des zkT Erlangen in Bezug auf zwei Mitarbeiterinnen habe und über die an dem Rechtsstreit beteiligten Parteien hinaus keine unmittelbare Wirkung hat.

 

Es ist daher abzusehen, dass das BMAS die Spitzabrechnung der Personalkosten für Widerspruchsachbearbeiter beanstanden und die Jahresrechnung 2018 entsprechend kürzen wird.

 

Die Verwaltung bittet daher darum, Landrat Nuß zu ermächtigen, notfalls Klage beim Landessozialgericht Bayern gegen eine Beanstandung der Jahresrechnung 2018 aufgrund spitzer Abrechnung der Personalkosten für Widerspruchsachbearbeiter einzulegen, falls eine gütliche Einigung mit dem BMAS diesbezüglich nicht zu erreichen ist. Eines Vorverfahrens (Widerspruchsverfahren) bedarf es nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht, da die ablehnende Entscheidung durch eine oberste Bundesbehörde (BMAS) erfolgt. Die Klage wäre nach § 29 Abs. 2 Nr. 3 SGG beim Landessozialgericht zu erheben.

 

 

Beschlussvorschlag:

 

 

Der Sozialausschuss ermächtigt Herrn Landrat Nuß, gegen eine Ablehnung der spitzen Personalkostenabrechnung 2018 hinsichtlich der in der Widerspruchstelle eingesetzten Mitarbeiter durch das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen, falls eine Einigung im Verständigungswege nicht zu erreichen ist.

 


Beschluss:

 

 

Der Sozialausschuss ermächtigt Herrn Landrat Nuß, gegen eine Ablehnung der spitzen Personalkostenabrechnung 2018 hinsichtlich der in der Widerspruchstelle eingesetzten Mitarbeiter durch das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales Klage beim Landessozialgericht Schweinfurt einzulegen, falls eine Einigung im Verständigungswege nicht zu erreichen ist.