Sitzung: 28.08.2015 Kreisausschuss
Beschluss: Mehrfachbeschluss
Landrat Nuß führt zur
Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis Würzburg Folgendes aus:
„Meine sehr geehrten Herren, liebe
Kolleginnen und Kollegen,
es ist das erste Mal in meiner Amtszeit, dass
ich den Kreisausschuss außerordentlich
eingeladen habe. Und es ist das erste Mal, dass ich ein Kreisgremium mit einem Thema befasse, das eigentlich in die
Zuständigkeit des staatlichen
Landratsamtes fällt.
Anlass ist die Flüchtlingsproblematik, deren
Hintergründe und die mittlerweile erreichte Dimension, die ich nicht zu
erläutern brauche. Wir sehen es täglich im Fernsehen, wir hören es stündlich im
Radio und lesen es in der Zeitung.
Seit wann und wie sind wir im Landkreis Würzburg von der Situation
betroffen?
Im Herbst 2012 ist die Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von Unterfranken
in der Veitshöchheimer Straße zum ersten Mal an die Grenzen ihrer
Aufnahmekapazität gestoßen. Seitdem weist die Regierung den Städten und
Landkreisen in Unterfranken Flüchtlinge zu, nach einem strengen Verteilerschlüssel.
Seit November
2012 kümmert sich das Landratsamt, namentlich der Fachbereich 33 mit dem
Leitenden Regierungsdirektor Michael Horlemann an der Spitze, um die
wöchentlichen Zuweisungen und bringt die Flüchtlinge in dezentrale Unterkünfte unter.
Meist sind es Gasthöfe oder Pensionen,
private, gemeindliche oder kirchliche Wohnungsangebote.
Grob unterteilt erfüllt der Landkreis
Würzburg seine Aufgaben
- in kleineren Gemeinschaftsunterkünften,
- in dezentralen
Unterkünften in verschiedenen Gemeinden,
- und mit Notunterkünften im Rahmen des Notfallplans der Regierung von Unterfranken.
Nähere Zahlen und Fakten erfahren Sie später
von Herrn Horlemann.
Zusätzlich
kommen sogenannte Unbegleitete
minderjährige Flüchtlinge.
Jugendliche, zu 90 Prozent sind es junge
Männer, die sich ohne Familie zu uns durchgeschlagen haben.
Für deren Betreuung erwartet der Freistaat
Bayern die Anwendung der Standards
im Jugendhilferechts – wie für
einheimische Jugendliche,
- mit dem vollen sozialpädagogischen Programm,
- bis hin zur Heimunterbringung – ob die Betroffenen das möchten, oder nicht.
Dass dieser abnormale Anstieg der Fallzahlen – es sind mittlerweile einiges über 100 - mit dem vorhandenen Personal
im Jugendamt gar nicht geleistet werden kann, hat staatlicherseits bislang kein großes Kopfzerbrechen bereitet.
Ebenso wurde dem staatlichen Landratsamt für die Betreuung der dezentral untergebrachten Flüchtlinge und ihrer
Familien von der Regierung von Unterfranken bis heute keine einzige zusätzliche Stelle zugewiesen.
Das hat zur Folge, dass wir uns bei der
Beratung des Stellenplans im Haushalt 2016
über weitere Stellen unterhalten müssen, die vollständig und allein aus Kreismitteln zu bezahlen sind.
Die eine Milliarde Euro, die der Bund den Kommunen mehr geben will, ist gut gemeint, ja. Es ist, wie wenn ich meinem
Kind auf Kiliani ein Lebkuchenherz
schenke.
Es wird nicht viel davon übrig bleiben.
- Was wir wirklich und dringend brauchen,
ist Personal!
Personal, Personal und nochmals Personal.
- Was wir brauchen, ist gutes und für diese Zwecke gut
ausgebildetes Personal.
Und dieses Personal müssen uns diejenigen stellen, deren Aufgaben wir
wahrnehmen: Bund und Land.
Durch den herausragenden und mittlerweile an
die Grenzen der Belastbarkeit gehenden Einsatz unserer Mitarbeiter im
Fachbereich 33 und im Jugendamt, beides
in Verantwortung von Herrn Horlemann, wurden die Vorgaben der Regierung bislang
tadellos erfüllt, obwohl von dort
die Bedingungen – notgedrungen aber doch einseitig - immer härter formuliert wurden.
Ursprünglich war das Landratsamt für Unterkünfte von bis zu 30 Personen zuständig, darüber hinaus die Regierung. Dann wurde diese Grenze auf 50 Personen angehoben und liegt heute bei 80 Personen - Tendenz steigend.
