Beschluss: einstimmig beschlossen

Sachverhalt:

 

Über das Geschäftsjahr 2014, des Amtes für Jugend und Familie, berichtet Herr Fachbereichsleiter Hermann Gabel, mittels Auszügen aus dem vorliegenden Geschäftsbericht. Es werden Schwerpunkte der Arbeit und Hilfeentwicklungen im abgelaufenen Geschäftsjahr und in Bezug auf die vorangegangenen Geschäftsjahre vorgetragen.

 

Debatte:

 

Frau stellvertretende Landrätin Haupt-Kreutzer erteilt Herrn Sozialrat Hermann Gabel als Fachbereichsleiter des Amtes für Jugend und Familie das Wort zur Vorstellung des Geschäftsberichtes 2014 des FB 31a.

 

Herr Gabel informiert zu Beginn, dass hier auch Datenmaterial aus dem FB 31b enthalten ist und der Leiter des Fachbereichs Verwaltung der Jugendhilfe, Herr Holger Schimanski, im TOP 2 auf die Bereiche „teilstationäre und stationäre Hilfen“ u. a. unter Zuhilfenahme der jeweiligen Passage im Geschäftsbericht 2014, eingehen wird.

 

Die Ausschussmitglieder wurden gebeten, anhand der auf den Plätzen vorliegenden Printvorlage mitzublättern; die jeweiligen Inhalte werden auch auf der Medienwand gezeigt.

 

Es werden wieder nur ausgesuchte Schwerpunkte vorgetragen; die Gesamtausgabe steht auf der Homepage des Jugendamtes unter www.kreisjugendamt-wuerzburg.de unter „Aktuelles“ jederfrau und jedermann zur Verfügung.

 

Zu den Schwerpunkten wurde von Herrn Gabel ausgeführt:

 

·         Seite 6, Abschnitt II, 1b, Einzelfallbezogene Jugendsozialarbeit

 

Das langjährig von der Agentur für Arbeit, den Jugendämtern in der Region II, und dem Träger Kolping Mainfranken angebotene Projekt „KIMBAJU“ zur arbeitsweltbezogenen Integration von verhaltensauffälligen Jugendlichen musste wegen zu geringem Bedarf und mangelnder Fallzahlen zum 31.07.2014 eingestellt werden.

 

·         Seite 8, Umgangsbegleitungen nach § 18 (3) SGB VIII

 

Die Fallzahlen sind hier seit 2011 kontinuierlich steigend. Diese Entwicklung geht einher mit den vom ASD und den jeweiligen Beratungsstellen durchgeführten gestiegenen (hoch-)strittigen Fällen von Trennungs- und Scheidungsberatungen!

 

Seit 01.10.2014 führt das Amt für Jugend und Familie die Umgangsbegleitungen weitestgehend selbst durch.

 

·         Seite 9, Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder gem. § 19 SGB VIII

 

Die Fallzahlen im Mittel der letzten Jahre schwanken zwischen 0 und 6 Fällen pro Jahr. Dies ist jedoch bei einer Langzeitbetrachtung, die ab dem Geschäftsbericht 2015 eingeführt wird (Tabelle ab 2011), nichts Ungewöhnliches im Vergleich zu zurückliegenden Jahrzehnten!

 

·         Seite 10, Kindertagesbetreuung im Landkreis Würzburg

 

Die Anzahl der Kindertageseinrichtungen in den Gemeinden, Märkten und Städten des Landkreises Würzburg beläuft sich derzeit auf 114. Die Ausstattung ist hervorragend. Die Quote für die Plätze von Kindern unter drei Jahren betrug zum 31.12.2014 44,4 %! Bei der Qualitätssicherung und -begleitung der Fachkräfte hat unser Jugendamt einen Schwerpunkt gesetzt und bietet diverse Fortbildungen zur Kleinkindpädagogik an. Im Rahmen einer Kooperation mit der Ressourcenwerkstatt Bamberg werden seit 2012 Weiterbildungsqualifizierungen zur „Fachpädagogin für frühe Pädagogik“ organisiert.

 

Auch im Bereich der Qualifizierten Tagespflege (Seite 16) wurden wieder 17 Tagesmütter aus Stadt und Landkreis in Kooperation mit den Paritätischen in 100 Unterrichtseinheiten qualifiziert.

 

Im Jahr 2014 haben 37 Tagesmütter die qualifizierte Tagespflege (QTP) für 104 Kinder angeboten. Es standen 128 Plätze in der QTP zur Verfügung!

