Sitzung: 20.03.2015 Jugendhilfeausschuss
Beschluss: einstimmig beschlossen
Sachverhalt:
Über das Geschäftsjahr 2014, des Amtes für Jugend und Familie, berichtet Herr Fachbereichsleiter Hermann Gabel, mittels Auszügen aus dem vorliegenden Geschäftsbericht. Es werden Schwerpunkte der Arbeit und Hilfeentwicklungen im abgelaufenen Geschäftsjahr und in Bezug auf die vorangegangenen Geschäftsjahre vorgetragen.
Debatte:
Frau stellvertretende Landrätin
Haupt-Kreutzer erteilt Herrn Sozialrat Hermann Gabel als Fachbereichsleiter des
Amtes für Jugend und Familie das Wort zur Vorstellung des Geschäftsberichtes
2014 des FB 31a.
Herr Gabel informiert zu Beginn, dass hier
auch Datenmaterial aus dem FB 31b enthalten ist und der Leiter des Fachbereichs
Verwaltung der Jugendhilfe, Herr Holger Schimanski, im TOP 2 auf die Bereiche
„teilstationäre und stationäre Hilfen“ u. a. unter Zuhilfenahme der jeweiligen
Passage im Geschäftsbericht 2014, eingehen wird.
Die Ausschussmitglieder wurden gebeten,
anhand der auf den Plätzen vorliegenden Printvorlage mitzublättern; die
jeweiligen Inhalte werden auch auf der Medienwand gezeigt.
Es werden wieder nur ausgesuchte
Schwerpunkte vorgetragen; die Gesamtausgabe steht auf der Homepage des
Jugendamtes unter www.kreisjugendamt-wuerzburg.de unter „Aktuelles“ jederfrau
und jedermann zur Verfügung.
Zu den Schwerpunkten wurde von Herrn Gabel
ausgeführt:
·
Seite 6, Abschnitt II, 1b, Einzelfallbezogene
Jugendsozialarbeit
Das langjährig von der Agentur für Arbeit, den Jugendämtern in der
Region II, und dem Träger Kolping Mainfranken angebotene Projekt „KIMBAJU“ zur
arbeitsweltbezogenen Integration von verhaltensauffälligen Jugendlichen musste
wegen zu geringem Bedarf und mangelnder Fallzahlen zum 31.07.2014 eingestellt
werden.
·
Seite 8, Umgangsbegleitungen nach § 18 (3) SGB VIII
Die Fallzahlen sind hier seit 2011 kontinuierlich steigend. Diese
Entwicklung geht einher mit den vom ASD und den jeweiligen Beratungsstellen
durchgeführten gestiegenen (hoch-)strittigen Fällen von Trennungs- und
Scheidungsberatungen!
Seit 01.10.2014 führt das Amt für Jugend und Familie die
Umgangsbegleitungen weitestgehend selbst durch.
·
Seite 9, Wohnformen für Mütter/Väter und Kinder
gem. § 19 SGB VIII
Die Fallzahlen im Mittel der letzten Jahre schwanken zwischen 0 und 6
Fällen pro Jahr. Dies ist jedoch bei einer Langzeitbetrachtung, die ab dem
Geschäftsbericht 2015 eingeführt wird (Tabelle ab 2011), nichts Ungewöhnliches
im Vergleich zu zurückliegenden Jahrzehnten!
·
Seite 10, Kindertagesbetreuung im Landkreis
Würzburg
Die Anzahl der Kindertageseinrichtungen in den Gemeinden, Märkten
und Städten des Landkreises Würzburg beläuft sich derzeit auf 114. Die
Ausstattung ist hervorragend. Die Quote für die Plätze von Kindern unter drei
Jahren betrug zum 31.12.2014 44,4 %! Bei der Qualitätssicherung und -begleitung
der Fachkräfte hat unser Jugendamt einen Schwerpunkt gesetzt und bietet diverse
Fortbildungen zur Kleinkindpädagogik an. Im Rahmen einer Kooperation mit der
Ressourcenwerkstatt Bamberg werden seit 2012 Weiterbildungsqualifizierungen zur
„Fachpädagogin für frühe Pädagogik“ organisiert.
Auch im Bereich der Qualifizierten Tagespflege (Seite 16) wurden
wieder 17 Tagesmütter aus Stadt und Landkreis in Kooperation mit den
Paritätischen in 100 Unterrichtseinheiten qualifiziert.