Des Weiteren weist uns die Regierung derzeit wöchentlich 38 Asylbewerber zu,
ohne Rücksicht auf die Chancen einer tatsächlichen Unterbringung innerhalb des
Landkreises.
Wenn wir die Menschen nicht sofort
unterbringen können, ergibt sich daraus ein rechnerisches Defizit, in das hinein die Regierung sofort neue
Flüchtlinge zuweist. Ein Teufelskreis.
Über ihre Pflicht zur dezentralen
Unterbringung hinaus wurden die Landkreise mit Schreiben vom 20. Oktober 2014
veranlasst, für den bevorstehenden Winter 2014/15 einen Notfallplan zu erstellen, der im Wesentlichen folgende
Anforderungen umfasst hat:
- Die Bereitstellung von winterfesten Quartieren für 200 – 300 Personen
- für eine Verweildauer von 5-6 Wochen,
Wichtiger Hinweis dabei:
- Durch die Bereitstellung der Quartiere
dürfen dem Staat keine Kosten
entstehen - soll aber aus dem Stand heraus funktionieren.
- Auch für einen „stand by“ - von einem
Notfalleinsatz zum nächsten - übernimmt der Staat keine Kosten.
Wir haben auch diese Vorgaben erfüllt.
Herzstück waren dabei die im letzten Winter freien Unterkünfte für
Saisonarbeiter einiger landwirtschaftlicher Betriebe in Bergtheim und
Unterpleichfeld.
Mit Schreiben vom 15. Juli dieses Jahres
wurde uns mitgeteilt,
- dass aufgrund des dramatischen Anstiegs
der Flüchtlingszahlen aus dem Winternotfallplan
nun ein Sommernotfallplan wird
- und der Landkreis Würzburg als erster von den unterfränkischen
Landkreisen in Anspruch genommen wird.
Es sollte ein rotierendes System sein. Nach uns kommen die anderen Landkreise an
die Reihe – und dann irgendwann auch wieder wir.
Auf die Saisonarbeiterunterkünfte des Winternotfallplans konnten wir nicht
mehr zurückgreifen. Die sind bis zum Herbst belegt.
In dieser kritischen Situation haben uns die
Gemeinden Kirchheim und Rimpar in dankenswerter Weise ihre Turnhallen und die Gemeinde Greußenheim ihr leerstehendes Schulgebäude angeboten, allerdings im festen Vertrauen auf die Einhaltung des
Notfallplans:
- insgesamt 200 Flüchtlinge
- und für maximal sechs Wochen.
Nach einer großartigen Vorarbeit - auch
vieler ehrenamtlicher Kräfte -
konnten die drei Domizile am 29. Juli bezogen werden.
Am Montag, 17. August, teilte uns die
Regierung in einer Mail überraschend mit,
- dass sie keine Asylbewerber aus Rimpar,
Greußenheim und Kirchheim weiter verteilt,
- sondern der Landkreis Würzburg für die anschließende Unterbringung der 200
Menschen zuständig sei.
Ich mache den Beamten bei der Regierung
keinen Vorwurf, die haben auch ihre Zwänge, aber wo soll das Landratsamt
Würzburg innerhalb von drei Wochen über 200 vorschriftsmäßig ausgestattete
dezentrale Unterkünfte her bekommen?
Spätestens an diesem Punkt, und weil sich die
betroffenen Bürgermeister darauf verlassen können müssen, dass ihre Hallen nach
sechs Wochen wieder frei sind,
ist nun eine Dimension erreicht, die politische Entscheidungen der
Kreisgremien erfordert.
Deshalb habe ich zu dieser Sitzung eingeladen – und es wird nur ein
erster Schritt sein, Asyl bleibt ein Dauerthema!
Im vorbereitenden Gespräch der
Fraktionssprecher am vergangenen Dienstag wurde allen Beteiligten schnell klar:
Wir stehen vor einer großen Herausforderung, der sich der Landkreis Würzburg und seine Gemeinden
in gegenseitiger Hilfe stellen müssen.
Wir haben in dieser Runde ohne Denkverbote
eine breite Palette an Möglichkeiten diskutiert, die im Kern
- die Bereitstellung landkreiseigener Liegenschaften beinhaltet,
- über die heute gesprochen, diskutiert
und entschieden werden muss.
Eine Stunde nach diesem Gespräch war manches
schon wieder Geschichte.