 

Die Tätigkeit in der Kindertagespflege ist durch die aktuelle Entgelterhöhung attraktiver geworden!

 

Die aktuelle Fallzahlenentwicklung für diesen Bereich befindet sich auf den Seiten 17 - 19 des Geschäftsberichtes

 

·         Seiten 20 - 22, Hilfen zur Erziehung - ambulant -

 

Bei den Fallzahlenentwicklungen gibt es lediglich diskrete Anstiege. Die gute, breite und flexible Hilfelandschaft in diesem Bereich und der Ausbau in den vergangenen Jahren zahlen sich aktuell aus!

 

·         Seiten 30 - 32, Schutzauftrag (§ 8a SGB VIII) und Inobhutnahmen (§ 42 SGB VIII)

 

Im Jahr 2014 mussten 18 Minderjährige durch das hiesige Jugendamt in Obhut genommen werden. (Für die Inobhutnahme gilt der tatsächliche Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Inobhutnahme nach § 87 SGB VIII.)

 

Das Jugendamt greift während der Inobhutnahme faktisch in die elterliche Sorge ein und nimmt Minderjährige bei geeigneten Personen, in Bereitschaftsfamilien, in Jugendschutzstellen, oder Einrichtungen in Obhut. Dies geschieht ggf. unter Inanspruchnahme der örtlichen Polizeiinspektionen Ochsenfurt und Würzburg-Land im Rahmen der Amtshilfe nach Polizeiaufgabengesetz (PAG) und den Bestimmungen des § 8a SGB VIII. Stimmen die Sorgeberechtigen der Inobhutnahme nicht zu, ist unverzüglich das Familiengericht zu unterrichten. Die Inobhutnahme durch das Jugendamt dauert dann bis zu einer familiengerichtlichen Entscheidung an.

 

Bei den 60 Meldungen in 2014 von gewichtigen Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII) kamen diese zu 32 % von Fachkräften, jeweils zu 17 % aus der eigenen Familie bzw. von Bekannten, zu 13 % von couragierten Nachbarn und zu 8 % von den Polizeidienststellen. 10 % der Meldungen wurden anonym erstattet. Die differenzierten Folgen der Meldungen erläuterte Herr Gabel anhand der Grafiken und Tabellen auf Seite 31 und 32.

 

Beratungen von Institutionen und Berufsgeheimnisträgern wurden in insgesamt 21 Fällen vom ASD und KoKi gem. § 8b SGB VIII durchgeführt.

(zur KoKi siehe Seite 33 - 34)

 

Bei der KoKi ist noch erwähnenswert, dass die 1,5 Stellen durch interne Personalwechsel und dem Umzug einer Kollegin zum 01.01.2015 bzw. 01.05.2015 mit zunächst zwei erfahrenen Halbtagskräften aus eigenem Personalbestand neu zu besetzen war/ist.

 

Den Bereich Frühe Hilfen in Anlehnung an § 16 SGB VIII konnten wir gemeinsam mit freien Trägern weiter ausbauen und fortentwickeln. Dazu gehören auch die Festanstellung einer Kinderkrankenschwester mit 0,5 VZÄ bei einem freien Träger und die Verdichtung im Bereich der ehrenamtlichen Familienpaten.

 

An dieser Stelle unterbrach Herr Gabel seinen Vortrag für Fragen und Statements. Es wurden von verschiedenen Ausschussmitgliedern Verständnisfragen gestellt und durch die Fachverwaltung aufgeklärt.

 

·         Seite 36, Jugendhilfe im Strafverfahren (JuHiS)

 

Die Fallzahlen im Bereich der JuHiS sind parallel zur demografischen Entwicklung in den strafmündigen Altersgruppen rückläufig. (Die Personalausstattung von 1,5 Vollzeitäquivalenten wurde gem. PeB-Berechnung auf 1,25 VZÄ zurückgenommen)

 

Gezählt wurden in der Fallstatistik lediglich Meldungen über eine Straftat. Eine differenzierte Darstellung bzw. Einschätzung der Jugendkriminalität im Kreisgebiet lässt sich derzeit - auch in Bezug auf die 52 Sozialräume - nur über die prozentuale Darstellung im zweijährig erscheinenden Familienatlas ersehen. (Ausgabe 2014 erscheint im Herbst 2015 und wird dann vom Jugendhilfeplaner in der 3. oder 4. Jugendhilfeausschuss-Sitzung 2015 vorgestellt.)

