Beschluss: Mehrfachbeschluss

 

Landrat Nuß führt zur Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis Würzburg Folgendes aus:

 

„Meine sehr geehrten Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

 

es ist das erste Mal in meiner Amtszeit, dass ich den Kreisausschuss außerordentlich eingeladen habe. Und es ist das erste Mal, dass ich ein Kreisgremium mit einem Thema befasse, das eigentlich in die Zuständigkeit des staatlichen Landratsamtes fällt.

 

Anlass ist die Flüchtlingsproblematik, deren Hintergründe und die mittlerweile erreichte Dimension, die ich nicht zu erläutern brauche. Wir sehen es täglich im Fernsehen, wir hören es stündlich im Radio und lesen es in der Zeitung.

 

Seit wann und wie sind wir im Landkreis Würzburg von der Situation betroffen?

 

Im Herbst 2012 ist die Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von Unterfranken in der Veitshöchheimer Straße zum ersten Mal an die Grenzen ihrer Aufnahmekapazität gestoßen. Seitdem weist die Regierung den Städten und Landkreisen in Unterfranken Flüchtlinge zu, nach einem strengen Verteilerschlüssel.

 

Seit November 2012 kümmert sich das Landratsamt, namentlich der Fachbereich 33 mit dem Leitenden Regierungsdirektor Michael Horlemann an der Spitze, um die wöchentlichen Zuweisungen und bringt die Flüchtlinge in dezentrale Unterkünfte unter.

 

Meist sind es Gasthöfe oder Pensionen, private, gemeindliche oder kirchliche Wohnungsangebote.

 

Grob unterteilt erfüllt der Landkreis Würzburg seine Aufgaben

  • in kleineren Gemeinschaftsunterkünften,
  • in dezentralen Unterkünften in verschiedenen Gemeinden,
  • und mit Notunterkünften im Rahmen des Notfallplans der Regierung von Unterfranken.

 

Nähere Zahlen und Fakten erfahren Sie später von Herrn Horlemann.

 

Zusätzlich  kommen sogenannte Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

Jugendliche, zu 90 Prozent sind es junge Männer, die sich ohne Familie zu uns durchgeschlagen haben.

 

Für deren Betreuung erwartet der Freistaat Bayern die Anwendung der Standards im Jugendhilferechts – wie für einheimische Jugendliche,

  • mit dem vollen sozialpädagogischen Programm,
  • bis hin zur Heimunterbringung – ob die Betroffenen das möchten, oder nicht.

 

Dass dieser abnormale Anstieg der Fallzahlen – es sind mittlerweile einiges über 100 - mit dem vorhandenen Personal im Jugendamt gar nicht geleistet werden kann, hat staatlicherseits bislang kein großes Kopfzerbrechen bereitet.

 

Ebenso wurde dem staatlichen Landratsamt für die Betreuung der dezentral untergebrachten Flüchtlinge und ihrer Familien von der Regierung von Unterfranken bis heute keine einzige zusätzliche Stelle zugewiesen.

 

Das hat zur Folge, dass wir uns bei der Beratung des Stellenplans im Haushalt 2016 über weitere Stellen unterhalten müssen, die vollständig und allein aus Kreismitteln zu bezahlen sind.

 

Die eine Milliarde Euro, die der Bund den Kommunen mehr geben will, ist gut gemeint, ja. Es ist, wie wenn ich meinem Kind auf Kiliani ein Lebkuchenherz schenke.

Es wird nicht viel davon übrig bleiben. 

 

  • Was wir wirklich und dringend brauchen, ist Personal!

Personal, Personal und nochmals Personal.

  • Was wir brauchen, ist gutes und für diese Zwecke gut ausgebildetes Personal.

Und dieses Personal müssen uns diejenigen stellen, deren Aufgaben wir wahrnehmen: Bund und Land.

 

Durch den herausragenden und mittlerweile an die Grenzen der Belastbarkeit gehenden Einsatz unserer Mitarbeiter im Fachbereich 33 und im Jugendamt, beides in Verantwortung von Herrn Horlemann, wurden die Vorgaben der Regierung bislang tadellos erfüllt, obwohl von dort die Bedingungen – notgedrungen aber doch einseitig - immer härter formuliert wurden.

 

Ursprünglich war das Landratsamt für Unterkünfte von bis zu 30 Personen zuständig, darüber hinaus die Regierung. Dann wurde diese Grenze auf 50 Personen angehoben und liegt heute bei 80 Personen - Tendenz steigend.

