Beschluss: zur Kenntnis genommen

Anlage/n:         Präsentation

 

 

Sachverhalt:

 

Der Behindertenbeauftragte, Ernst Joßberger, berichtet anhand einer Präsentation über seine Arbeit.

 

(Folie 1 Bericht)

 

„Sehr geehrter Herr Landrat,

liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr verehrte Damen und Herren

 

Mein 1. Bericht dieser Sitzungsperiode umfasst den Zeitraum Januar 2020 bis einschließlich Februar 2022. Nachdem ich nach meiner erneuten Beauftragung im Juli 2020 im Kreistag die Aufgaben und Ziele als Behindertenbeauftragter vorgestellt habe, möchte ich heute fünf Schwerpunkte ansprechen, die Ihnen Einblicke in meine praktische Tätigkeit und meine Vorstellungen geben sollen.


Als erstes ein

1.    Kurzrückblick auf einige Aktivitäten

Örtliche Behindertenbeauftragte
Damit die Belange von Menschen mit Behinderung besser in den Gemeinden vertreten werden, habe ich vor den konstituierenden Sitzungen im Mai 2020 Kontakt mit allen Gemeinden aufgenommen mit der Bitte, eine/n örtlichen Behindertenbeauftragten zu installieren.

(Folie 2 Landkreiskarte)

 

Das Ergebnis kann sich sehen lassen: In 36 unserer 52 Landkreiskommunen gibt es mittlerweile gemeindliche AnsprechpartnerInnen. Um diese in ihren Aufgaben zu unterstützen, hatte ich zweimal zu Treffen eingeladen, die allerdings coronabedingt kurzfristig abgesagt werden mussten. So habe ich allen zumindest eine schriftliche Handreichung zukommen lassen und stehe selbstverständlich telefonisch oder auch persönlich mit ihnen in Kontakt. Diese Zusammenkunft in Präsenz wird so bald als nur möglich wieder angeboten.

 

Bundestagswahl 2021 (Folie 3 Bundestagswahl)
Zur Bundestagswahl 2021 habe ich mit schriftlichen Informationen alle Wahlleiter in den Gemeinden auf die grundlegenden Änderungen bei dieser Wahl aufmerksam gemacht und auch Info-Broschüren in leichter Sprache für Betroffene zur Verfügung gestellt. Ein voller Erfolg, weil mit großer Resonanz, war die Inklusive Veranstaltung zur Wahl, die ich mitbeworben und mitbegleitet habe, im Rathaussaal der Stadt Würzburg in Präsenz und zeitgleich digital.

 

Impfzentrum Giebelstadt
Bevor es die Möglichkeit des Impfens gegen Covid-19 in den Arztpraxen gab, gab es -nur- die Angebote in den Impfzentren. (Folie 4/Bild Impfzentrum)
Nach Absprache besuchte meine Kollegin aus der Stadt das Impfzentrum Talavera und ich das Zentrum in Giebelstadt. So konnten wir uns vor Ort überzeugen, dass auch Menschen mit Handicaps gut betreut wurden.

 

Seniorenpolitisches Gesamtkonzept und Workshops Landratsamt
(Folie 5 Fortschreibung)
Zu weiteren Aktivitäten gehörten beispielsweise auch meine Mitarbeit am Seniorenpolitischen Gesamtkonzept, das Mitwirken bei der Sportentwicklungs-planung des Landkreises und die Teilnahme an den vorbereitenden Workshoptagen für die Mitarbeitenden zur Planung des Erweiterungsbaus des Landratsamtes.

 

2.    Netzwerk pflegen und aufbauen (Folie 6 Kontaktpflege)

Um wirksam und erfolgreich die Interessen der Menschen mit Behinderung und deren Familien zu vertreten, ist mir ein breitangelegtes Netzwerk sehr wichtig. Einige Beispiele:
So stehe ich in Kontakt mit dem Büro des Behindertenbeauftragten der Staatsregierung Herrn Kiesel, nehme am Treffen der Behindertenbeauftragten auf Bezirksebene teil und pflege enge Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle der Stadt und natürlich mit dem neuen Behindertenbeauftragten von Würzburg, Herrn Julian Wendel.