 

Die Befragung der beiden Fachkräfte in der JuHiS ergab keine besorgniserregenden Tendenzen. Feststellbar sind eine Steigerung der Qualität bei Körperverletzungen und ein leichter Anstieg bei Verstößen gegen das BtMG.

 

·         Seite 37, Kommunale Jugendarbeit (§§ 11, 12, 14 SGB VIII

 

Negativ hervorzuheben ist die Einstellung der Gästepässe in Stadt und Landkreis Würzburg durch die WVV.

 

Im Bereich des präventiven Jugendschutzes und der Suchtprävention konnte zum 01.01.2015 - nach 10 Jahren Honorarkraftbesetzung - die halbe Stelle durch Besetzung aus eigenem Personalbestand durch eine professionelle hauptamtliche Fachkraft erfolgen. Die Stelle wird staatlich bezuschusst!

 

·         Seite 40 - 42 unbegleitete Minderjährige (uM)

 

Herr Gabel verweist auf seinen letzten Vortrag zu diesem Thema im Jugendhilfeausschuss und führt ergänzend aus, dass nicht die „eigenen Fälle“ (Inobhutnahme nach Aufgriff durch die Bundespolizei im Kreisgebiet: 6 (1 w/5 m)) im letzten Jahr die Herausforderung war, vielmehr ist die Zuweisung, die durch den Bayerischen Ministerrat im September 2014 angeordnet wurde; neue Zuweisungsquote für 2015: 49 Fälle. Diese sind von uns unterzubringen!

 

Ø  Hauptsächliche Nationalitäten: Afghanistan, Ägypten, Eritrea, Nigeria, Somalia, Syrien

Ø  Geschlechterverteilung: 96 % männliche uM, 4 % weibliche uM

Ø  Unterschiedliche Fluchtgründe:

-  wirtschaftliche Verhältnisse im Heimatland entfliehen

-  Bürgerkriegssituation/unmittelbare Lebensgefahr

-  politische und ethnische Verfolgung

-  Desertation vom Wehrdienst

Ø  Unterschiedliche Fluchtrouten und -zeiten:

-  Landwege über Balkan/Osteuropa

-  Wasserwege über Mittelmeer

Ø  Unterschiedliche Bildungsniveaus:

von Analphabetismus bis hohes Bildungsniveau

Ø  Unterschiedliche körperliche und seelische Beeinträchtigungen im Heimatland, auf der Flucht, in ein einem europäischen Erstland:

Unter Beschuss, körperlich verletzt, gefoltert, mitanschauen müssen wie nahe Angehörige enthauptet werden, selbst sexuell missbraucht, vergewaltigt, ausgeraubt und ausgenutzt

Ø  Unterschiedliche physische und psychische Folgen:

-       Alkohol, Drogen, Aggressivität Versus, Langeweile, Faulheit, Verweigerung,

überzogene Anspruchshaltung.

Ø  Unterschiedliche Mentalitäten und Rivalitäten von gutmütig, aufgeschlossen, versus kritisch, ablehnend, Männlichkeitsbetont.

Rivalitäten unterschiedlicher Nationen, Stämme oder Clans spiegeln sich auch hier im Zusammenleben in den WG’s.

Ø  Unterschiedliche Mitwirkungsniveaus von hochmotivierten, realistischen jungen Menschen bis hin zu fordernden, absolut unrealistischen Vorstellungen.

 

Die Jahreszahlen aus dem Geschäftsbericht 2014 wurden durch kürzliche amtliche Mitteilung noch einmal aktualisiert auf 4.465 uM in 2014 in Bayern.

 

Schlaglicht Syrien (größte Gruppe der uM)

 

Ø  Seit 4 Jahren brutalster Bürgerkrieg

Ø  ursprünglich 22,85 Mio. Einwohner, unterschiedliche Siedlungsdichte

Ø  Bilanz des Krieges: 200.000 Tote, davon 10.000 Kinder

Ø  ca. 2 Mio. syrische Minderjährige (mit oder ohne Begleitung von Sorgeberechtigten) auf der Flucht oder traumatisiert, 50.000 Lehrerinnen und Lehrer getötet oder geflohen

 

Es ist nicht verwunderlich, dass unsere hier untergebrachten uMs noch immer ständig im „Fluchtmodus“ sind Schlafen mit Kleidern, Rucksäcke gepackt und griffbereit, Nachts mit angeschalteten Licht schlafen.