Im Jahr 2014 haben 37 Tagesmütter die qualifizierte Tagespflege (QTP)
für 104 Kinder angeboten. Es standen 128 Plätze in der QTP zur Verfügung!
Die Tätigkeit in der Kindertagespflege ist durch die aktuelle
Entgelterhöhung attraktiver geworden!
Die aktuelle Fallzahlenentwicklung für diesen Bereich befindet sich auf
den Seiten 17 - 19 des Geschäftsberichtes
·
Seiten 20 - 22, Hilfen zur Erziehung - ambulant -
Bei den Fallzahlenentwicklungen gibt es lediglich diskrete Anstiege. Die
gute, breite und flexible Hilfelandschaft in diesem Bereich und der Ausbau in
den vergangenen Jahren zahlen sich aktuell aus!
·
Seiten 30 - 32, Schutzauftrag (§ 8a SGB VIII) und
Inobhutnahmen (§ 42 SGB VIII)
Im Jahr 2014 mussten 18 Minderjährige durch das hiesige Jugendamt in
Obhut genommen werden. (Für die Inobhutnahme gilt der tatsächliche
Aufenthaltsort zum Zeitpunkt der Inobhutnahme nach § 87 SGB VIII.)
Das Jugendamt greift während der Inobhutnahme faktisch in die elterliche
Sorge ein und nimmt Minderjährige bei geeigneten Personen, in Bereitschaftsfamilien,
in Jugendschutzstellen, oder Einrichtungen in Obhut. Dies geschieht ggf. unter
Inanspruchnahme der örtlichen Polizeiinspektionen Ochsenfurt und Würzburg-Land
im Rahmen der Amtshilfe nach Polizeiaufgabengesetz (PAG) und den Bestimmungen
des § 8a SGB VIII. Stimmen die Sorgeberechtigen der Inobhutnahme nicht zu, ist
unverzüglich das Familiengericht zu unterrichten. Die Inobhutnahme durch das
Jugendamt dauert dann bis zu einer familiengerichtlichen Entscheidung an.
Bei den 60 Meldungen in 2014 von gewichtigen Anhaltspunkten für
eine Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII) kamen diese zu 32 % von Fachkräften,
jeweils zu 17 % aus der eigenen Familie bzw. von Bekannten, zu 13 % von
couragierten Nachbarn und zu 8 % von den Polizeidienststellen. 10 % der
Meldungen wurden anonym erstattet. Die differenzierten Folgen der Meldungen
erläuterte Herr Gabel anhand der Grafiken und Tabellen auf Seite 31 und 32.
Beratungen von Institutionen und Berufsgeheimnisträgern wurden in
insgesamt 21 Fällen vom ASD und KoKi gem. § 8b SGB VIII durchgeführt.
(zur KoKi siehe Seite 33 - 34)
Bei der KoKi ist noch erwähnenswert, dass die 1,5 Stellen durch interne
Personalwechsel und dem Umzug einer Kollegin zum 01.01.2015 bzw. 01.05.2015 mit
zunächst zwei erfahrenen Halbtagskräften aus eigenem Personalbestand neu zu
besetzen war/ist.
Den Bereich Frühe Hilfen in Anlehnung an § 16 SGB VIII konnten wir
gemeinsam mit freien Trägern weiter ausbauen und fortentwickeln. Dazu gehören
auch die Festanstellung einer Kinderkrankenschwester mit 0,5 VZÄ bei einem
freien Träger und die Verdichtung im Bereich der ehrenamtlichen Familienpaten.
An dieser Stelle unterbrach Herr Gabel seinen Vortrag für Fragen und
Statements. Es wurden von verschiedenen Ausschussmitgliedern Verständnisfragen
gestellt und durch die Fachverwaltung aufgeklärt.
·
Seite 36, Jugendhilfe im Strafverfahren (JuHiS)
Die Fallzahlen im Bereich der JuHiS sind parallel zur demografischen
Entwicklung in den strafmündigen Altersgruppen rückläufig. (Die
Personalausstattung von 1,5 Vollzeitäquivalenten wurde gem. PeB-Berechnung auf
1,25 VZÄ zurückgenommen)
Gezählt wurden in der Fallstatistik lediglich Meldungen über eine
Straftat. Eine differenzierte Darstellung bzw. Einschätzung der
Jugendkriminalität im Kreisgebiet lässt sich derzeit - auch in Bezug auf die 52
Sozialräume - nur über die prozentuale Darstellung im zweijährig erscheinenden
Familienatlas ersehen. (Ausgabe 2014 erscheint im Herbst 2015 und wird dann vom
Jugendhilfeplaner in der 3. oder 4. Jugendhilfeausschuss-Sitzung 2015
vorgestellt.)