Am Nachmittag dieses Dienstags erhielten alle
unterfränkischen Landräte einen Brandbrief
des Herrn Regierungspräsidenten,
- in dem dieser von einem erneuten dramatischen Anstieg des
Zustroms von Asylbewerbern spricht
- und allein für Unterfranken für die
nächste Woche einen Neuzugang von eintausend
Flüchtlingen ankündigt.
Vom Landkreis Würzburg erwartet die Regierung
jetzt konkret, dass wir die eingeforderten Notkapazitäten bis auf weiteres
- über die angekündigten sechs Wochen hinaus betreiben,
- ein Ende wird jetzt gar nicht mehr genannt,
- und dass wir das Kontingent um mindestens weitere 100 auf 300 Plätze aufstocken müssen.
Wir werden uns dieser Forderung sicher nicht
verschließen können, liebe Kolleginnen und Kollegen, aber: jetzt geht´s ans Eingemachte.
In Absprache mit den Fraktionsvorsitzenden
und unter der Voraussetzung, dass Sie dem heute zustimmen, werden wir der
Regierung das ehemalige
Schwesternwohnheim an der Main-Klinik in Ochsenfurt als Gemeinschaftsunterkunft anbieten, um
von unserem rechnerischen Defizit etwas wegzukommen.
Ich gehe davon aus, dass die Regierung von Unterfranken in eigener
Zuständigkeit zusammen mit dem staatlichen Bauamt
prüft, ob diese Liegenschaft für diesen Zweck geeignet ist und erforderlichenfalls Nacharbeiten veranlasst.
Dies wird eine Gemeinschaftsunterkunft werden, die über Jahre belegt
sein wird - das muss uns klar sein - in unmittelbarer Nachbarschaft zur
Main-Klinik. Wir sind bereit, das zu tun.
Des Weiteren können wir Grundstücke, die im Eigentum des Landkreises, bzw. des Kommunalunternehmens
stehen, der Regierung als Standorte für
Container anbieten. Die Errichtung und der Betrieb müssen dann ebenfalls
durch die Regierung erfolgen, weil wir von einer größeren Belegung als 80 Personen ausgehen. Kleinere
Belegungen machen in dieser Situation keinen Sinn mehr.
Wir haben die Regierung von Unterfranken auch auf das Palatium in
Ochsenfurt hingewiesen. Wie Sie wissen, räumen wir das Palatium in absehbarer
Zeit. Die Verwaltung des Landratsamtes Würzburg – Dienststelle Ochsenfurt -
wechselt in das Gebäude des ehemaligen Amtsgerichts in Ochsenfurt. Somit wird
das Palatium frei. Es gehört dem Freistaat Bayern, der auch Aufgabenträger ist.
Wir haben darauf hingewiesen, dass dieses dann belegt werden könnte.
Schweren Herzens – und das betone ich,
meine sehr geehrten Damen und Herren, könnten sich die Fraktionsvorsitzenden
noch eine weitere Liegenschaft des Landkreises vorstellen – und da wird´s dann
schon heftig.
Es geht um das Jugendhaus in Leinach.
Uns allen ist klar, dass dies einen tiefgreifenden Einschnitt in die
bestehende Infrastruktur des Landkreises Würzburg bedeutet.
Wir entziehen damit unseren Kindern unwiederbringlich ein lieb gewonnenes Schullandheim, das für diese Zwecke
fast vollständig das ganze Jahr über ausgebucht
ist.
Das Schullandheim Leinach hat sich in Bayern
zu einem Vorzeigeschullandheim
entwickelt, vor allem durch die bayernweit einmalige Einrichtung eines Theater-
und Medienzentrums.
Unsere Vorgänger, mit den Landräten Dr. Georg Schreier und Waldemar Zorn und der damalige
Bürgermeister von Leinach, Andreas
Oestemer, haben sehr viel Herzblut
und auch viel Geld in dieses Projekt
investiert.
Die Einrichtung des Medienzentrums wurde zu unserer Zeit finanziell unterstützt.
Wenn wir dieses Opfer bringen, meine Damen
und Herren, dann erlaube ich mir schon den Hinweis,
- dass auf dem Gelände der ehemaligen
Kaserne in Giebelstadt Dutzende
Offiziers- und Soldatenunterkünfte der US-Armee in bestem Zustand leer stehen
- und die Regierung noch keinen Ansatz gemacht hat, diese bundeseigenen Gebäude für sich in
Anspruch zu nehmen.