 

Anforderungen an MitarbeiterInnen in der öffentlichen und freien Jugendhilfe:

 

Ø  Verstehen lernen - interkulturelle Kompetenzen

Ø  Empathische Persönlichkeiten

Ø  Gleichzeitig aber auch klares pädagogisches Auftreten

 

Anforderungen an die neu aufgebaute und auszubauende Jugendhilfestrukturen, aber auch Schul-, Ausbildungs- und Freizeitstrukturen.

 

Ø Verselbständigungseinheiten im Stil des Betreuten Wohnens zu Zweit.

Ø (interkulturell) kompetente Pflegefamilien.

Ø Verlässliche und bedarfsgerechte Schulangebote.

Ø Praktikumsplätze und Ausbildungsperspektiven.

 

Zum Dezember 2014 lebten 65.000 junge Flüchtlinge bis 27 Jahren in Deutschland. In Bayern 4.465 unbegleitete Minderjährige zwischen 6 und 21 Jahren und 16.366 begleitete Minderjährige. Davon sind 7.066 zwischen 18 und 21 Jahre alt. Auch diese Zielgruppe rückt zunehmend in den Focus der Jugendhilfe (§ 8a-Meldungen, unangemessenes Erziehungsverhalten, Trennung der Eltern, Verhaltensauffälligkeiten und Traumatisierungen der Kinder).

 

Vorschlag:

Gründung und Einsetzung eines KoK „Perspektiven für junge Flüchtlinge“, in dem auch begleitete minderjährige Flüchtlinge und deren Familien thematisch miteinbezogen werden können (siehe Beschlussvorlage).

 

Über das Thema uM, das nicht als Problem, sondern als herausfordernde Aufgabe verstanden werden sollte, wird die Fachverwaltung immer wieder mal im Jugendhilfeausschuss berichten.

 

Herr Gabel wörtlich:

„Die Jugendhilfe muss auch aufpassen, dass nicht nur das momentane Schwerpunktthema uM „bedient“ wird, sondern die anderen Aufgabenbereiche und Themen nicht aus den Augen verloren werden.“

 

Es folgten mehrere Rückfragen aus dem Ausschuss und Ergänzungen durch den FBL 31b, Herrn Schimanski, zu diesem Thema.

 

Herr Schrappe bat darum, die in der Sitzung vorgelegte Beschlussvorlage hinsichtlich der dort namentlich erwähnten Auflistung der Kooperationskreise und Arbeitsgemeinschaften nicht einzubeziehen. Herr Gabel wollte mit dem Hinweis informieren, was denn genau ein Kooperationskreis (KOK) bedeutet und dass es im Landkreis Würzburg bereits vom Jugendhilfeausschuss eingerichtete KOKs gibt (z. B. zu den Themen „Kinderschutz“, „Jugendamt-Schule“ und „Jugendsozialarbeit an Schulen“).

 

Eine aktualisierte und nochmals prägnanter formulierte Beschlussvorlage wurde daraufhin von Herrn Gabel in seiner Eigenschaft als beratendes Mitglied (nach vorheriger Besprechung mit Landrat Nuß und der Vorsitzenden des Unterausschusses Jugendhilfeplanung, Frau Schäfer) verändert eingebracht.

 

Hinsichtlich der „neuen“ Zielgruppe in der Jugendhilfe und der neuen Aufgabenstellungen für junge Flüchtlinge ist eine besondere Art der interdisziplinären Vernetzung notwendig. Für den Bereich der Aufnahme, Betreuung, Begleitung, Erziehung, Unterstützung, Beschulung, Verselbständigung, Integration in Arbeitswelt und Gesellschaft in den 52 Sozialräumen soll demnach ein (neuer) Kooperationskreis „Perspektiven für junge Flüchtlinge“ (KOK Junge Flüchtlinge) unter Beteiligung verschiedener Fachdisziplinen eingerichtet werden, um die Themen und Aufgaben gezielt zu bündeln und Handlungsstrategien zur Integration der Zielgruppe zu entwickeln.


Beschluss:

 

Die Fachverwaltung 31a wird unter Beteiligung des FB 31b beauftragt, einen neuen Kooperationskreis „Perspektiven für junge Flüchtlinge“ (kurz: „KoK Junge Flüchtlinge“) in einem arbeitsfähigen Umfang einzurichten und dem Jugendhilfeausschuss über den Fortgang der Arbeit zu informieren.