Die Befragung der beiden Fachkräfte in der JuHiS ergab keine
besorgniserregenden Tendenzen. Feststellbar sind eine Steigerung der Qualität
bei Körperverletzungen und ein leichter Anstieg bei Verstößen gegen das BtMG.
·
Seite 37, Kommunale Jugendarbeit (§§ 11, 12, 14 SGB
VIII
Negativ hervorzuheben ist die Einstellung der Gästepässe in Stadt und
Landkreis Würzburg durch die WVV.
Im Bereich des präventiven Jugendschutzes und der Suchtprävention konnte
zum 01.01.2015 - nach 10 Jahren Honorarkraftbesetzung - die halbe Stelle durch
Besetzung aus eigenem Personalbestand durch eine professionelle hauptamtliche
Fachkraft erfolgen. Die Stelle wird staatlich bezuschusst!
·
Seite 40 - 42 unbegleitete Minderjährige (uM)
Herr Gabel verweist auf seinen letzten Vortrag zu diesem Thema im
Jugendhilfeausschuss und führt ergänzend aus, dass nicht die „eigenen Fälle“
(Inobhutnahme nach Aufgriff durch die Bundespolizei im Kreisgebiet: 6 (1 w/5
m)) im letzten Jahr die Herausforderung war, vielmehr ist die Zuweisung, die
durch den Bayerischen Ministerrat im September 2014 angeordnet wurde; neue
Zuweisungsquote für 2015: 49 Fälle. Diese sind von uns unterzubringen!
Ø Hauptsächliche
Nationalitäten: Afghanistan, Ägypten, Eritrea, Nigeria, Somalia, Syrien
Ø Geschlechterverteilung:
96 % männliche uM, 4 % weibliche uM
Ø Unterschiedliche
Fluchtgründe:
- wirtschaftliche Verhältnisse im
Heimatland entfliehen
-
Bürgerkriegssituation/unmittelbare Lebensgefahr
- politische und ethnische Verfolgung
- Desertation vom Wehrdienst
Ø Unterschiedliche
Fluchtrouten und -zeiten:
- Landwege über Balkan/Osteuropa
- Wasserwege über Mittelmeer
Ø Unterschiedliche
Bildungsniveaus:
von Analphabetismus bis hohes Bildungsniveau
Ø Unterschiedliche
körperliche und seelische Beeinträchtigungen im Heimatland, auf der Flucht, in
ein einem europäischen Erstland:
Unter Beschuss, körperlich verletzt, gefoltert, mitanschauen müssen wie
nahe Angehörige enthauptet werden, selbst sexuell missbraucht, vergewaltigt,
ausgeraubt und ausgenutzt
Ø Unterschiedliche
physische und psychische Folgen:
-
Alkohol, Drogen, Aggressivität Versus, Langeweile,
Faulheit, Verweigerung,
überzogene Anspruchshaltung.
Ø Unterschiedliche
Mentalitäten und Rivalitäten von gutmütig, aufgeschlossen, versus kritisch,
ablehnend, Männlichkeitsbetont.
Rivalitäten unterschiedlicher Nationen, Stämme oder Clans spiegeln sich
auch hier im Zusammenleben in den WG’s.
Ø Unterschiedliche
Mitwirkungsniveaus von hochmotivierten, realistischen jungen Menschen bis hin
zu fordernden, absolut unrealistischen Vorstellungen.
Die Jahreszahlen aus dem Geschäftsbericht 2014 wurden durch kürzliche
amtliche Mitteilung noch einmal aktualisiert auf 4.465 uM in 2014 in Bayern.
Schlaglicht Syrien (größte Gruppe der uM)
Ø Seit 4 Jahren
brutalster Bürgerkrieg
Ø ursprünglich 22,85
Mio. Einwohner, unterschiedliche Siedlungsdichte
Ø Bilanz des
Krieges: 200.000 Tote, davon 10.000 Kinder
Ø ca. 2 Mio.
syrische Minderjährige (mit oder ohne Begleitung von Sorgeberechtigten) auf der
Flucht oder traumatisiert, 50.000 Lehrerinnen und Lehrer getötet oder geflohen
Es ist nicht verwunderlich, dass unsere hier untergebrachten uMs noch
immer ständig im „Fluchtmodus“ sind Schlafen mit Kleidern, Rucksäcke gepackt
und griffbereit, Nachts mit angeschalteten Licht schlafen.