Ich erlaube mir auch darauf hinzuweisen,
dass, wie in einem Rechtsstaats üblich, auch die Unterbringung von
Asylbewerbern gesetzlich geregelt
ist.
Es gibt in Bayern ein Asylbewerberaufnahmegesetz, das in seinem Artikel 4 regelt, dass
„Asylbewerber in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht
werden“.
Diese Gemeinschaftsunterkünfte sind nach
Artikel 4 Absatz 2 „von den Regierungen
entsprechend dem Bedarf zu errichten
und zu betreiben“.
Daraus ergibt sich, dass die Unterbringung
von Asylbewerbern in erster Linie eine staatliche
Aufgabe ist, welche von den Bezirksregierungen
wahrzunehmen ist.
Erst wenn dies nicht mehr möglich ist, kommen die Unteren Verwaltungsbehörden in
Betracht,
- die Landratsämter
- und als deren Hilfeorgane die kreisangehörigen Gemeinden.
Wie ist es bei uns gelaufen?
Ich habe die Asylunterbringung - als Landrat
auch für den staatlichen Bereich - von Anfang an zur Chefsache gemacht und war mit meinen Mitarbeitern am 19. November
2012 in einer Bürgerversammlung in Tückelhausen, wo wir die erste dezentrale Unterbringung
eingerichtet haben.
Aus dieser Bürgerversammlung heraus kam der
Hinweis auf neugebaute Offiziers- und Soldatenheime in Giebelstadt.
Einen Tag später, am 20. November 2012, habe
ich mir die Unterkünfte mit Vertretern der Bundesimmobilienagentur
– der BIMA - angesehen und in der
Tat, dort stehen Gebäude – wenn man das Maximum will – für mehrere hundert Asylbewerber zur Verfügung.
- Alle in einem hervorragenden Zustand und von der US-Armee großzügig
ausgestattet,
- in der Nähe von sehr guten Einkaufsmöglichkeiten.
Schon eine teilweise Nutzung würde die Situation maßgeblich entlasten.
Es müsste für die Beheizung eine Gastherme eingebaut werden, was nach
Aussage der BIMA kein Problem sein dürfte.
Das Gelände ist von der Gemeinde Giebelstadt
als Gewerbefläche überplant.
Über eine - vielleicht auch nur teilweise –
Änderung des Flächennutzungsplans wäre mit der Gemeinde zu verhandeln.
Diese Erkenntnis habe ich unmittelbar der
Regierung von Unterfranken mitgeteilt und hätte eigentlich erwartet, dass die
Regierung – gemäß ihrem gesetzlichen
Auftrag -
- vorrangig ihre eigenen Möglichkeiten ausschöpft
- und eine Gemeinschaftsunterkunft in
Giebelstadt einrichtet und betreibt.
So steht es auch im Gesetz.
Den Worten des Pressesprechers der Regierung
von Unterfranken jüngst in der Zeitung vom 21. August entnehme ich aber, dass
seitens der Regierung in diesen fast drei
Jahren nichts geschehen ist.
Man müsste auch hinterfragen, meine Damen und
Herren,
- wie viele weitere Kasernengebäude unterfrankenweit noch leer stehen,
- oder warum es zugelassen wird, dass
intakte Wohneinheiten ehemaliger Kasernen abgerissen werden,
während man gleichzeitig Landkreise und Gemeinden
mit der Belegung kommunaler Einrichtungen belastet.
Die Unterbringung in Kasernen, wie in Giebelstadt, ist meines Erachtens
menschenwürdiger. Es sind kleinere Einheiten möglich, es gibt sanitäre
Einrichtungen, es gibt ein festes Dach über dem Kopf, es beinhaltet auch mehr
Intimsphäre als in einer Turnhalle, auch die Nachbarschaft ist bei weitem nicht
so gefordert, wie es anderswo der Fall ist. Dies sollte dem Staat der Einbau
einer Heizung wert sein.
Ich kritisiere ungern andere. Jeder kämpft, sucht nach Lösungen, aber
ich sage es Ihnen ganz offen, mir erschließt sich nicht, warum an der
Gemeinschaftsunterkunft in der Veitshöchheimer Straße unter dem Eindruck der
herannahenden kalten Jahreszeit ein Bierzelt aufgestellt wird, während
andererseits im selben Einzugsbereich Gebäude, wie beispielsweise der ehemalige
Praktiker-Markt, leer stehen. Ein Gebäude, beheizbar, trocken, sauber – weshalb
nimmt man das nicht in Anspruch. Aber, dass nur nebenbei.
