Sitzung: 15.10.2018 Sozialausschuss
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Anlage/n:
Antrag auf Förderung des Modellprojektes „Kontaktcafé Würzburg Condrobs
e.V. mit Tagesstruktur“ vom 16.08.2018
Finanzierungs- und Kostenplan Modellprojekt (Stand: 13.08.2018)
Präsentation Kontaktcafé Würzburg Condrops e.V.
Sachverhalt:
Condrobs e.V. in Würzburg
Seit 2009 bietet der Condrobs e.V. Würzburg Plätze im Betreuten Wohnen
im Bezirk Unterfranken an. Condrobs hat im Betreuten Wohnen auch 15 Plätze in
zwei Nachsorge-WGs in Würzburg und betreut in Schweinfurt chronisch Suchtkranke
im Betreuten Wohnen. Die Nachfrage nach betreutem Wohnen für Menschen mit
Abhängigkeitserkrankung und/oder Komorbidität steigt an.
In fachlicher Kooperation mit der Jugend- und Drogenberatung Würzburg
soll ein Kontaktcafé mit Beschäftigungsmöglichkeiten realisiert werden. Anträge
zur Förderung des Modellprojektes werden an den Bezirk Unterfranken, die Stadt
und den Landkreis Würzburg sowie an Stiftungen gestellt.
Ausgangslage
In der Region in und um Würzburg sind ca. 400 Menschen schwerstabhängig.
Zusätzlich leidet ein großer Teil der Betroffenen unter komorbiden psychischen
und/oder somatischen Störungen, sowie Infektionskrankheiten wie HIV und
Hepatitis C.
Oft stellen drogenbezogene soziale Kontakte und Bindungen, sowie
öffentlich zugängliche Konsumententreffpunkte, z. B. Bahnhofs- und
Theatervorplatz, die bedeutsamste Möglichkeit dar, das Grundbedürfnis nach
sozialem Kontakt zu stillen. Häufig gehen langjährige Suchtverläufe mit dem
Verlust jeglicher Alltagsstruktur, mit sozialer Isolation oder Einordnungsschwierigkeiten,
Verschuldung, Vorstrafen und Inhaftierungszeiten einher.
Viele langjährige Drogenabhängige haben keine realistische Aussicht auf
Reintegration in das Arbeitsleben. Es fehlt an Alternativen und Möglichkeiten
zur Tagesstrukturierung und Beschäftigung.
Der Ausbau der psychosozialen Betreuung von Substituierten und
Suchtkranken durch Tagestruktur und Beschäftigungsmöglichkeiten ist notwendig,
um der steigenden Zahl von suchtkranken Menschen gerecht zu werden und für sie
Teilhabemöglichkeiten im Sinne der Inklusion zu schaffen.
Das Kontaktcafé
mit Beschäftigungsmöglichkeiten
Das niedrigschwellige Angebot im Kontaktcafé soll zur Verbesserung der
Versorgung suchtkranker Menschen in Würzburg beitragen. Das Angebot ist
abstinenzorientiert, d. h. die Hinführung zur Abstinenz wird angestrebt.
In den Räumen ist der Konsum von Alkohol und anderen Suchtmitteln nicht
erlaubt. Wesentliche Strukturmerkmale der Arbeit sind Freiwilligkeit und ein
partizipativer Ansatz. Zusätzlich zu den Leistungen des Kontaktcafés sollen
Beschäftigungsmöglichkeiten angebunden werden.
Folgende Leistungen sollen im Kontaktcafé angeboten werden:
·
Versorgung:
warme Mahlzeiten, Getränke, medizinische Grundversorgung (Spritzen, Kondome
etc.), Postadresse, Internetzugang
·
Beratung:
Rechts- und Schuldnerberatung, Begleitung zu Ämtern, Vermittlung ins
Hilfesystem, Krisenintervention, Gesundheitsberatung und Drogennotfalltraining
·
Begleitung
und Teilhabe: Gewährleistung eines konsum- und gewaltfreien Raumes, Üben
sozialer Verhaltensweisen, Freizeitmaßnahmen, Hilfe zur Selbsthilfe, Mitwirkung
und Mitbestimmung sowie Möglichkeiten der Beschäftigung im Rahmen von
Zuverdienst, z. B. im Bereich Hausmeisterei und Hauswirtschaftshilfe.
