Beschluss: einstimmig beschlossen

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Sachverhalt:

 

Gesund essen, täglich duschen, ausreichend schlafen- all dies ist nur schwer möglich, wenn man keine Behausung mit Bett, Dusche und Küche hat. Hinzu kommt, dass wegen fehlender finanzieller Mittel wohnungslose Menschen, von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen sowie Bedürftigen oftmals nicht krankenversichert sind.

 

Diesem Problem schafft die Christophorus Gesellschaft seit 01.07.2020 Abhilfe, indem wohnungslosen Menschen, von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen sowie Bedürftigen von Stadt und Landkreis Würzburg in der Wärmestube hinter dem Mainfrankentheater in der Rüdigerstraße 2, 97070 Würzburg, eine umfassende sozialpädagogische Begleitung im Bereich der medizinischen Grundversorgung angeboten wird.

Zudem führt eine Unterstützung in behördlichen Angelegenheiten dazu, dass Menschen ohne Versicherungsschutz einen Weg zurück in die Regelversorgung finden.

 

Die Wärmestube ist bis auf montags täglich geöffnet und wird stark frequentiert angenommen. Die Zahlen zeigen, dass der Bedarf an einer medizinischen Grundversorgung bei den o.g. Personengruppen hoch ist. Von den Besuchern kommen geschätzt ca. 65 % aus der Stadt Würzburg und 35 % aus dem Landkreis Würzburg.

 

Derzeit wird das Medizinische Projekt vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales als nordbayerisches Modell über einen Aktionsplan im Umfang einer Vollzeitfachkraftstelle gefördert. Diese Förderung endet nunmehr jedoch zum 30.06.2022.

Deshalb bittet die Christophorus Gesellschaft Stadt und Landkreis Würzburg um eine Abschlussfinanzierung des Projekts ab dem 01.07.2022, um wohnungslosen Menschen, von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen und Bedürftigen aus der Stadt Würzburg und dem Landkreis weiterhin eine Sozialpädagogische Begleitung in der medizinische Erst- und Grundversorgung anbieten zu können.

Insofern wird eine Bezuschussung des Landkreises Würzburg beantragt, deren Höhe im Sozialausschuss näher beziffert werden wird.

 

 

Konzept des Projekts

 

 

Modellprojekt:           Stabilisierung und Erweiterung eines niedrigschwelligen Angebotes zur medizinisch-pflegerischen Versorgung Wohnungsloser und Bedürftiger in Würzburg.

 

Projektlaufzeit:         Mindestens 1,5 Jahre (bis 31.12.2021) werden für sinnvoll erachtet; vorbehaltlich Finanzierung durch ein Förderprogramm zur Finanzierung von Maßnahmen, Dienste und Einrichtungen für Personen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Regierung von Mittelfranken.

 

Projektumfang:         Kostendeckung durch Mittel des Freistaates Bayern (StMS) zur Förderung von Modellprojekten i.H.v. EUR 60.000,00 p.a.. Dies entspricht einer Finanzierung von Personalkosten im Umfang einer Vollzeit-Fachkraftstelle in der Entgeltgruppe E 10, Stufe 3 und ist befristet bis 30.06.2022.

 

Projektträger:           Christophorus-Gesellschaft Würzburg, eine gemeinnützige Gesellschaft von Caritas und Diakonie. Das Projekt ist angebunden an die Wärmestube Würzburg. Kooperationspartner sind die Würzburger Straßenambulanz und der Förderverein Wärmestube e.V.

 

Projektinhalte:          Angebot eines offenen Treffs für hygienische, gesundheitliche und medizinische Fragen in Anlehnung an die Grundversorgung der Wärmestube durch Aufenthalt, Essen, Körperreinigung und Wäsche waschen.

Aufbau einer Struktur interdisziplinärer Zusammenarbeit von Ärzten (Allgemeinärzte, Zahnärzte, Psychiater, Urologen, Gynäkologen), Pflegekräften, Sozialpädagogen und Streetwork.