Meine Damen und Herren, es muss uns klar
sein, dass bei der derzeitigen Flut
an Asylbewerbern
- die dezentrale
Unterbringung von Flüchtlingen
- in kleinen
Einheiten, so wie das bislang von uns gehandhabt wurde,
in Zukunft keine Option mehr darstellen kann.
Die Zahlen sind einfach zu hoch! Die Zahlen
werden steigen!
Selbst wenn sich das Landratsamt Würzburg
immer weiter intensiv um dezentrale
Unterkünfte bemüht, ist heute schon absehbar,
- dass die jetzt zugewiesenen Zahlen von Asylbewerbern niemals auf diese Weise
untergebracht werden können,
- und, dass das Landratsamt zwangsläufig
immer weiter in das allein von
der Regierung willkürlich
gesteuerte Defizit hinein läuft.
Damit ist den Menschen nicht geholfen.
Wenn man den Menschen helfen möchte, dann
dürfen sie nicht einfallslos – ja,
eigentlich sogar herzlos - nach
mathematischen Regeln übers Land verteilt werden,
sondern es müssen die freien Kapazitäten des Freistaats
Bayern und des Bundes durch die Regierung von Unterfranken konsequent genutzt werden.
Darauf müssen wir uns als Landkreis verlassen
können,
- denn sonst fällt es schwer,
liebgewonnene Einrichtungen wie das Jugendhaus
Leinach zu opfern,
- und es fällt auch schwer, zur Erfüllung
des Notfallplans - unter den
jetzt verschärften Bedingungen – auf die Gemeinden zuzugehen, wenn man sich nicht mehr darauf verlassen
kann, wie es in 6 Wochen weitergeht. Die Gemeinden verlassen sich auf uns und sie sollen sich auch auf
uns verlassen können.
Und wir brauchen die Gemeinden! Wir brauchen
weiterhin gemeindliche Hallen oder leerstehende Schul- und Verwaltungsgebäude,
um 300 Menschen in dem geforderten
Zeitrahmen schnell unterzubringen.
Es ist ein solidarischer Kraftakt aller Gemeinden notwendig, nach einem
gewissen Schema rollierend
gemeindliche Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen.
Mir ist bewusst, dass die Notfallunterbringung
in Mehrzweckhallen einen starken
Eingriff in die gemeindliche Infrastruktur bedeutet. Die Hallen werden von
den Schulen genutzt, von den Sportvereinen und für viele kulturelle Zwecke (Theateraufführungen, Fasching, Konzerte).
Wenn man die Akzeptanz in der Bevölkerung nicht gefährden möchte, dann darf man
die gemeindliche Infrastruktur nicht auf Dauer lahmlegen.
- Man darf den Bogen nicht überspannen!
- Man muss auf besondere Eigenheiten in den Gemeinden Rücksicht nehmen,
- flexibel reagieren, deswegen auch ein rollierendes System.
Damit das funktioniert, habe ich eine eigene
Stelle eingerichtet, unter der Federführung von Paul Justice. Er ist derjenige, der sich hier intensiv eingebracht
hat im Aufbau der Notunterkünfte. Auch hat er den kurzen Draht zu den
Ehrenamtlichen - aber wir brauchen dann natürlich auch die Hallen hierzu.
Und, meine Damen und Herren, anders als die
staatlichen Dienststellen setze ich auf Konsens.
Asylbewerberunterbringung ist eine rein staatliche Aufgabe. Dieser Aufgabe habe
ich mich als Chef der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde „Landratsamt“ zu stellen. Ich bin
insoweit Vertreter des Freistaates
Bayern und in die staatliche Hierarchie eingegliedert.
Auf der anderen Seite bin ich aber als gewählter Landrat auch Chef der Gebietskörperschaft Landkreis Würzburg und ein Anhänger der
kommunalen Selbstverwaltung.
Insoweit habe ich größtes Verständnis für die
Sorgen und Nöte der Damen und Herren Bürgermeister und kann deren Probleme bei
der Unterbringung der Asylbewerber sehr gut nachvollziehen.
Mit dieser Doppelfunktion –
staatlich/kommunal - kann ich gut leben und bemühe mich, beiden Teilen gerecht zu werden,
- den Interessen des Freistaats Bayern
- wie auch den berechtigten Interessen der
Gemeinden.