Anforderungen an MitarbeiterInnen in der öffentlichen und freien
Jugendhilfe:
Ø Verstehen lernen -
interkulturelle Kompetenzen
Ø Empathische
Persönlichkeiten
Ø Gleichzeitig aber
auch klares pädagogisches Auftreten
Anforderungen an die neu aufgebaute und auszubauende
Jugendhilfestrukturen, aber auch Schul-, Ausbildungs- und Freizeitstrukturen.
Ø Verselbständigungseinheiten
im Stil des Betreuten Wohnens zu Zweit.
Ø (interkulturell)
kompetente Pflegefamilien.
Ø Verlässliche und
bedarfsgerechte Schulangebote.
Ø Praktikumsplätze
und Ausbildungsperspektiven.
Zum Dezember 2014 lebten 65.000 junge Flüchtlinge bis 27 Jahren in
Deutschland. In Bayern 4.465 unbegleitete Minderjährige zwischen 6 und
21 Jahren und 16.366 begleitete Minderjährige. Davon sind 7.066 zwischen
18 und 21 Jahre alt. Auch diese Zielgruppe rückt zunehmend in den Focus der
Jugendhilfe (§ 8a-Meldungen, unangemessenes Erziehungsverhalten, Trennung der
Eltern, Verhaltensauffälligkeiten und Traumatisierungen der Kinder).
Vorschlag:
Gründung und Einsetzung eines KoK „Perspektiven für junge Flüchtlinge“,
in dem auch begleitete minderjährige Flüchtlinge und deren Familien
thematisch miteinbezogen werden können (siehe Beschlussvorlage).
Über das Thema uM, das nicht als Problem, sondern als herausfordernde
Aufgabe verstanden werden sollte, wird die Fachverwaltung immer wieder mal im
Jugendhilfeausschuss berichten.
Herr Gabel wörtlich:
„Die Jugendhilfe muss auch aufpassen, dass nicht nur das momentane
Schwerpunktthema uM „bedient“ wird, sondern die anderen Aufgabenbereiche und
Themen nicht aus den Augen verloren werden.“
Es folgten mehrere Rückfragen aus dem Ausschuss und Ergänzungen durch
den FBL 31b, Herrn Schimanski, zu diesem Thema.
Herr Schrappe bat darum, die in der Sitzung vorgelegte Beschlussvorlage
hinsichtlich der dort namentlich erwähnten Auflistung der Kooperationskreise
und Arbeitsgemeinschaften nicht einzubeziehen. Herr Gabel wollte mit dem
Hinweis informieren, was denn genau ein Kooperationskreis (KOK) bedeutet und
dass es im Landkreis Würzburg bereits vom Jugendhilfeausschuss eingerichtete
KOKs gibt (z. B. zu den Themen „Kinderschutz“, „Jugendamt-Schule“ und
„Jugendsozialarbeit an Schulen“).
Eine aktualisierte und nochmals prägnanter formulierte Beschlussvorlage
wurde daraufhin von Herrn Gabel in seiner Eigenschaft als beratendes Mitglied
(nach vorheriger Besprechung mit Landrat Nuß und der Vorsitzenden des
Unterausschusses Jugendhilfeplanung, Frau Schäfer) verändert eingebracht.
Hinsichtlich der „neuen“ Zielgruppe in der
Jugendhilfe und der neuen Aufgabenstellungen für junge Flüchtlinge ist
eine besondere Art der interdisziplinären Vernetzung notwendig. Für den Bereich
der Aufnahme, Betreuung, Begleitung, Erziehung, Unterstützung, Beschulung,
Verselbständigung, Integration in Arbeitswelt und Gesellschaft in den 52
Sozialräumen soll demnach ein (neuer) Kooperationskreis „Perspektiven für
junge Flüchtlinge“ (KOK Junge Flüchtlinge) unter Beteiligung verschiedener
Fachdisziplinen eingerichtet werden, um die Themen und Aufgaben gezielt zu
bündeln und Handlungsstrategien zur Integration der Zielgruppe zu entwickeln.
Beschluss:
Die Fachverwaltung 31a wird unter
Beteiligung des FB 31b beauftragt, einen neuen Kooperationskreis „Perspektiven
für junge Flüchtlinge“ (kurz: „KoK Junge Flüchtlinge“) in einem arbeitsfähigen
Umfang einzurichten und dem Jugendhilfeausschuss über den Fortgang der Arbeit
zu informieren.