 

Des Weiteren weist uns die Regierung derzeit wöchentlich 38 Asylbewerber zu,

ohne Rücksicht auf die Chancen einer tatsächlichen Unterbringung innerhalb des Landkreises.

 

Wenn wir die Menschen nicht sofort unterbringen können, ergibt sich daraus ein rechnerisches Defizit, in das hinein die Regierung sofort neue Flüchtlinge zuweist. Ein Teufelskreis.

 

Über ihre Pflicht zur dezentralen Unterbringung hinaus wurden die Landkreise mit Schreiben vom 20. Oktober 2014 veranlasst, für den bevorstehenden Winter 2014/15 einen Notfallplan zu erstellen, der im Wesentlichen folgende Anforderungen umfasst hat:

  • Die Bereitstellung von winterfesten Quartieren für 200 – 300 Personen
  • für eine Verweildauer von 5-6 Wochen,

 

Wichtiger Hinweis dabei:

  • Durch die Bereitstellung der Quartiere dürfen dem Staat keine Kosten entstehen - soll aber aus dem Stand heraus funktionieren.
  • Auch für einen „stand by“ - von einem Notfalleinsatz zum nächsten - übernimmt der Staat keine Kosten.

 

Wir haben auch diese Vorgaben erfüllt.

Herzstück waren dabei die im letzten Winter freien Unterkünfte für Saisonarbeiter einiger landwirtschaftlicher Betriebe in Bergtheim und Unterpleichfeld.

 

Mit Schreiben vom 15. Juli dieses Jahres wurde uns mitgeteilt,

  • dass aufgrund des dramatischen Anstiegs der Flüchtlingszahlen aus dem Winternotfallplan nun ein Sommernotfallplan wird
  • und der Landkreis Würzburg als erster von den unterfränkischen Landkreisen in Anspruch genommen wird.

 

Es sollte ein rotierendes System sein. Nach uns kommen die anderen Landkreise an die Reihe – und dann irgendwann auch wieder wir.

 

Auf die Saisonarbeiterunterkünfte des Winternotfallplans konnten wir nicht mehr zurückgreifen. Die sind bis zum Herbst belegt.

 

In dieser kritischen Situation haben uns die Gemeinden Kirchheim und Rimpar in dankenswerter Weise ihre Turnhallen und die Gemeinde Greußenheim ihr leerstehendes Schulgebäude angeboten, allerdings im festen Vertrauen auf die Einhaltung des Notfallplans:

  • insgesamt 200 Flüchtlinge
  • und für maximal sechs Wochen.

 

Nach einer großartigen Vorarbeit - auch vieler ehrenamtlicher Kräfte - konnten die drei Domizile am 29. Juli bezogen werden.

 

Am Montag, 17. August, teilte uns die Regierung in einer Mail überraschend mit,

  • dass sie keine Asylbewerber aus Rimpar, Greußenheim und Kirchheim weiter verteilt,
  • sondern der Landkreis Würzburg für die anschließende Unterbringung der 200 Menschen zuständig sei.

Ich mache den Beamten bei der Regierung keinen Vorwurf, die haben auch ihre Zwänge, aber wo soll das Landratsamt Würzburg innerhalb von drei Wochen über 200 vorschriftsmäßig ausgestattete dezentrale Unterkünfte her bekommen?

 

Spätestens an diesem Punkt, und weil sich die betroffenen Bürgermeister darauf verlassen können müssen, dass ihre Hallen nach sechs Wochen wieder frei sind,

ist nun eine Dimension erreicht, die politische Entscheidungen der Kreisgremien erfordert.

 

Deshalb habe ich zu dieser Sitzung eingeladen – und es wird nur ein erster Schritt sein, Asyl bleibt ein Dauerthema!

 

Im vorbereitenden Gespräch der Fraktionssprecher am vergangenen Dienstag wurde allen Beteiligten schnell klar:

Wir stehen vor einer großen Herausforderung, der sich der Landkreis Würzburg und seine Gemeinden in gegenseitiger Hilfe stellen müssen.

 

Wir haben in dieser Runde ohne Denkverbote eine breite Palette an Möglichkeiten diskutiert, die im Kern

  • die Bereitstellung landkreiseigener Liegenschaften beinhaltet,
  • über die heute gesprochen, diskutiert und entschieden werden muss.

 

Eine Stunde nach diesem Gespräch war manches schon wieder Geschichte.