Es ist mir wichtig, dass wir diese große
humanitäre Aufgabe im Konsens lösen,
- ohne Einsatz staatlicher Machtmittel – das Wort Beschlagnahme kommt bei mir
nicht vor – ich halte diese starken Machtmittel auch
- unter Berücksichtigung der kommunalen
Selbstverwaltung für nicht
angebracht
- und ich glaube auch, dass wir dadurch
die Akzeptanz gefährden werden.
Wir leben auf unserer Suche nach Unterkünften
sehr stark von der Akzeptanz in der
Bevölkerung und wir sind in der Betreuung der Flüchtlinge sehr stark auf die
Mithilfe vieler Ehrenamtlicher
angewiesen.
Das alles sind zarte Pflänzlein, die man hegen
und pflegen muss, auf keinen Fall treten. Man darf diesen Pflänzlein nicht all
Zuviel zumuten.
Ich bin nicht so weltfremd wie manche unserer großen Kolleginnen und Kollegen in
Berlin oder München – weitab von jeder Realität.
Ich bin, wie Sie alle, sehr nahe bei den Menschen und ich nehme
schon die Signale aus der Bevölkerung auf,
- die Verunsicherung,
die teilweise herrscht,
- die Ängste
vor dem Unbekannten,
- die Sorge,
was kommt mit dieser unüberschaubaren Situation auf mich und meine Familie
zu?
Diese Gefühle muss man ernst nehmen!
Ich werde im Anschluss an diese Sitzung als
nächsten Schritt den Kreisvorsitzenden des Bayerischen Gemeindetags, unseren
Kollegen, Bürgermeister Thomas Ebert,
bitten,
- mit uns gemeinsam das entsprechende
Netzwerk zu den Gemeinden aufzubauen und
- die Damen und Herren Bürgermeistern
miteinzubinden.
Ich mache das mehr als Landrat des kommunalen Bereiches im Konsens mit
dem Bayerischen Gemeindetag. Vielleicht kann man in dieser Runde auch die
Kirche mit einbinden, die örtlichen Pfarrer. Ich weiß aus Gesprächen und
Publikationen, dass auch die Kirche durchaus bereit ist, sich einzubringen und
noch Möglichkeiten hat.
Wenn jeder
an seinem Platz seine Möglichkeiten einbringt, meine Damen
und Herren,
- der Staat
– vertreten durch die Regierung von Unterfranken,
- das Landratsamt,
- der Landkreis
Würzburg,
- und die Gemeinden,
dann können wir diese Herausforderung
zumindest noch eine kurze Zeit lang
stemmen.
Herr Horlemann wird Ihnen jetzt Zahlen und
Fakten vorstellen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“
Ltd. Regierungsdirektor Horlemann gibt einen Überblick über die aktuellen Asylbewerber-Unterkünfte im Landkreis Würzburg (s. Anlage). Er benennt die Dezentralen Unterkünfte, die Gemeinschaftsunterkünfte, darüber hinaus bestehe ein bereits abgeschlossener Nutzungsvertrag zwischen der Regierung von Unterfranken und einem privaten Unternehmer in Ochsenfurt für die Einrichtung einer Gemeinschaftsunterkunft mit 100 Plätzen. Diese müsse allerdings noch umgebaut werden. Für die Unterbringung der unbegleiteten Minderjährigen benennt er die derzeit aktuellen Einrichtungen in den Gemeinden und Pflegefamilien sowie bei verschiedenen Trägern, wonach derzeit 84 Personen untergebracht sind. Der aktuelle Stand der unterzubringenden unbegleiteten Minderjährigen im Landkreis Würzburg beläuft sich derzeit auf 155 Personen.
Weiterhin spricht Herr Horlemann die derzeitigen Notunterkünfte an. Er teilt mit, dass zum 05.09.2015 die Turnhalle in Kirchheim komplett geräumt werde. Die teilweise noch verbleibenden Asylbewerber werden anschließend in der Schulturnhalle in Margetshöchheim untergebracht. Als weitere Notunterkunft sei das Palatium in Ochsenfurt vorgesehen. Seitens der Immobilienverwaltung Bayern (IMBY) liege bereits die Zustimmung vor, so dass nach einigen Sanierungsarbeiten das Palatium in ca. 6 – 8 Wochen als Notunterkunft zur Verfügung stehen wird.
Herr Horlemann gibt ferner Auskunft über weitere Vertragsprojekte, die als dezentrale Unterkünfte vorgesehen sind.
Debatte:
In der anschließenden Debatte nehmen die Kreisrat Eberth, stellv. Landrat Wolfshörndl, Kreisrätin Celina (MdL), die Kreisräte Fiederling, Stichler, Kuhl und Joßberger Stellung zu den Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber im Landkreis Würzburg.
