Sitzung: 01.10.2018 Umwelt- und Bauausschuss
Beschluss: mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 10, Nein: 2, Anwesend: 12
Anlage/n:
Machbarkeitsstudie mit Antrag der Stadt Röttingen
(Die im Anhang genannten Karten können bei der unteren
Naturschutzbehörde eingesehen oder angefordert werden.)
Detailkarten
Sachverhalt:
Hintergrund ist eine von der Stadt Röttingen in Auftrag gegebene
Machbarkeitsstudie. Der Antrag der Stadt Röttingen wird vor allem damit
begründet, dass siedlungsbezogene Entwicklungen durch das zum Teil bis an die
Bebauung von Röttingen unmittelbar heranreichende Landschaftsschutzgebiet
eingeschränkt sind. Die Stadt Röttingen führt weiter aus, dass langfristige
Perspektiven zur Deckung des örtlichen Bedarfs an Siedlungsflächen fehlen
würden. Außerdem seien keine städtischen unbebauten Wohnbauflächen oder
Baulücken mehr verfügbar. Der Antrag erfolgt ergänzend zu Initiativen mit dem
Ziel der Innenentwicklung. Angestrebt sei eine maßvolle Ausweisung von
Wohnbauflächen für den örtlichen Bedarf der nächsten 10 bis 20 Jahre.
Im Zuge dieser Änderung sollen nach Auffassung der Stadt Röttingen neue,
sinnvolle und schlüssige Abrundungen geschaffen werden und zwar dergestalt,
dass an verschiedenen Punkten schutzwürdige Kleinflächen neu aufgenommen
werden. Flächen mit geringen Entwicklungspotentialen (Fußballfeld,
Beachvolleyball-Feld) werden kleinräumig aus dem Landschaftsschutzgebiet
herausgenommen.
Nach dem Antrag der Stadt Röttingen soll das bestehende
Landschaftsschutzgebiet an 6 Stellen flächenmäßig verringert werden,
gleichzeitig kommen an 7 verschiedenen Stellen neue Flächen hinzu. Die Flächen,
die gemäß dem Antrag herausgenommen werden sollen, haben einen Umfang von ca.
3,92 ha (davon für eine zukünftige Bauleitplanung ca. 2,05 ha), als
Kompensation sollen ca. 9,45 ha Fläche neu unter Schutz gestellt werden. In der
Summe könnte das Landschaftsschutzgebiet im Stadtgebiet Röttingen um ca. 5,53
ha erweitert werden.
Das Landschaftsschutzgebiet wurde durch Rechtsverordnung des Landkreises
Würzburg vom 06.04.1990, veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises Würzburg
Nr. 21 vom 07.05.1990, unter Schutz gestellt.
Danach haben mehrere Änderungen stattgefunden, zuletzt durch Verordnung
vom 28.09.2000, veröffentlicht im Amtsblatt des Landkreises Würzburg Nr. 16 vom
10.10.2000.
Die Beteiligung der Eigentümer, Fachbehörden und anerkannten
Naturschutzverbänden führte zu folgendem Ergebnis:
Betroffene Eigentümer:
Es sind keine Bedenken oder Einwendungen vorgetragen.
Fachbehörden:
- Das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten hat keine Einwände, da die betroffenen landschaftlichen Flächen
weiterhin in ihrer jetzigen Nutzung bewirtschaftet werden können.
- Das Staatliche Bauamt hat keine Einwände.
- Die Fachbereiche „Immissionsschutzrecht und
Abfallrecht“ und „Wasserrecht“ wurden wegen des Antrags auf Hereinnahme
ehemaliger Deponieflächen beteiligt und haben keine Einwände erhoben.
- Die Untere Naturschutzbehörde hat die
vorgelegte Unterlagen geprüft und hält sie für vollständig und nachvollziehbar.
- Der Landesbund für Vogelschutz (LBV) lehnt
den Antrag der Stadt Röttingen strikt ab.
Begründung: Die Herausnahme der Flächen (vor
allem des Hangbereichs am Kapellenberg) mit anschließender Bebauung hätte eine
Entwertung des gesamten Landschaftsschutzgebietes zur Folge.
- Der Bund Naturschutz lehnt den Antrag der
Stadt Röttingen ab.
Begründung: Die geplante Herausnahme von
Flächen würde zu einem nachhaltigen Eingriff führen, der durch die Hereinnahme
von Flächen an anderer Stelle nicht ausgeglichen werden kann. Außerdem würde
das Landschaftsbild nachhaltig verändert und die Bebauung dann an das
FFH-Gebiet (Flora-Fauna-Habitat) heranrücken und im SPA-Gebiet (Vogelschutzgebiet)
liegen.