 

Am Nachmittag dieses Dienstags erhielten alle unterfränkischen Landräte einen Brandbrief des Herrn Regierungspräsidenten,

  • in dem dieser von einem erneuten dramatischen Anstieg des Zustroms von Asylbewerbern spricht
  • und allein für Unterfranken für die nächste Woche einen Neuzugang von eintausend Flüchtlingen ankündigt.

 

Vom Landkreis Würzburg erwartet die Regierung jetzt konkret, dass wir die eingeforderten Notkapazitäten bis auf weiteres

  • über die angekündigten sechs Wochen hinaus betreiben,
    • ein Ende wird jetzt gar nicht mehr genannt,
  • und dass wir das Kontingent um mindestens weitere 100 auf 300 Plätze aufstocken müssen.

 

Wir werden uns dieser Forderung sicher nicht verschließen können, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber: jetzt geht´s ans Eingemachte.

 

In Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden und unter der Voraussetzung, dass Sie dem heute zustimmen, werden wir der Regierung das ehemalige Schwesternwohnheim an der Main-Klinik in Ochsenfurt als Gemeinschaftsunterkunft anbieten, um von unserem rechnerischen Defizit etwas wegzukommen.

 

Ich gehe davon aus, dass die Regierung von Unterfranken in eigener Zuständigkeit zusammen mit dem staatlichen Bauamt prüft, ob diese Liegenschaft für diesen Zweck geeignet ist und erforderlichenfalls Nacharbeiten veranlasst.

 

Dies wird eine Gemeinschaftsunterkunft werden, die über Jahre belegt sein wird - das muss uns klar sein - in unmittelbarer Nachbarschaft zur Main-Klinik. Wir sind bereit, das zu tun.

 

Des Weiteren können wir Grundstücke, die im Eigentum des Landkreises, bzw. des Kommunalunternehmens stehen, der Regierung als Standorte für Container anbieten. Die Errichtung und der Betrieb müssen dann ebenfalls durch die Regierung erfolgen, weil wir von einer größeren Belegung als 80 Personen ausgehen. Kleinere Belegungen machen in dieser Situation keinen Sinn mehr.

 

Wir haben die Regierung von Unterfranken auch auf das Palatium in Ochsenfurt hingewiesen. Wie Sie wissen, räumen wir das Palatium in absehbarer Zeit. Die Verwaltung des Landratsamtes Würzburg – Dienststelle Ochsenfurt - wechselt in das Gebäude des ehemaligen Amtsgerichts in Ochsenfurt. Somit wird das Palatium frei. Es gehört dem Freistaat Bayern, der auch Aufgabenträger ist. Wir haben darauf hingewiesen, dass dieses dann belegt werden könnte.

 

Schweren Herzens – und das betone ich, meine sehr geehrten Damen und Herren, könnten sich die Fraktionsvorsitzenden noch eine weitere Liegenschaft des Landkreises vorstellen – und da wird´s dann schon heftig.

Es geht um das Jugendhaus in Leinach.

 

Uns allen ist klar, dass dies einen tiefgreifenden Einschnitt in die bestehende Infrastruktur des Landkreises Würzburg bedeutet.

Wir entziehen damit unseren Kindern unwiederbringlich ein lieb gewonnenes Schullandheim, das für diese Zwecke fast vollständig das ganze Jahr über ausgebucht ist.

 

Das Schullandheim Leinach hat sich in Bayern zu einem Vorzeigeschullandheim entwickelt, vor allem durch die bayernweit einmalige Einrichtung eines Theater- und Medienzentrums.

 

Unsere Vorgänger, mit den Landräten Dr. Georg Schreier und Waldemar Zorn und der damalige Bürgermeister von Leinach, Andreas Oestemer, haben sehr viel Herzblut und auch viel Geld in dieses Projekt investiert.

 

Die Einrichtung des Medienzentrums wurde zu unserer Zeit finanziell unterstützt.

 

Wenn wir dieses Opfer bringen, meine Damen und Herren, dann erlaube ich mir schon den Hinweis,

  • dass auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne in Giebelstadt Dutzende Offiziers- und Soldatenunterkünfte der US-Armee in bestem Zustand leer stehen
  • und die Regierung noch keinen Ansatz gemacht hat, diese bundeseigenen Gebäude für sich in Anspruch zu nehmen.

 

Ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen, dass, wie in einem Rechtsstaats üblich, auch die Unterbringung von Asylbewerbern gesetzlich geregelt ist.

