Beschluss: zur Kenntnis genommen

Anlage/n:

Antrag auf Förderung des Modellprojektes „Kontaktcafé Würzburg Condrobs e.V. mit Tagesstruktur“ vom 16.08.2018

Finanzierungs- und Kostenplan Modellprojekt (Stand: 13.08.2018)

Präsentation Kontaktcafé Würzburg Condrops e.V.

 

 

Sachverhalt:

 

Condrobs e.V. in Würzburg

 

Seit 2009 bietet der Condrobs e.V. Würzburg Plätze im Betreuten Wohnen im Bezirk Unterfranken an. Condrobs hat im Betreuten Wohnen auch 15 Plätze in zwei Nachsorge-WGs in Würzburg und betreut in Schweinfurt chronisch Suchtkranke im Betreuten Wohnen. Die Nachfrage nach betreutem Wohnen für Menschen mit Abhängigkeitserkrankung und/oder Komorbidität steigt an.

 

In fachlicher Kooperation mit der Jugend- und Drogenberatung Würzburg soll ein Kontaktcafé mit Beschäftigungsmöglichkeiten realisiert werden. Anträge zur Förderung des Modellprojektes werden an den Bezirk Unterfranken, die Stadt und den Landkreis Würzburg sowie an Stiftungen gestellt.

 

Ausgangslage

 

In der Region in und um Würzburg sind ca. 400 Menschen schwerstabhängig. Zusätzlich leidet ein großer Teil der Betroffenen unter komorbiden psychischen und/oder somatischen Störungen, sowie Infektionskrankheiten wie HIV und Hepatitis C.

Oft stellen drogenbezogene soziale Kontakte und Bindungen, sowie öffentlich zugängliche Konsumententreffpunkte, z. B. Bahnhofs- und Theatervorplatz, die bedeutsamste Möglichkeit dar, das Grundbedürfnis nach sozialem Kontakt zu stillen. Häufig gehen langjährige Suchtverläufe mit dem Verlust jeglicher Alltagsstruktur, mit sozialer Isolation oder Einordnungsschwierigkeiten, Verschuldung, Vorstrafen und Inhaftierungszeiten einher.

Viele langjährige Drogenabhängige haben keine realistische Aussicht auf Reintegration in das Arbeitsleben. Es fehlt an Alternativen und Möglichkeiten zur Tagesstrukturierung und Beschäftigung. 

 

Der Ausbau der psychosozialen Betreuung von Substituierten und Suchtkranken durch Tagestruktur und Beschäftigungsmöglichkeiten ist notwendig, um der steigenden Zahl von suchtkranken Menschen gerecht zu werden und für sie Teilhabemöglichkeiten im Sinne der Inklusion zu schaffen.

 

Das Kontaktcafé mit Beschäftigungsmöglichkeiten

 

Das niedrigschwellige Angebot im Kontaktcafé soll zur Verbesserung der Versorgung suchtkranker Menschen in Würzburg beitragen. Das Angebot ist abstinenzorientiert, d. h. die Hinführung zur Abstinenz wird angestrebt. In den Räumen ist der Konsum von Alkohol und anderen Suchtmitteln nicht erlaubt. Wesentliche Strukturmerkmale der Arbeit sind Freiwilligkeit und ein partizipativer Ansatz. Zusätzlich zu den Leistungen des Kontaktcafés sollen Beschäftigungsmöglichkeiten angebunden werden.

 

Folgende Leistungen sollen im Kontaktcafé angeboten werden:

 

·         Versorgung: warme Mahlzeiten, Getränke, medizinische Grundversorgung (Spritzen, Kondome etc.), Postadresse, Internetzugang

 

·         Beratung: Rechts- und Schuldnerberatung, Begleitung zu Ämtern, Vermittlung ins Hilfesystem, Krisenintervention, Gesundheitsberatung und Drogennotfalltraining

 

·         Begleitung und Teilhabe: Gewährleistung eines konsum- und gewaltfreien Raumes, Üben sozialer Verhaltensweisen, Freizeitmaßnahmen, Hilfe zur Selbsthilfe, Mitwirkung und Mitbestimmung sowie Möglichkeiten der Beschäftigung im Rahmen von Zuverdienst, z. B. im Bereich Hausmeisterei und Hauswirtschaftshilfe.