Aufbau eines niedrigschwelligen Zugangs wohnungsloser und benachteiligter Menschen zum System ärztlicher, zahnärztlicher und psychiatrischer Grundversorgung in der Stadt Würzburg.

Aufbau einer Struktur für schnelle Hilfen in akuten gesundheitlichen Krisen wohnungsloser und bedürftiger Menschen.

 

Engmaschige Begleitung wohnungsloser und bedürftiger Menschen bei der Inanspruchnahme von Hilfen der medizinischen Regelversorgung.

 

Ziel:                            Abbau von Schwellenängsten Bedürftiger, Angebote der medizinischen Grundversorgung anzunehmen. Schaffung von festen Strukturen und Verlässlichkeit als Voraussetzung hierfür. 

 

                                    Hin- oder Rückführung hilfebedürftiger wohnungsloser oder bedürftiger Menschen in die medizinische Regelversorgung.   

 

Heranführung Wohnungsloser und Bedürftiger an eine gesundheitsbewusste und zugleich wirtschaftliche Lebensführung.  

                                                                                                

Ort:                             Die Würzburger Wärmestube ist ein Hilfeangebot bzw. Tagesaufenthalt im Sinne des Rahmenkonzeptes „Ambulante Hilfen für alleinstehende Wohnungslose in besonderen sozialen Schwierigkeiten (Nichtsesshafte) in Bayern“ der Arbeitsgemeinschaft der öffentlichen und freien Wohlfahrtspflege in Bayern. Rechtsgrundlage der Arbeit sind §§ 67 ff. SGB XII – Hilfen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten. Träger der Würzburger Wärmestube ist die Christophorus-Gesellschaft, eine gemeinnützige Gesellschaft von Caritas und Diakonie.

 

                                    Die Wärmestube befindet sich in der Würzburger Innenstadt, in der Rüdigerstraße 2, gleich hinter dem Mainfrankentheater. Durch die zentrale Lage ist eine gute Erreichbarkeit gegeben. Auch befinden sich in unmittelbarer Nähe einige Einrichtungen mit komplementären oder weiterführenden Angeboten. Die Wärmestube sieht sich damit als bedarfsgerechte Ergänzung des in Würzburg auf dem Gebiet der Wohnungslosenhilfe vorhandenen Netzwerkes von weiterführenden Fachberatungsstellen bis hin zu stationären und teilstationären Einrichtungen.

 

Die Wärmestube versteht sich als niedrigschwellige Kontaktzone und ist zu den vorgehaltenen regelmäßigen Öffnungszeiten ein beliebter Aufenthaltsort, um mit anderen Gästen in Kontakt zu kommen oder auf unkomplizierte Weise auch einen Erstkontakt mit der sozialpädagogischen Fachkraft zu knüpfen. In diesen individuellen Beratungsgesprächen, sofern diese gesucht werden, sollen die Betroffenen für die unterschiedlichen Hilfsangebote ansprechbar gemacht werden. So soll eine Vermittlung zu weiterführenden Fachstellen ermöglicht und vorbereitete werden.

Der Tagesaufenthalt dient neben den Kontaktmöglichkeiten vor allem aber auch der Befriedigung von elementaren Grundbedürfnissen, seien es Essen und Trinken, Duschen oder Wäsche waschen und trocknen. Was nicht zu unterschätzen ist: Die Räumlichkeiten bieten auch einen Ort des Rückzuges vom öffentlichen Leben auf der Straße. Die nachfolgend noch näher beschriebene Zielgruppe bringen schon zumeist aufgrund ihrer Lebenssituation einen hohen Stresspegel mit. Durch das laute, öffentliche Treiben strömen zusätzliche Stressmomente auf die Menschen ein. Haben diese keine Rückzugsmöglichkeiten, verfallen sie in Unruhe, Unzufriedenheit und in die damit verbundenen Stimmungsextreme.