 

Es gibt in Bayern ein Asylbewerberaufnahmegesetz, das in seinem Artikel 4 regelt, dass „Asylbewerber in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden“.

Diese Gemeinschaftsunterkünfte sind nach Artikel 4 Absatz 2 „von den Regierungen entsprechend dem Bedarf zu errichten und zu betreiben“.

 

Daraus ergibt sich, dass die Unterbringung von Asylbewerbern in erster Linie eine staatliche Aufgabe ist, welche von den Bezirksregierungen wahrzunehmen ist.

Erst wenn dies nicht mehr möglich ist, kommen die Unteren Verwaltungsbehörden in Betracht,

  • die Landratsämter
  • und als deren Hilfeorgane die kreisangehörigen Gemeinden.

 

Wie ist es bei uns gelaufen?

 

Ich habe die Asylunterbringung - als Landrat auch für den staatlichen Bereich - von Anfang an zur Chefsache gemacht und war mit meinen Mitarbeitern am 19. November 2012 in einer Bürgerversammlung in Tückelhausen, wo wir die erste dezentrale Unterbringung eingerichtet haben.

Aus dieser Bürgerversammlung heraus kam der Hinweis auf neugebaute Offiziers- und Soldatenheime in Giebelstadt.

 

Einen Tag später, am 20. November 2012, habe ich mir die Unterkünfte mit Vertretern der Bundesimmobilienagentur – der BIMA - angesehen und in der Tat, dort stehen Gebäude – wenn man das Maximum will – für mehrere hundert Asylbewerber zur Verfügung.

  • Alle in einem hervorragenden Zustand und von der US-Armee großzügig ausgestattet,
  • in der Nähe von sehr guten Einkaufsmöglichkeiten.

 

Schon eine teilweise Nutzung würde die Situation maßgeblich entlasten.

 

Es müsste für die Beheizung eine Gastherme eingebaut werden, was nach Aussage der BIMA kein Problem sein dürfte.

 

Das Gelände ist von der Gemeinde Giebelstadt als Gewerbefläche überplant.

Über eine - vielleicht auch nur teilweise – Änderung des Flächennutzungsplans wäre mit der Gemeinde zu verhandeln.

 

Diese Erkenntnis habe ich unmittelbar der Regierung von Unterfranken mitgeteilt und hätte eigentlich erwartet, dass die Regierung – gemäß ihrem gesetzlichen Auftrag -

  • vorrangig ihre eigenen Möglichkeiten ausschöpft
  • und eine Gemeinschaftsunterkunft in Giebelstadt einrichtet und betreibt.

 

So steht es auch im Gesetz.

 

Den Worten des Pressesprechers der Regierung von Unterfranken jüngst in der Zeitung vom 21. August entnehme ich aber, dass seitens der Regierung in diesen fast drei Jahren nichts geschehen ist.

 

Man müsste auch hinterfragen, meine Damen und Herren,

  • wie viele weitere Kasernengebäude unterfrankenweit noch leer stehen,
  • oder warum es zugelassen wird, dass intakte Wohneinheiten ehemaliger Kasernen abgerissen werden,

während man gleichzeitig Landkreise und Gemeinden mit der Belegung kommunaler Einrichtungen belastet.

 

Die Unterbringung in Kasernen, wie in Giebelstadt, ist meines Erachtens menschenwürdiger. Es sind kleinere Einheiten möglich, es gibt sanitäre Einrichtungen, es gibt ein festes Dach über dem Kopf, es beinhaltet auch mehr Intimsphäre als in einer Turnhalle, auch die Nachbarschaft ist bei weitem nicht so gefordert, wie es anderswo der Fall ist. Dies sollte dem Staat der Einbau einer Heizung wert sein.

 

Ich kritisiere ungern andere. Jeder kämpft, sucht nach Lösungen, aber ich sage es Ihnen ganz offen, mir erschließt sich nicht, warum an der Gemeinschaftsunterkunft in der Veitshöchheimer Straße unter dem Eindruck der herannahenden kalten Jahreszeit ein Bierzelt aufgestellt wird, während andererseits im selben Einzugsbereich Gebäude, wie beispielsweise der ehemalige Praktiker-Markt, leer stehen. Ein Gebäude, beheizbar, trocken, sauber – weshalb nimmt man das nicht in Anspruch. Aber, dass nur nebenbei.