Die Zielgruppe der potentiellen Mitarbeiter*innen gilt
aufgrund ihrer Suchterkrankung als besonders schwer integrierbar, daher sind
ausreichend psychosoziale Betreuungsmöglichkeiten notwendig. Im Kontaktcafé
sollen sechs Arbeitsplätze im Zuverdienstbereich für suchtkranke Menschen zur
Verfügung gestellt. Ebenso sollen in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter
Arbeitsgelegenheiten (AGL) entstehen.
Angebote externer Kooperationspartner können ebenfalls angeboten werden,
z. B. Rechtsberatung durch Anwälte oder Medizinische Beratung.
Ziele - Alternativen und Tagesstruktur anbieten:
·
Möglichkeit
einer sinngebenden Tagesstrukturierung, insbesondere auch durch Arbeitsangebote
zur Schaffung von Perspektiven zur beruflichen (Re-)Integration bzw. zu
sinnstiftender Beschäftigung
·
Abstand
von und Alternative zur Drogenszene schaffen
·
Bestmögliche
Förderung von individuellen Ressourcen zur Überwindung der Abhängigkeit und
schrittweise Integration in die Gesellschaft zur Befähigung einer
eigenständigen Lebensführung
·
Vermeidung
von stationären Unterbringungen
·
Organisation
und Sicherung der Behandlungssettings (Substitution, ambulante Therapie,
Tagesklinik etc.)
·
Gesundheitliche
Stabilisierung und Infektionsprophylaxe mit einer Schadensbegrenzung in Bezug
auf Gesundheitsgefährdung durch schwerwiegende übertragbare Erkrankungen
·
Stärkung
von Selbsthilfepotential, Eigenverantwortung und Handlungskompetenzen
·
Erreichen
und Erhalten von Stabilität
·
Schaffung
von Perspektiven für das Leben im Alter
Zielsetzung aller Angebote ist die Überlebenssicherung und die
Stabilisierung und Verbesserung der gesundheitlichen und psychosozialen
Situation suchtmittelabhängiger und -gefährdeter Menschen.
Zielgruppe
Die Angebote des Kontaktcafés sind auf verschiedene Zielgruppen
ausgerichtet:
·
Menschen,
die suchtkrank sind - vorwiegend von illegalen Drogen
·
Substituiert
lebende Menschen, oft mit Beikonsum anderer Substanzen
·
Menschen,
die hochriskant konsumieren und bisher noch nicht durch Suchthilfeangebote
erreicht werden konnten
Über die Hälfte der Betroffenen ist arbeitslos und seit mehr als drei Jahren
ohne Beschäftigung.
Aus einer Erhebung des Kooperationsprojektes Supra (Schwerpunktpraxis
Substitution, Städt. Jugend- und Drogenberatung, Condrobs e.V.) sind 1/3 der
Patient*innen aus dem Landkreis Würzburg.
Die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) Mainfranken begrüßt in
einer Stellungnahme gegenüber dem Bezirk Unterfranken vom 15.08.2017, dass
gemeinsam die Initiative ergriffen wird, um ein derartiges Angebot in Würzburg
zu schaffen.
Das Projekt als Modell ist zunächst für zwei Jahre ausgelegt. Nach einer
entsprechenden Evaluation ist geplant, es - gegebenenfalls angepasst -
langfristig und nachhaltig fortzuführen.
Der von Condrobs e.V. vorgelegte Finanzierungsplan für das Jahr 2019
(Stand 13.08.2018) enthält einmalige Kosten zum Start und Aufbau des
Modellprojektes (bauliche Maßnahmen) sowie eine Aufstellung der laufenden
Kosten. Die Finanzierung der Kosten ist dabei auf die Kostenträger Bezirk
Unterfranken, Stadt und Landkreis Würzburg umgelegt sowie ein minimaler
Eigenanteil enthalten.