Wichtig und richtig sei es die Gemeinden mit einzubeziehen. Kreisrat Ebert hält es für den richtigen Ansatz, mit den Kollegen des Bayerischen Gemeindetags Gespräche zu führen. Hier sollte zeitnah ein Gesprächstermin stattfinden.
Man sei sich auch einig, dass die Kirchen einen wichtigen Aspekt darstellen, zumal in den Gemeinden Pfarrhäuser und Pfarrsäle zur Verfügung stehen.
Dem Prüfauftrag, das ehemalige Schwersternwohnheim an der Main-Klinik in Ochsenfurt als Gemeinschaftsunterkunft der Regierung von Unterfranken anzubieten, werde man unterstützen, auch die Nutzung des Palatiums in Ochsenfurt sowie die Nutzung von Grundstücken, die im Eigentum des Landkreises bzw. des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg stehen, der Regierung von Unterfranken als Standorte für Container anzubieten. Was die Erwägung angehe, das Jugendhaus Leinach als weitere Flüchtlingsunterkunft anzubieten, so könne man diese Möglichkeit nur schweren Herzens ins Auge fassen. Man ist sich einig, das Jugendhaus Leinach als letzte Option anzusehen. Daher sollte diese Entscheidung zunächst zurückgestellt und nach einer anderen Lösung gesucht werden.
Stellv. Landrat Wolfshörndl kritisiert das Verhalten der Regierung hinsichtlich der staatlichen Liegenschaften. Er weist in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die Gebäudeabrisse am Hubland hin bzw. auf leerstehende Wohnblöcke, die auch von der Universität nicht genutzt werden. Ebenso seien die vielen kirchlichen Einrichtungen zu erwähnen. Was die Nutzung von Turnhallen angehe, so müsse dies im Konsens erfolgen, auch sei eine gewisse Planungssicherheit notwendig. Es sollte eine gleichmäßige Verteilung auf die Gemeinden erfolgen, soweit dies möglich ist.
Kreisrätin Celina (MdL) unterstützt die Aussage, was die Einbindung der Kirchen angeht. Hier sei noch Potenzial vorhanden. Sie möchte jedoch in diesem Zusammenhang auch ein Lob aussprechen an die Einrichtung der Erlöserschwestern. Diese haben stellvertretend für die Kirche in den letzten Jahren schon viel geleistet.
Sie spricht das Thema Wohncontainer und deren Verfügbarkeit an, um eine bessere Verteilung auf die Gemeinden zu erreichen. Hierzu teilt Herr Horlemann mit, dass die Containerlösung die Zukunft sei. Der Markt an leeren Gebäuden sei mehr oder weniger ausgeschöpft. Daher sei es wichtig, entsprechende Flächen von den Gemeinden angeboten zu bekommen. Aktuell sei man mit zwei Gemeinden im Gespräch.
Kreisrat Fiederling äußert Bedenken was die Nutzung mit größeren Einheiten (80 Personen) angehe. Es solle versucht werden, die Einheiten nicht zu groß werden zu lassen. Die Menschlichkeit müsse im Vordergrund stehen!
Wichtig sei, die Situation vor Ort mit dem jeweiligen Gemeinderat zu besprechen.
Landrat Nuß spricht die Verhältnismäßigkeit zwischen Flüchtlingen und der Ortsbevölkerung an. Diese müsse beachtet werden. Aus diesem Grund habe man in Aub keine zweite Gemeinschaftsunterkunft errichtet.
Allerdings würde man mit kleineren Einheiten (15-20 Personen) auch nicht weiterkommen. Es müsse daher ein gesundes Mittelmaß gefunden werden.
Kreisrat Stichler sieht durchaus Solidarität unter den Bürgermeisterkollegen. Es müssen gemeinsam Lösungen gefunden werden. So könnte er sich beispielsweise vorstellen, dass Gemeinden, die keine Flüchtlinge betreuen müssen, Sportlern aus den Nachbarorten Möglichkeiten zum Trainieren anbieten, deren Halle als Notunterkünfte belegt sind.
Deshalb sei es wichtig, alsbald einen Termin für eine Bürgermeisterarbeitstagung zu finden.
In diesem Zusammenhang bittet er die Rechtsabteilung um Prüfung, inwieweit eine Beschlagnahmung gemeindlicher Einrichtungen rechtlich möglich sei.