 

Meine Damen und Herren, es muss uns klar sein, dass bei der derzeitigen Flut an Asylbewerbern

  • die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen
  • in kleinen Einheiten, so wie das bislang von uns gehandhabt wurde,

in Zukunft keine Option mehr darstellen kann.

 

Die Zahlen sind einfach zu hoch! Die Zahlen werden steigen!

 

Selbst wenn sich das Landratsamt Würzburg immer weiter intensiv um dezentrale Unterkünfte bemüht, ist heute schon absehbar,

  • dass die jetzt zugewiesenen Zahlen von Asylbewerbern niemals auf diese Weise untergebracht werden können,
  • und, dass das Landratsamt zwangsläufig immer weiter in das allein von der Regierung willkürlich gesteuerte Defizit hinein läuft.

 

Damit ist den Menschen nicht geholfen.

 

Wenn man den Menschen helfen möchte, dann dürfen sie nicht einfallslos – ja, eigentlich sogar herzlos - nach mathematischen Regeln übers Land verteilt werden,

sondern es müssen die freien Kapazitäten des Freistaats Bayern und des Bundes durch die Regierung von Unterfranken konsequent genutzt werden.

 

Darauf müssen wir uns als Landkreis verlassen können,

  • denn sonst fällt es schwer, liebgewonnene Einrichtungen wie das Jugendhaus Leinach zu opfern,
  • und es fällt auch schwer, zur Erfüllung des Notfallplans - unter den jetzt verschärften Bedingungen – auf die Gemeinden zuzugehen, wenn man sich nicht mehr darauf verlassen kann, wie es in 6 Wochen weitergeht. Die Gemeinden verlassen sich auf uns und sie sollen sich auch auf uns verlassen können.

 

Und wir brauchen die Gemeinden! Wir brauchen weiterhin gemeindliche Hallen oder leerstehende Schul- und Verwaltungsgebäude, um 300 Menschen in dem geforderten Zeitrahmen schnell unterzubringen.

 

Es ist ein solidarischer Kraftakt aller Gemeinden notwendig, nach einem gewissen Schema rollierend gemeindliche Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.

 

Mir ist bewusst, dass die Notfallunterbringung in Mehrzweckhallen einen starken Eingriff in die gemeindliche Infrastruktur bedeutet. Die Hallen werden von den Schulen genutzt, von den Sportvereinen und für viele kulturelle Zwecke (Theateraufführungen, Fasching, Konzerte).

 

Wenn man die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht gefährden möchte, dann darf man die gemeindliche Infrastruktur nicht auf Dauer lahmlegen.

  • Man darf den Bogen nicht überspannen!
  • Man muss auf besondere Eigenheiten in den Gemeinden Rücksicht nehmen,
  • flexibel reagieren, deswegen auch ein rollierendes System.

 

Damit das funktioniert, habe ich eine eigene Stelle eingerichtet, unter der Federführung von Paul Justice. Er ist derjenige, der sich hier intensiv eingebracht hat im Aufbau der Notunterkünfte. Auch hat er den kurzen Draht zu den Ehrenamtlichen - aber wir brauchen dann natürlich auch die Hallen hierzu.

 

Und, meine Damen und Herren, anders als die staatlichen Dienststellen setze ich auf Konsens.

 

Asylbewerberunterbringung ist eine rein staatliche Aufgabe. Dieser Aufgabe habe ich mich als Chef der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde „Landratsamt“ zu stellen. Ich bin insoweit Vertreter des Freistaates Bayern und in die staatliche Hierarchie eingegliedert.

 

Auf der anderen Seite bin ich aber als gewählter Landrat auch Chef der Gebietskörperschaft Landkreis Würzburg und ein Anhänger der kommunalen Selbstverwaltung.

 

Insoweit habe ich größtes Verständnis für die Sorgen und Nöte der Damen und Herren Bürgermeister und kann deren Probleme bei der Unterbringung der Asylbewerber sehr gut nachvollziehen.

 

Mit dieser Doppelfunktion – staatlich/kommunal - kann ich gut leben und bemühe mich, beiden Teilen gerecht zu werden,

  • den Interessen des Freistaats Bayern
  • wie auch den berechtigten Interessen der Gemeinden.

 

Es ist mir wichtig, dass wir diese große humanitäre Aufgabe im Konsens lösen,

  • ohne Einsatz staatlicher Machtmittel – das Wort Beschlagnahme kommt bei mir nicht vor – ich halte diese starken Machtmittel auch
  • unter Berücksichtigung der kommunalen Selbstverwaltung für nicht angebracht
  • und ich glaube auch, dass wir dadurch die Akzeptanz gefährden werden.