 

Die Zielgruppe der potentiellen Mitarbeiter*innen gilt aufgrund ihrer Suchterkrankung als besonders schwer integrierbar, daher sind ausreichend psychosoziale Betreuungsmöglichkeiten notwendig. Im Kontaktcafé sollen sechs Arbeitsplätze im Zuverdienstbereich für suchtkranke Menschen zur Verfügung gestellt. Ebenso sollen in Zusammenarbeit mit dem Jobcenter Arbeitsgelegenheiten (AGL) entstehen.

 

Angebote externer Kooperationspartner können ebenfalls angeboten werden, z. B. Rechtsberatung durch Anwälte oder Medizinische Beratung.

 

Ziele - Alternativen und Tagesstruktur anbieten:

 

·         Möglichkeit einer sinngebenden Tagesstrukturierung, insbesondere auch durch Arbeitsangebote zur Schaffung von Perspektiven zur beruflichen (Re-)Integration bzw. zu sinnstiftender Beschäftigung

·         Abstand von und Alternative zur Drogenszene schaffen

·         Bestmögliche Förderung von individuellen Ressourcen zur Überwindung der Abhängigkeit und schrittweise Integration in die Gesellschaft zur Befähigung einer eigenständigen Lebensführung

·         Vermeidung von stationären Unterbringungen

·         Organisation und Sicherung der Behandlungssettings (Substitution, ambulante Therapie, Tagesklinik etc.)

·         Gesundheitliche Stabilisierung und Infektionsprophylaxe mit einer Schadensbegrenzung in Bezug auf Gesundheitsgefährdung durch schwerwiegende übertragbare Erkrankungen

·         Stärkung von Selbsthilfepotential, Eigenverantwortung und Handlungskompetenzen

·         Erreichen und Erhalten von Stabilität

·         Schaffung von Perspektiven für das Leben im Alter

 

Zielsetzung aller Angebote ist die Überlebenssicherung und die Stabilisierung und Verbesserung der gesundheitlichen und psychosozialen Situation suchtmittelabhängiger und -gefährdeter Menschen.

 

Zielgruppe

 

Die Angebote des Kontaktcafés sind auf verschiedene Zielgruppen ausgerichtet:

 

·         Menschen, die suchtkrank sind - vorwiegend von illegalen Drogen

·         Substituiert lebende Menschen, oft mit Beikonsum anderer Substanzen

·         Menschen, die hochriskant konsumieren und bisher noch nicht durch Suchthilfeangebote erreicht werden konnten

 

Über die Hälfte der Betroffenen ist arbeitslos und seit mehr als drei Jahren ohne Beschäftigung.

 

Aus einer Erhebung des Kooperationsprojektes Supra (Schwerpunktpraxis Substitution, Städt. Jugend- und Drogenberatung, Condrobs e.V.) sind 1/3 der Patient*innen aus dem Landkreis Würzburg.

Die Psychosoziale Arbeitsgemeinschaft (PSAG) Mainfranken begrüßt in einer Stellungnahme gegenüber dem Bezirk Unterfranken vom 15.08.2017, dass gemeinsam die Initiative ergriffen wird, um ein derartiges Angebot in Würzburg zu schaffen.

 

Das Projekt als Modell ist zunächst für zwei Jahre ausgelegt. Nach einer entsprechenden Evaluation ist geplant, es - gegebenenfalls angepasst - langfristig und nachhaltig fortzuführen.

 

Der von Condrobs e.V. vorgelegte Finanzierungsplan für das Jahr 2019 (Stand 13.08.2018) enthält einmalige Kosten zum Start und Aufbau des Modellprojektes (bauliche Maßnahmen) sowie eine Aufstellung der laufenden Kosten. Die Finanzierung der Kosten ist dabei auf die Kostenträger Bezirk Unterfranken, Stadt und Landkreis Würzburg umgelegt sowie ein minimaler Eigenanteil enthalten.