- Der Naturschutzbeirat hat in seiner Sitzung
am 6.06.2018 eine Ortseinsicht vorgenommen und den Antrag der Stadt Röttingen
einstimmig abgelehnt. Begründung: Die Herausnahme der Flächen würde zu einer
nachhaltigen Beeinträchtigung der dort vorhandenen Heckenstrukturen und der
daran gebundenen Lebensräume (Habitat für Neuntöter) führen. Die dann
vorgesehene Bebauung würde sehr nahe an das FFH-Gebiet heranrücken und
innerhalb des SPA-Gebietes liegen. Dies würde eine erhebliche Beeinträchtigung
dieses SPA-Gebietes nach sich ziehen. Außerdem würde das Landschaftsbild
nachhaltig verändert. Die Hereinnahme von Flächen an anderer Stelle würde diese
Beeinträchtigung nicht ausgleichen. Außerdem sind diese Grundstücke
größtenteils -durch anderweitige Rechtsvorschriften bedingt- nicht mehr
schutzbedürftig.
Die Aufnahme von Grundstücken ist nur im Gegenzug für die Herausnahme
von Flächen beantragt. Der Antrag der Stadt Röttingen kann also nur insgesamt
befürwortet oder insgesamt abgelehnt werden.
Debatte:
Herr Heinle von Fachbereich
Naturschutz und Landschaftspflege erläutert anhand einer Übersichtskarte die
von der Stadt Röttingen beantragte Änderung in der Gemarkung Röttingen (rot
dargestellt) sowie die gemittelte gerade Verbindung zwischen den
höchstgelegenen Firsthöhen im Osten und Nodwesten, ca. 315 m üNN (dargestellt
als weiße Linie).
In der anschließenden Debatte stell Kreisrat
Koch die Frage, weshalb die Hecke unterhalb der Kapelle noch in die
beantragte Änderung (rote Linie) mit einbezogen wurde und ob die Möglichkeit bestehe,
die Hecke im Landschaftsschutzgebiet zu belassen (weiße Linie).
Bürgermeister
Umscheid äußert sich, dass er kein Problem sehe, die Heckenstruktur unterhalb
der Kapelle beizubehalten, da im gezeichneten Entwurf bei einer Bebauung dieser
Bereich sowieso in die Grünordnung mit aufgenommen werden würde. Folglich
könnte dieser Bereich auch in der beantragten Änderung herausgehalten werden.
Herr Heinle weist nochmal auf
die Skizze der Machbarkeitsstudie in der Gesamtübersicht hin. Er teilt mit,
dass im Augenblick kein Widerspruch
zwischen der Skizze und der Linie 315 m üNN vorliege.
Landrat Nuß teilt mit, dass
Herr Trautner heute als Vorsitzender der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an der
Sitzung teilnimmt. Er weist darauf hin, dass Herr Trautner kein ordentliches Mitglied
des Umwelt- und Bauausschusses sei, er ihm jedoch ein Rederecht gestatte.
Fraktionsvorsitzender
Trautner teilt mit, dass er
drei Bedenken anzumelden habe:
- Es sei festzustellen, dass es
im Landkreis Gemeinden gebe, mit wesentlich schwierigeren topographischen
Verhältnissen und wesentlich weniger Entwicklungsmöglichkeit als die Stadt
Röttingen. Die Stadt Röttingen habe gute Entwicklungsmöglichkeiten und eigentlich
kein Baulandproblem und sie habe glänzende Zukunftsaussichten, sowie noch
sehr viele unbebaute Bauplätze in dem jetzigen Baugebiet. Er halte es daher
für bedenklich, auf „Vorrat“ ein wertvolles Landschaftsschutzgebiet zu
verändern.
2. Landschaftsschutzgebiete
sollen dauerhaft und über mehrere Generationen hinweg geschützt bleiben. Denn
nur dann können sich dort geschützte Arten ansiedeln und erholen. Er weist
darauf hin, dass das Landschaftsschutzgebiet Täler der Tauber, Gollach und
Steinach umgebende Wälder ein wertvolles Refugium für strenggeschützte Arten
und ein Anziehungspunkt für Wanderer und Radfahrer sei. Ein ständiges verändern
und verlegen auf ökologisch minderwertige Flächen (z.B. die ehemalige Deponie
bei Strüth) stelle keinen adäquaten Schutz dar. Er betont, dass
Landschaftsschutzgebiete nicht für Bauvorhaben missbraucht werden sollten. Dies
müsse tabu sein. Er sehe auch keinen Notfall hier in Röttingen.