 

Wir leben auf unserer Suche nach Unterkünften sehr stark von der Akzeptanz in der Bevölkerung und wir sind in der Betreuung der Flüchtlinge sehr stark auf die Mithilfe vieler Ehrenamtlicher angewiesen.

 

Das alles sind zarte Pflänzlein, die man hegen und pflegen muss, auf keinen Fall treten. Man darf diesen Pflänzlein nicht all Zuviel zumuten.

 

Ich bin nicht so weltfremd wie manche unserer großen Kolleginnen und Kollegen in Berlin oder München – weitab von jeder Realität.

 

Ich bin, wie Sie alle, sehr nahe bei den Menschen und ich nehme schon die Signale aus der Bevölkerung auf,

  • die Verunsicherung, die teilweise herrscht,
  • die Ängste vor dem Unbekannten,
  • die Sorge, was kommt mit dieser unüberschaubaren Situation auf mich und meine Familie zu?

 

Diese Gefühle muss man ernst nehmen!

 

Ich werde im Anschluss an diese Sitzung als nächsten Schritt den Kreisvorsitzenden des Bayerischen Gemeindetags, unseren Kollegen, Bürgermeister Thomas Ebert, bitten,

  • mit uns gemeinsam das entsprechende Netzwerk zu den Gemeinden aufzubauen und
  • die Damen und Herren Bürgermeistern miteinzubinden.

 

Ich mache das mehr als Landrat des kommunalen Bereiches im Konsens mit dem Bayerischen Gemeindetag. Vielleicht kann man in dieser Runde auch die Kirche mit einbinden, die örtlichen Pfarrer. Ich weiß aus Gesprächen und Publikationen, dass auch die Kirche durchaus bereit ist, sich einzubringen und noch Möglichkeiten hat.

 

Wenn jeder an seinem Platz seine Möglichkeiten einbringt, meine Damen und Herren,

  • der Staat – vertreten durch die Regierung von Unterfranken,
  • das Landratsamt,
  • der Landkreis Würzburg,
  • und die Gemeinden,

 

dann können wir diese Herausforderung zumindest noch eine kurze Zeit lang stemmen.

 

 

Herr Horlemann wird Ihnen jetzt Zahlen und Fakten vorstellen.

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“

 

 

 

 

Ltd. Regierungsdirektor Horlemann gibt einen Überblick über die aktuellen Asylbewerber-Unterkünfte im Landkreis Würzburg (s. Anlage). Er benennt die Dezentralen Unterkünfte, die Gemeinschaftsunterkünfte, darüber hinaus bestehe ein bereits abgeschlossener Nutzungsvertrag zwischen der Regierung von Unterfranken und einem privaten Unternehmer in Ochsenfurt für die Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft mit 100 Plätzen. Diese müsse allerdings noch umgebaut werden. Für die Unterbringung der unbegleiteten Minderjährigen benennt er die derzeit aktuellen Einrichtungen in den Gemeinden und Pflegefamilien sowie bei verschiedenen Trägern, wonach derzeit 84 Personen untergebracht sind. Der aktuelle Stand der unterzubringenden unbegleiteten Minderjährigen im Landkreis Würzburg beläuft sich derzeit auf 155 Personen.

 

Weiterhin spricht Herr Horlemann die  derzeitigen Notunterkünfte an. Er teilt mit, dass zum 05.09.2015 die Turnhalle in Kirchheim komplett geräumt werde. Die teilweise noch verbleibenden Asylbewerber werden anschließend in der Schulturnhalle in Margetshöchheim untergebracht. Als weitere Notunterkunft sei das Palatium in Ochsenfurt vorgesehen. Seitens der  Immobilienverwaltung Bayern (IMBY) liege bereits die Zustimmung vor, so dass nach einigen Sanierungsarbeiten das Palatium in ca. 6 – 8 Wochen als Notunterkunft zur Verfügung stehen wird.

 

Herr Horlemann gibt ferner Auskunft über weitere Vertragsprojekte, die als dezentrale Unterkünfte vorgesehen sind.

 

 

Debatte:

 

In der anschließenden Debatte nehmen die Kreisrat Eberth, stellv. Landrat Wolfshörndl, Kreisrätin Celina (MdL), die Kreisräte Fiederling, Stichler, Kuhl und Joßberger Stellung zu den Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber im Landkreis Würzburg.