Für den Landkreis Würzburg entstünden nach dem aktuellen Finanzierungsplan im Haushaltsjahr 2019 anteilig einmalige Kosten in Höhe von 24.500,- EUR sowie anteilig laufende Kosten in Höhe von 14.150,- EUR (Gesamtkosten HH 2019: 38.650,- EUR).

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Sozialausschuss des Landkreises Würzburg nimmt den Vortrag des Condrobs e.V. zum Modellprojekt „Kontaktcafé Würzburg mit Tagesstruktur“ zustimmend zur Kenntnis und empfiehlt dem Kreistag, die erforderlichen Haushaltsmittel in den Haushalt für das Jahr 2019 aufzunehmen.

 

 

Debatte:

 

Frau Wiggenhauser und Herr Faust stellen die Arbeit von Condrobs e.V. Bereich Würzburg und die Planungen für das Kontaktcafé anhand einer Power-Point-Präsentation (siehe Anlage) vor.

 

Auf Nachfrage aus dem Sozialausschuss teilt Herr Faust mit, dass das Kontaktcafé in zwei insgesamt ca. 45m² großen Zimmern untergebracht werden soll, die günstig von der WVV angemietet werden können.

 

Betreut würden jährlich ca. 250 Schwerstabhängige und Substituierte, davon ca. ein Drittel Frauen und zwei Drittel Männer, von denen einige bereits seit den siebziger Jahren abhängig sind. Die Altersstruktur reicht von 23 bis 67 Jahren. Aufgrund der unmittelbaren Nähe zur Substitutionspraxis SUPRA im Nebengebäude und einer weiteren in der Theaterstraße werden viele der dort Substituierten auch das Angebot des Kontaktcafés in Anspruch nehmen. Damit soll auch ein ordnungspolitischer Effekt erzielt werden, die Zielgruppe von der Straße zu kriegen. Diesbezüglich gibt es auch schon seit 2012 Sicherheitsgespräche mit der Polizei, die solange nichts passiert nur nach vorheriger Anmeldung kommt. Als Drogenabhängiger ausweisen muss man sich nicht, der Datenschutz ist insoweit gewährleistet. Etwaige Mitnahmeeffekte beim Mittagessen lassen sich nicht vermeiden, sind aber vernachlässigbar.

 

Erfahrungswerte mit vergleichbaren niederschwelligen Angeboten in Kontaktcafés liegen aus anderen Städten (München, Nürnberg, Ingolstadt und Regensburg) vor. Mit aufsuchender Arbeit gibt es entsprechende Erfahrungen z.B. in Ingolstadt (3 Stellen) und Regensburg.

 

Der Bezirk Unterfranken hat die Finanzierung von 2 Stellen (Sozialpädagoge und Hauswirtschaftsanleiterin) zugesagt, für die Erstausstattung der Küche wurde ein Antrag bei der Sparkassenstiftung gestellt. Zur Kofinanzierung des Sachaufwands der Umbauten wird die Unterstützung der Stadt und des Landkreises Würzburg gesucht. Die Unterstützung durch die Stadt befinde sich gerade in der Beratung in den Fraktionen im Rahmen der Haushaltsberatungen. Auf die Frage, warum die Stadt 50% der Kosten trägt, aber zwei Drittel der Zielgruppe aus der Stadt kommen, teilt Herr Faust mit, dass die Stadt über die WVV die günstige Miete der Räumlichkeiten und zusätzliche kostenfreie Büroräume einbringt, deren Wert nicht in der Kalkulation ausgewiesen ist. Da es sich um eine freiwillige Leistung handelt, die jedes Jahr erneut bewilligt werden muss, sind im Beschlussvorschlag nur Leistungen für 2019 aufgeführt. Das Projekt ist aber langfristig angelegt, der Mietvertrag gehe über fünf Jahre.


Beschluss:

 

Der Sozialausschuss des Landkreises Würzburg nimmt den Vortrag des Condrobs e.V. zum Modellprojekt „Kontaktcafé Würzburg mit Tagesstruktur“ zustimmend zur Kenntnis und empfiehlt dem Kreistag, die erforderlichen Haushaltsmittel in den Haushalt für das Jahr 2019 aufzunehmen.