Kreisrat Kuhl vertritt die Auffassung, dass alle Liegenschaften zur Diskussion stehen müssen. Auch Überlegungen wie beispielsweise Containerdörfer auf dem Parkplatz am Erlabrunner Badesee oder auf anderen landkreiseigenen Liegenschaften müssen in Erwägung gezogen werden. Das Jugendhaus Leinach erscheint in seinen Augen als idealer Platz für unbegleitete Minderjährige. Gerade diese Personen bedürfen einer besonderen Betreuung.
Ltd. Regierungsdirektor Horlemann teilt hierzu mit, dass alle in Betracht kommenden Organisationen abgefragt wurden, ob sie Möglichkeiten haben, unbegleitete Minderjährige nach den gesetzlichen Vorgaben des SGB VIII zu betreuen. Allen fehle aber derzeit das dafür erforderliche Fachpersonal. Das Landratsamt suche daher auch bereits Pflegeeltern, die unbegleitete Jugendliche aufnehmen könnten.
Landrat Nuß äußert sich, dass der Markt der Sozialpädagogen leer sei und auch die Träger keine Kapazitäten mehr frei haben. Aufgrund fehlender Betreuungspersonen sei es daher wenig sinnvoll, unbegleitete Minderjährige im Jugendhaus Leinach unterzubringen.
Kreisrat Eberth spricht in aller Deutlichkeit die mangelnde Personalsituation an. Man sei gerne bereit zu helfen, jedoch sei irgendwann die Grenze erreicht und alle Kapazitäten ausgeschöpft und man müsse kapitulieren. Es sei schließlich nicht nur mit der Bereitstellung von Räumlichkeiten getan, sondern es müsse auch entsprechendes Betreuungspersonal vorhanden sein. Er bittet Landrat Nuß, diesen Appell an die Regierung entsprechend weitergeben.
Kreisrat Joßberger spricht neben dem Problem der unbegleiteten Minderjährigen ein weiteres Problem an, und zwar seien dies die Familien mit Kindern. Für diese Kinder werden Plätze in den Schulen und Kindergärten gebraucht. Auch hier komme man in den Gemeinden an die Kapazitätsgrenzen. Er halte es daher auch für wichtig, die Asylbewerber flächendeckend im Landkreis zu verteilen, zumal einzelne Kommunen bei der Verteilung der Plätze schnell überfordert seien.
Kreisrätin Celina (MdL) fragt nach, ob rechtlich die Möglichkeit bestehe, unbegleitete Minderjährige, die außerhalb des Landkreises Würzburg Verwandte oder Bekannte haben, in der Nähe ihrer Verwandten und Bekannten bei Pflegefamilien unterzubringen, und zwar unter der Trägerschaft des jeweiligen Landkreises.
Ltd. Regierungsdirektor Horlemann teilt mit, dass grundsätzlich die Möglichkeit besteht, einen Umverteilungsantrag zu den Angehörigen zu stellen. Über diesen Antrag entscheidet das Bundesamt für Migration.
Kreisrat Eberth bittet die Verwaltung, die Übersicht über die aktuellen Asyl-Unterkünfte im Landkreis Würzburg fortzuschreiben und regelmäßig (monatlich) an die Bürgermeister weiterzuleiten.
Nachdem keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, fasst Landrat Nuß die in der Fraktionssprecherrunde ausgearbeiteten und in der Debatte angesprochenen Vorschläge zusammen und stellt diese zur Abstimmung.
Beschluss:
1. Der Regierung von Unterfranken wird als Gemeinschaftsunterkunft das ehemalige Schwesterwohnheim an der Main-Klinik Ochsenfurt angeboten. Die Prüfung, ob dieses Objekt als Gemeinschaftsunterkunft als geeignet erscheint, erfolgt durch die Regierung von Unterfranken.
Ergebnis: einstimmig
2. Der Regierung von Unterfranken werden für das Aufstellen von Wohncontainern Flächen angeboten, die im Eigentum des Landkreises Würzburg oder des Kommunalunternehmens des Landkreises Würzburg stehen.
Ergebnis: einstimmig
3. Der Regierung von Unterfranken wird für die Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen das Jugendhaus Leinach angeboten.
Ergebnis: Die Entscheidung wird zurückgestellt.
4. Das Palatium in Ochsenfurt wird als Notunterkunft eingerichtet.
Ergebnis: einstimmig
Zur weiteren
Veranlassung an ZB, GB 3, KU, ZFB 5,
Zur Kenntnis an ZFB 2