 

Wichtig und richtig sei es die Gemeinden mit einzubeziehen. Kreisrat Ebert hält es für den richtigen Ansatz, mit den Kollegen des Bayerischen Gemeindetags Gespräche zu führen. Hier sollte zeitnah ein Gesprächstermin stattfinden.

 

Man sei sich auch einig, dass die Kirchen einen wichtigen Aspekt darstellen, zumal in den Gemeinden Pfarrhäuser und Pfarrsäle zur Verfügung stehen.

Dem Prüfauftrag, das ehemalige Schwersternwohnheim an der Main-Klinik in Ochsenfurt als Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von Unterfranken anzubieten, werde man unterstützen, auch die Nutzung des Palatiums in Ochsenfurt sowie die Nutzung von Grundstücken, die im Eigentum des Landkreises bzw. des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg stehen, der Regierung von Unterfranken als Standorte für Container anzubieten. Was die Erwägung angehe, das Jugendhaus Leinach als weitere Flüchtlingsunterkunft anzubieten, so könne man diese Möglichkeit nur schweren Herzens ins Auge fassen. Man ist sich einig, das Jugendhaus Leinach als letzte Option anzusehen. Daher sollte diese Entscheidung zunächst zurückgestellt und nach einer anderen Lösung gesucht werden.

 

Stellv. Landrat Wolfshörndl kritisiert das Verhalten der Regierung hinsichtlich der staatlichen Liegenschaften. Er weist in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Gebäudeabrisse am Hubland hin bzw. auf leerstehende Wohnblöcke, die auch von der Universität nicht genutzt werden. Ebenso seien die vielen kirchlichen Einrichtungen zu erwähnen. Was die Nutzung von Turnhallen angehe, so müsse dies im Konsens erfolgen, auch sei eine gewisse Planungssicherheit notwendig. Es sollte eine gleichmäßige Verteilung auf die Gemeinden erfolgen, soweit dies möglich ist.

 

Kreisrätin Celina (MdL) unterstützt die Aussage, was die Einbindung der Kirchen angeht. Hier sei noch Potenzial vorhanden. Sie möchte jedoch  in diesem Zusammenhang auch ein Lob aussprechen an die Einrichtung der Erlöserschwestern. Diese haben stellvertretend für die Kirche in den letzten Jahren schon viel geleistet.

 

Sie spricht das Thema Wohncontainer und deren Verfügbarkeit an, um eine bessere Verteilung auf die Gemeinden zu erreichen. Hierzu teilt Herr Horlemann mit, dass die Containerlösung die Zukunft sei. Der Markt an leeren Gebäuden sei mehr oder weniger ausgeschöpft. Daher sei es wichtig, entsprechende Flächen von den Gemeinden angeboten zu bekommen. Aktuell sei man mit zwei Gemeinden im Gespräch.

 

Kreisrat Fiederling äußert Bedenken was die Nutzung mit größeren Einheiten (80 Personen) angehe. Es solle versucht werden, die Einheiten nicht zu groß werden zu lassen. Die Menschlichkeit müsse im Vordergrund stehen!

Wichtig sei, die Situation vor Ort mit dem jeweiligen Gemeinderat zu besprechen.

 

Landrat Nuß spricht die Verhältnismäßigkeit zwischen Flüchtlingen und der Ortsbevölkerung an. Diese müsse beachtet werden. Aus diesem Grund habe man in Aub keine zweite Gemeinschaftsunterkunft errichtet.

Allerdings würde man mit kleineren Einheiten (15-20 Personen) auch nicht weiterkommen. Es müsse daher ein gesundes Mittelmaß gefunden werden.

 

Kreisrat Stichler sieht durchaus Solidarität unter den Bürgermeisterkollegen. Es müssen gemeinsam Lösungen gefunden werden. So könnte er sich beispielsweise vorstellen, dass Gemeinden, die keine Flüchtlinge betreuen müssen, Sportlern aus den Nachbarorten Möglichkeiten zum Trainieren anbieten, deren Halle als Notunterkünfte belegt sind. 

Deshalb sei es wichtig, alsbald einen Termin für eine Bürgermeisterarbeitstagung zu finden.

In diesem Zusammenhang bittet er die Rechtsabteilung um Prüfung, inwieweit eine Beschlagnahmung gemeindlicher Einrichtungen rechtlich möglich sei.