3. Es sei anzumerken, dass durch die Zustimmung
des Kreistags ein fataler Präzedenzfall geschaffen werden würde. Dadurch sei zu
befürchten, dass weitere Anträge von anderen Gemeinden folgen könnten.
Die Folge: Der Landschaftsschutz wäre
allgemein dahin.
Er betont, dass gerade der Wechsel zwischen
Hecken, landwirtschaftlichen Flächen, großen Bäumen, Obstwiesen und einer
weitgehend naturbelassene Flusslage, wie im vorliegenden Fall, die besondere
Landschaft hier im Taubertal ausmache. Dies gelte es als Ganzes zu schützen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen werde
daher den Antrag der Stadt Röttingen ablehnen.
Bürgermeister Umscheid wendet
sich an Kreisrat Trautner und stellt fest, dass im Vorfeld mit den
Verantwortungsträgern von der Stadt Röttingen kein Gespräch gesucht wurde. Er
weist nochmals – wie bereits bei der
vorangegangenen Ortseinsicht ausgeführt
- auf die Problematik hin (Schutzausweisungen, Tallage, HK-Hundertgebiet), die
keine bauliche Entwicklung zulassen. Er betont, dass die Stadt Röttingen jungen
Menschen eine Chance geben möchte, Wohneigentum zu schaffen, um so ein
Abwandern in das benachbarte Baden Württemberg abzuwenden. Diese Chance möchte
die Stadt Röttingen mit dieser Ausweisung und der Bitte, das Landschaftsschutzgebiet
in diesem Bereich (ca. 4 ha) zurückzunehmen und als Kompensation über 9 ha
hereinzunehmen, möglich machen.
Was die Diskussion um die angesprochenen noch freien Bauplätze im
Privateigentum angehe, so sei festzuhalten, dass seitens der Stadt Röttingen
eine Abfrage durchgeführt worden sei, mit dem Ergebnis, dass nur 3 private
Eigentümer zum Verkauf bereit wären. Demzufolge sei es sachlich falsch, dass
die Stadt Röttingen ohne Probleme irgendwelche Entwicklungsmöglichkeiten habe.
Kreisrat Losert hält eine
vorausschauende Planung im Bereich der Bauleitplanung für ganz wichtig. Aus
seiner Sicht habe Bürgermeister Umscheid die Gründe schlüssig dargelegt, auch
könne man in der Güterabwägung mit dem Vorschlag (weiße Linie) und dem
Ausgleich der angebotenen Flächen durchaus zufrieden sein. Durch die
Flächenerweiterung von ca. 5,5 ha ergebe sich zudem noch ein Mehrwert für die
Natur.
Kreisrat Rützel äußert Bedenken
aufgrund der problematischen Erschließung in dem Bereich, was zu einer extremen
Steigerung der Erschließungskosten führen würde. Ein Bauherr müsste demzufolge
nicht nur das Geld für seine Immobilie bezahlen, sondern auch viel Geld für den
Erwerbe von Grund und Boden ausgeben. Bei einem evtl. Verkauf aus familiären
Gründen wäre eine Wertminderung der Immobilie die Folge (Vermögensverlust).
Er würde daher den Fokus mehr auf den Altort legen, zumal erfahrungsgemäß
dort immer wieder Häuser frei werden.
Bürgermeister
Umscheid rät von Spekulationen ab, was die Höhe der Verkaufspreise der Bauplätze
angehe. Diese seien von verschiedenen Faktoren und der Marktsituation abhängig.
Zur Frage nach der Altortsituation sei anzumerken, dass die Bausubstanz
nicht ständig verkauft und sofort beziehbar sei. Die Stadt Röttingen gehe
gerade einen Weg mit Konzentration auf den Altort, um der Leerstandproblematik
weiter Herr zu werden - und das durchaus mit Erfolg. Jedoch sei nicht jede
junge Familie bereit, in den Altort zu gehen bzw. dort ein Haus zu sanieren
oder neu zu bauen, gerade im Zusammenhang mit der städtebauliche Situation, den
Einschränkungen oder den Auflagen der Denkmalbörde.
Kreisrat Schlereth stimmt den
Änderungen des Landschaftsschutzgebietes im Hinblick auf die Stärkung des
ländlichen Raums, die Ausführungen der Fachbehörde und die im Verhältnis auch
durch die Fachbehörde dargestellten nicht übermäßigen Eingriffe sowie der
Zusage, die Hecke unterhalb der Kapelle herauszunehmen, zu.