Wichtig ist mir ein regelmäßiger Austausch mit den EUTBs, den ergänzenden unabhängigen Beratungsstellen in unserer Region, insbesondere mit der von WüSL und der des Integrationsfachdienstes, die auch Vor-Ort-Beratungsangebote in vier Landkreiskommunen anbieten.
Weil das ZBFS Zentrum Bayern Familie und Soziales mit dem Inklusionsamt für Meschen mit Behinderung besondere Bedeutung hat, haben wir, Frau Schiller, Frau Marschall und ich dort einen Informations- und Austauschbesuch in der Georg-Eydel-Straße abgestattet. Denn, wenn man sich persönlich kennt, lassen sich manche Probleme leichter lösen.
Das gilt ebenfalls für das letzte Beispiel. Ich bin froh, dass ich inzwischen Kontakte zu den entsprechenden Stellen in der Verwaltung des Bezirks Unterfranken aufbauen konnte, um Anliegen von Betroffenen, die sich an mich wenden, möglichst zufriedenstellend und zeitnah erledigen zu können. Dies gilt natürlich auch für weitere Anlaufstellen.

 

3.    Stellungnahmen zu Bauvorhaben

Als 3. Thema dürfen natürlich meine pflichtgemäßen Stellungnahmen nicht außen vor bleiben. Wie in unserer Satzung vorgesehen, gehören zu meinen wesentlichen Aufgaben, die Stellungnahmen zur Barrierefreiheit von Bauvorhaben. Und da war im Berichtszeitraum einiges zu tun. (Folie 7 Stellungnahmen)
Denn in den Gemeinden herrscht rege Bautätigkeit, das wissen Sie ja selbst. Sanierungen, Zwischenlösungen und Neubauten beispielsweise für Kindertages-stätten, Schulen und Rathäuser. Oder auch Maßnahmen im Rahmen der Städtebauförderung, Verkehrskonzepte und anders mehr stehen an.

Als besondere Projekte möchte nur erwähnen das Institut für Bienenkunde und Imkerei an der Landesanstalt Veitshöchheim, unsere Baumaßnahme an der Main-Klinik Ochsenfurt, größere Senioren- und Wohnanlagen oder auch Hotelbauten in einigen Kommunen.

 

Meine Vorgehensweise dabei ist transparent. Bei Neubauten gelten die gesetzlichen Vorgaben und insbesondere die Leitfäden der Obersten Baubehörde und der Bayer. Architektenkammer als Planungsgrundlagen für Barrierefreies Bauen nach der entsprechenden DIN 18040 - 01, 02, 03.
Bei Sanierungen oder Umbauten von Bestandsgebäuden müssen die Gegebenheiten vor Ort im Einzelfall berücksichtigt und praktikable Lösungen gefunden werden. Nicht selten durch Vorgespräche oder auch durch eine Ortseinsichtnahme, am besten vor Einreichen der Eingabepläne. Rückmeldungen belegen, dass sich dieses Vorgehen bewährt hat und es mittlerweile bei den meisten Gemeinden und auch bei den Planungsbüros angekommen ist.

4.    Wichtige Handlungsgelder/Projekte des Landkreises

In unserer Satzung ist in § 5 auch festgelegt: „Die/der Behindertenbeauftragte wird bei allen Aktivitäten des Landkreises beteiligt, welche sich auf Menschen mit Behinderung auswirken.“ Das veranlasst mich, in meinem heutigen Bericht kurz auf drei anstehende Handlungsgelder/Projekte des Landkreises einzugehen.