 

Kreisrat Kuhl vertritt die Auffassung, dass alle Liegenschaften zur Diskussion stehen müssen. Auch Überlegungen wie beispielsweise Containerdörfer auf dem Parkplatz am Erlabrunner Badesee oder auf anderen landkreiseigenen Liegenschaften müssen in Erwägung gezogen werden. Das Jugendhaus Leinach erscheint in seinen Augen als idealer Platz für unbegleitete Minderjährige. Gerade diese Personen bedürfen einer besonderen Betreuung.

 

Ltd. Regierungsdirektor Horlemann teilt hierzu mit, dass alle in Betracht kommenden Organisationen abgefragt wurden, ob sie Möglichkeiten haben, unbegleitete Minderjährige nach den gesetzlichen Vorgaben des SGB VIII zu betreuen. Allen fehle aber derzeit das dafür erforderliche Fachpersonal. Das Landratsamt suche daher auch bereits Pflegeeltern, die unbegleitete Jugendliche aufnehmen könnten.

 

Landrat Nuß äußert sich, dass der Markt der Sozialpädagogen leer sei und auch die Träger keine Kapazitäten mehr frei haben. Aufgrund fehlender Betreuungspersonen sei es daher wenig sinnvoll, unbegleitete Minderjährige im  Jugendhaus Leinach unterzubringen.

 

Kreisrat Eberth spricht in aller Deutlichkeit die mangelnde Personalsituation an. Man sei gerne bereit zu helfen, jedoch sei irgendwann die Grenze erreicht und alle Kapazitäten ausgeschöpft und man müsse kapitulieren. Es sei schließlich nicht nur mit der Bereitstellung von Räumlichkeiten getan, sondern es müsse auch entsprechendes Betreuungspersonal vorhanden sein. Er bittet Landrat Nuß, diesen Appell an die Regierung entsprechend weitergeben.

 

Kreisrat Joßberger spricht neben dem Problem der unbegleiteten Minderjährigen ein weiteres Problem an, und zwar seien dies die Familien mit Kindern. Für diese Kinder werden Plätze in den Schulen und Kindergärten gebraucht. Auch hier komme man in den Gemeinden an die Kapazitätsgrenzen. Er halte es daher auch für wichtig, die Asylbewerber flächendeckend im Landkreis zu verteilen, zumal einzelne Kommunen bei der Verteilung der Plätze schnell überfordert seien.

 

Kreisrätin Celina (MdL) fragt nach, ob rechtlich die Möglichkeit bestehe, unbegleitete Minderjährige, die außerhalb des Landkreises Würzburg Verwandte oder Bekannte haben, in der Nähe ihrer Verwandten und Bekannten bei Pflegefamilien unterzubringen, und zwar unter der Trägerschaft des jeweiligen Landkreises.

 

Ltd. Regierungsdirektor Horlemann teilt mit, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, einen Umverteilungsantrag zu den Angehörigen zu stellen. Über diesen Antrag entscheidet das Bundesamt für Migration.

 

Kreisrat Eberth bittet die Verwaltung, die Übersicht über die aktuellen Asyl-Unterkünfte im Landkreis Würzburg fortzuschreiben und regelmäßig (monatlich) an die Bürgermeister weiterzuleiten.

 

Nachdem keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, fasst Landrat Nuß die in der Fraktionssprecherrunde ausgearbeiteten und in der Debatte angesprochenen Vorschläge zusammen und stellt diese zur Abstimmung.

 

 

 


Beschluss:

 

1.    Der Regierung von Unterfranken wird als Gemeinschaftsunterkunft das ehemalige Schwesterwohnheim an der Main-Klinik Ochsenfurt angeboten. Die Prüfung, ob dieses Objekt als Gemeinschaftsunterkunft als geeignet erscheint, erfolgt durch die Regierung von Unterfranken.

 

Ergebnis:   einstimmig

 

 

2.    Der Regierung von Unterfranken werden für das Aufstellen von Wohncontainern Flächen angeboten, die im Eigentum des Landkreises Würzburg oder des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg stehen.

 

Ergebnis:   einstimmig

 

 

 

3.    Der Regierung von Unterfranken wird für die Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen das Jugendhaus Leinach angeboten.

 

Ergebnis:   Die Entscheidung wird zurückgestellt.

 

 

 

4.    Das Palatium in Ochsenfurt wird als Notunterkunft eingerichtet.

 

Ergebnis:   einstimmig

 


Zur weiteren Veranlassung an ZB, GB 3, KU, ZFB 5,

 

Zur Kenntnis an ZFB 2