Kreisrat Koch sieht die
positiven Bemühungen der Stadt Röttingen, den alten Ortskern zu beleben,
dennoch brauche jede Gemeinde eine Entwicklungsphase für die Zukunft. Generell
könne er daher für seine Faktion unter den vorgenannten Voraussetzungen -
Herausnahme der Flächen unterhalt der Hecke (weiße Linie) – dem Antrag
zustimmen.
Geschäftsbereichsleiterin
Hellstern (Umweltamt) fasst nochmal zur Klarstellung zusammen, dass es
insgesamt nicht nur um diese Fläche und die Frage gehe, ob da Bauland entstehen
soll oder nicht, sondern insgesamt um 6 Stellen, die aus dem bestehenden
Landschaftsschutzgebiet herausgenommen werden sollen und um 7 Stellen, die in
das Landschaftsschutzgebiet hereingenommen werden sollen.
Rechtlich sei es so, dass die Hereinnahmen von Flächen keine Voraussetzung
dafür ist, dass andere Flächen herausgenommen werden können.
In dem vorliegenden Antrag der Stadt Röttingen sei dies jedoch so
miteinander verknüpft, dass die Aufnahmen der Grundstücke nur im Gegenzug für
die Herausnahme der anderen Flächen erfolgen soll.
Die Frage, die sich das Gremium dafür stellen müsse sei, inwieweit für
die zu herausnehmenden Flächen keine Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit
mehr gesehen werde und für die Flächen, die hereinkommen, jedoch so eine
Schutzbedürftigkeit gesehen wird.
Sie weist darauf hin, dass insgesamt knapp 4 ha Fläche herausgenommen
werden sollen und 9,45 ha hereingenommen werden sollen. Dies würde bedeuten,
dass bei einer positiven Entscheidung des Antrags, sich das
Landschaftsschutzgebiet vergrößern würde. Aus Sicht des Naturschutzes sei dies
zunächst grundsätzlich erfreulich, jedoch möchte sie aber auch nicht verheimlichen,
dass es durchaus Einwendungen gegen die Herausnahme gegeben habe, trotz Berücksichtigung
dessen, dass das Landschaftsschutzgebiet größer werden würde im Ergebnis. Sie
weist darauf hin, dass der Naturschutzbeirat den Antrag abgelehnt habe mit der
Begründung, dass die Grundstücke - gerade auch die Fläche, die auf dem Bild
abgebildet ist - werthaltiger seien und
Beeinträchtigungen zu befürchten seien, gerade auch im Hinblick auf die bestehende
Heckenstruktur.
Herr Heinle fügt an, dass die
Komplettherausnahme dieser Fläche (s. Skizze auf Luftaufnahme) inkl. der
dunkelgrünen dargestellten Anteile beantragt sei. Demnach sei sowohl der
bauliche Anteil als auch der Grünanteil komplett zur Herausnahme aus dem
Landschaftsschutzgebiet beantragt.
Landrat Nuß geht nochmal auf
die Wortmeldung von Kreisrat Koch ein, der darum gebeten habe, die Hecke
unterhalt der Kapelle (weiße Linie) im Landschaftsschutzgebiet zu erhalten.
Es ergeht folgender
Beschlussvorschlag:
Der Umwelt- und Bauausschuss nimmt die Stellungnahmen zur Kenntnis.
Dem Kreistag wird empfohlen, die Verordnung über das
Landschaftsschutzgebiet „Täler der Tauber, Gollach, Steinach und umgebende
Wälder“ hinsichtlich der Schutzgebietsgrenzen in der Gemarkung Röttingen
antragsgemäß zu ändern.
Die unterhalt der Kapelle in Ost-West-Richtung ausgedehnte Feldhecke ist
bei der Planung zu erhalten.
Beschluss:
Der Umwelt- und Bauausschuss nimmt die Stellungnahmen zur Kenntnis.
Dem Kreistag wird empfohlen, die Verordnung über das
Landschaftsschutzgebiet „Täler der Tauber, Gollach, Steinach und umgebende
Wälder“ hinsichtlich der Schutzgebietsgrenzen in der Gemarkung Röttingen
antragsgemäß zu ändern.
Die unterhalt der Kapelle in Ost-West-Richtung ausgedehnte Feldhecke ist
bei der Planung zu erhalten.
Zur weiteren
Veranlassung an GB 5, FB 51
Zur Kenntnis an