 

ÖPNV
Als erstes muss ich erneut das „Megathema“ ÖPNV ansprechen. Wie sieht es bei uns mit der angestrebten Barrierefreiheit im Öffentlichen Bereich aus? Jüngst war in der Main Post eine Übersicht der barrierefreien Bushaltestellen der APG in den einzelnen Korridoren zu sehen.
Ich möchte heute eine Gesamtschau über die Situation im Landkreis
über barrierefreie Haltestellen mit folgender Tabelle (Folie 8 Übersicht) geben:

 

Gemeinden

Haltestellen insgesamt

barrierefreie Haltestellen

Gemeinden ohne eine barrierefreie Haltestelle

geplante Haltestellen

keine Planungen

52

714

223

13

15

475


In den 52 Kommunen mit Ortsteilen gibt es insgesamt 714 Haltestellen (Quelle APG). Davon sind 223 barrierefrei ausgebaut, für weitere 15 läuft die Planung (in der Summe ca. ein Drittel). Für den größten Teil, nämlich für 475 ist kein Ausbau angedacht. Natürlich lassen sich aus den verschiedensten Gründen nicht alle Haltestellen barrierefrei umgestalten.
(Folie 9/ Bild Bus)

Aber dass es im Landkreis noch 13 Gemeinden gibt, die noch nicht einmal eine einzige barrierefreie Bushaltestelle haben, stimmt doch sehr nachdenklich! Ich muss erneut daran erinnern: Was haben Menschen mit Handicaps, oder auch Ältere und Familien mit Kinderwägen davon, wenn Ausbau und Vertaktung verbessert werden, wenn sie aber im Wohnort oder zum Teil auch in Würzburg nicht mal ein- und aussteigen können?!

 

Sanierung/Neubau der Förderschulen (Folie10 Rupert-Egenberger-Schule)

Zu den geplanten großen Investitionen gehören Sanierung bzw. Neubau der Förderschulen. Im Zusammenhang mit Inklusion und Schulen gibt es nicht wenige, die eine Abschaffung der Förderschulen fordern. Ich habe dazu eine differenzierte Einstellung. Inklusion und Förderung behinderter Kinder und Jugendlicher sollte meiner Meinung nach an verschiedenen Lernorten möglich sein.

 

Klar, an der Regelschule. Dazu müssen aber dann unbedingt die notwendigen räumlichen Voraussetzungen geschaffen und das entsprechend ausgebildete und notwendige Lehrpersonal vorhanden sein.
Oder an entsprechend ausgestatteten Förderschulen zur bestmöglichen individuellen Förderung. Deswegen halte ich es als Behindertenbeauftragter des Landkreises für notwendig und für gut, dass wir für die Kinder diese Förder- und Lernorte erhalten bzw. ausbauen werden.
Damit ermöglichen wir auch den Eltern eine Wahl- und Entscheidungsfreiheit zur gewünschten Beschulung ihrer Kinder. Dass wir hierbei allerdings akuten Handlungsbedarf haben, ist selbstredend!

 

Anbau/Neubau des Landratsamtes (Folie 11 / Bild)
Wenn wir uns heute mit Anbau/Neubau des Landratsamtes beschäftigen, dann gilt mein Augenmerk einer Gesamtschau dieses Vorhabens. Mit dem Neubau allein ist es nicht getan, auch der Altbau muss ertüchtigt werden. Zur Verbesserung gehören neben der Barrierefreiheit u.a. auch ein erkennbares Leitsystem; auch müssen die Belange von Schwerhörigen und Gehörlosen stärker berücksichtigt werden.

Für das Amt der Zukunft gilt als Ziel, möglichst auch digitale Barrierefreiheit anzustreben. Und für Menschen mit kognitiven Einschränkungen müssten künftig Informationen verständlicher und in leichter Sprache erfolgen. So leisten wir als Behörde und Dienstleister einen Beitrag zur Inklusion von Menschen mit und ohne Behinderung.