Für den Landkreis
Würzburg entstünden nach dem aktuellen Finanzierungsplan im Haushaltsjahr 2019
anteilig einmalige Kosten in Höhe von 24.500,- EUR sowie anteilig laufende
Kosten in Höhe von 14.150,- EUR (Gesamtkosten HH 2019: 38.650,- EUR).
Beschlussvorschlag:
Der
Sozialausschuss des Landkreises Würzburg nimmt den Vortrag des Condrobs e.V.
zum Modellprojekt „Kontaktcafé Würzburg mit Tagesstruktur“ zustimmend zur
Kenntnis und empfiehlt dem Kreistag, die erforderlichen Haushaltsmittel in den
Haushalt für das Jahr 2019 aufzunehmen.
Debatte:
Frau Wiggenhauser
und Herr Faust stellen die Arbeit von Condrobs e.V. Bereich Würzburg und die
Planungen für das Kontaktcafé anhand einer Power-Point-Präsentation (siehe
Anlage) vor.
Auf Nachfrage aus
dem Sozialausschuss teilt Herr Faust mit, dass das Kontaktcafé in zwei
insgesamt ca. 45m² großen Zimmern untergebracht werden soll, die günstig von
der WVV angemietet werden können.
Betreut würden
jährlich ca. 250 Schwerstabhängige und Substituierte, davon ca. ein Drittel
Frauen und zwei Drittel Männer, von denen einige bereits seit den siebziger
Jahren abhängig sind. Die Altersstruktur reicht von 23 bis 67 Jahren. Aufgrund
der unmittelbaren Nähe zur Substitutionspraxis SUPRA im Nebengebäude und einer
weiteren in der Theaterstraße werden viele der dort Substituierten auch das
Angebot des Kontaktcafés in Anspruch nehmen. Damit soll auch ein
ordnungspolitischer Effekt erzielt werden, die Zielgruppe von der Straße zu
kriegen. Diesbezüglich gibt es auch schon seit 2012 Sicherheitsgespräche mit
der Polizei, die solange nichts passiert nur nach vorheriger Anmeldung kommt.
Als Drogenabhängiger ausweisen muss man sich nicht, der Datenschutz ist
insoweit gewährleistet. Etwaige Mitnahmeeffekte beim Mittagessen lassen sich
nicht vermeiden, sind aber vernachlässigbar.
Erfahrungswerte
mit vergleichbaren niederschwelligen Angeboten in Kontaktcafés liegen aus
anderen Städten (München, Nürnberg, Ingolstadt und Regensburg) vor. Mit
aufsuchender Arbeit gibt es entsprechende Erfahrungen z.B. in Ingolstadt (3
Stellen) und Regensburg.
Der Bezirk
Unterfranken hat die Finanzierung von 2 Stellen (Sozialpädagoge und
Hauswirtschaftsanleiterin) zugesagt, für die Erstausstattung der Küche wurde
ein Antrag bei der Sparkassenstiftung gestellt. Zur Kofinanzierung des
Sachaufwands der Umbauten wird die Unterstützung der Stadt und des Landkreises
Würzburg gesucht. Die Unterstützung durch die Stadt befinde sich gerade in der
Beratung in den Fraktionen im Rahmen der Haushaltsberatungen. Auf die Frage,
warum die Stadt 50% der Kosten trägt, aber zwei Drittel der Zielgruppe aus der
Stadt kommen, teilt Herr Faust mit, dass die Stadt über die WVV die günstige
Miete der Räumlichkeiten und zusätzliche kostenfreie Büroräume einbringt, deren
Wert nicht in der Kalkulation ausgewiesen ist. Da es sich um eine freiwillige
Leistung handelt, die jedes Jahr erneut bewilligt werden muss, sind im
Beschlussvorschlag nur Leistungen für 2019 aufgeführt. Das Projekt ist aber
langfristig angelegt, der Mietvertrag gehe über fünf Jahre.
Beschluss:
Der Sozialausschuss des Landkreises Würzburg nimmt den Vortrag des Condrobs e.V. zum Modellprojekt „Kontaktcafé Würzburg mit Tagesstruktur“ zustimmend zur Kenntnis und empfiehlt dem Kreistag, die erforderlichen Haushaltsmittel in den Haushalt für das Jahr 2019 aufzunehmen.