 

5.    UN-Behindertenrechtskonvention – Perspektivenwechsel und Neues Verständnis (Folie 12 / Bild 2009 UN)

 

Nach den angesprochenen Themen komme zu meinem letzten Punkt. Ich erinnere an die UN-Behindertenrechtskonvention, die 2009 in Deutschland in Kraft getreten ist. Deutschland hat sich damit verpflichtet, Selbstbestimmung, gleichberechtigte Teilhabe, Partizipation und Inklusion in allen Lebensbereichen in den Blick zu nehmen.

Auf die Frage: Was ist „Behinderung“? sind die Definitionen unterschiedlich.
(Folie 13 / Bild Perspektivenwechsel) Diese Darstellung will es augenfällig machen.

Behindert ist man nicht, behindert wird man.“ Dieser Satz, diese Beschreibung der Behindertenbewegung sagt einen Perspektivenwechsel an. Er will Augen öffnen und Bereitschaft zur Veränderung einfordern. Menschen mit Behinderung fühlen sich vor allem dadurch „behindert“, dass sie nicht uneingeschränkt und gleichberechtigt teilhaben können. Behinderung wird nicht mehr als individuelles Problem, als körperliches Defizit verstanden, sondern als ein Umstand, der vor allem aufgrund von Umfeldbarrieren entsteht. Es geht nicht mehr um die Defizite des einzelnen.

(Folie 14 / Bild Sport) Dieses soziale Modell nimmt die Lebensbedingungen in den Blick. Die Verantwortung, Zugänge zu schaffen, liegt damit bei der Gesellschaft. Nicht der einzelne behinderte Mensch muss sich z.B. einer Institution anpassen, was er oftmals gar nicht kann, sondern die Einrichtung/Körperschaft muss die Bedingungen schaffen.

Und damit sind wir, liebe Kollegen und Kolleginnen auch bei uns im Landkreis und in den Gemeinden. Menschen mit Behinderung sind keine Bittsteller, die an die Tür von Behörden klopfen müssen. Mit dem Grundgesetz, Art. 3 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“, haben sie einen Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe.

Um weitere Verbesserungen zu erreichen, sollten wir deshalb ernsthaft darüber nachdenken, für den Landkreis zusammen mit den Gemeinden einen Aktionsplan Inklusion zu erstellen.

(Folie 15 Zitat)

Zum Abschluss meines Berichtes möchte ich erneut den früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker zitieren:

Nicht behindert zu sein ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann.

Richard von Weizsäcker

 

Ich bedanke mich bei allen, die sich in ihrem Verantwortungsbereich für die Belange für Menschen mit Behinderung einsetzen und auch bei denen, die mich bei meiner Arbeit als Behindertenbeauftragter des Landkreises unterstützen.“

(Folie 16 „Danke“)

 

 

 

 

Debatte:

 

Kreisrat Labeille weist darauf hin, dass laut Rechtslage zum 01.01.2022 der ÖPNV barrierefrei sein müsse. In diesem Zusammenhang habe er feststellen müssen, dass manche Haltestellen zwar barrierefrei seien, die Zuwegung zur Haltestelle jedoch nicht barrierefrei sei. Als Beispiel nennt er die Haltestelle an der Staustufe Goßmannsdorf. Er fragt nach, wie viele barrierefreie Haltestellen auch barrierefrei zugänglich seien.

 

Behindertenbeauftragter Joßberger äußert sich, dass er die Frage als ehrenamtlich tätiger Behindertenbeauftragter nicht beantworten könne. Deshalb sei es auch so wichtig, dass es in den Kommunen und Gemeinden örtliche Behindertenbeauftragte gebe, die solche Situationen vor Ort besser kennen und auf die Probleme aufmerksam machen können, um mit den Bürgermeistern und der Verwaltung vor Ort eine Lösung zu finden. Wichtig wäre in diesem Zusammenhang auch, solche Themen immer wieder bei den Dienstbesprechungen mit den Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen anzusprechen.

 

 

 

 

 

 

 


Zur weiteren Veranlassung an Behindertenbeauftragten – Herrn Joßberger

 

Zur Kenntnis an