Die Wärmestube bietet einen großen und einen kleinen Aufenthaltsraum, in denen insgesamt ca. 30-40 Personen Platz finden. Es gibt eine Küche mit eingeschränkter, nicht öffentlich zu nutzender Kochmöglichkeit, vier Toiletten, zwei Sanitärräume mit je einer Dusche und einem Waschbecken. Außerdem vorhanden ein Wäscheraum zum Wäsche waschen und trocknen, ein Büro und nicht zuletzt ein Raum für die medizinische Ambulanz und die regelmäßigen Arztsprechstunden.

Die Wärmestube ist Dienstag bis Sonntag durchgehend von 10:00 bis 16:00 Uhr geöffnet. Montags ist die Einrichtung geschlossen.

 

Personal:                   In der Wärmestube sind zwei Sozialpädagogen mit einem Stundenkontingent von 50 Wochenstunden hauptamtlich tätig. Zieht man die Öffnungszeiten der Einrichtung heran, bildet diese Personalkapazität die absolute Untergrenze, will man den fachlichen Ansprüchen an eine Wärmestube gemäß des vorgenannten Rahmenkonzeptes der ArGe Öffentliche/Freie in annähernd fachlich gebotener und wirksamer Art und Weise gerecht werden. Unterstützt wird das hauptamtliche Personal regelmäßig von Studierenden der Sozialen Arbeit, von Bundesfreiwilligendienstlern und nicht zuletzt von einer Reihe von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die Freiwilligen und die Studierenden verrichten jedoch niemals allein und eigenverantwortlich Dienst im Tagesaufenthalt. Urlaubs- und krankheitsbedingte Fehlzeiten bringen die Hauptamtlichen deshalb regelmäßig an die Kapazitäts- und Belastungsgrenze.

 

Ehrenamtliche:         Es war schon von jeher eine Besonderheit der Wärmestube, dass die Arbeit der Hauptamtlichen maßgeblich von Ehrenamtlichen je nach deren persönlicher Motivation und Fähigkeiten unterstützt wird. Durch ihr Mitwirken wird die Öffentlichkeit am Hilfeprozess beteiligt. Gerade in unserer heutigen Gesellschaft ist ehrenamtliche Mitarbeit sinnvoll und notwendig. Häufig besteht die Tendenz, soziale Probleme auf professionelle Berufsgruppen wie Polizei oder Sozialarbeit abzuschieben. Der Prozess der Resozialisierung, also die Rückführung in die Gemeinschaft, ist jedoch ohne die Beteiligung dieser Gemeinschaft nicht möglich.

Ehrenamtliche qualifizieren sich für ihre Arbeit auch insofern, als sie bei sich selbst und ihrem Umfeld Vorurteile abbauen und eine Brückenfunktion zwischen den Betroffenen und der Gesellschaft übernehmen. Die Wärmestube ist durch die Ehrenamtlichen auch in das Gemeinwesen integriert. Die Öffentlichkeit nimmt dadurch teil am Leben der Betroffenen. So können Vorurteile langsam abgebaut werden und die Stigmatisierung der Betroffenen als Randgruppe zunehmend gelockert werden.

 

Förderverein:            Der Förderverein Wärmestube e.V. unterstützt seit nunmehr über 20 Jahren die Arbeit der Wärmestube materiell und ideell. Satzungsgemäß setzt er sich für Menschen ein, deren Leben durch Wohnungsnot, Armut und soziale Kälte beeinträchtigt oder gefährdet ist. Dabei greift er dem Tageaufenthalt mit regelmäßigen Aktionen und Zuwendungen unter die Arme. Der Förderverein Wärmestube ist aber auch immer selbst Träger von Projekten. Stets wird dabei darauf Wert gelegt, dass Menschen in besonderen Lebenslagen unmittelbar in die Projektarbeit eingebunden sind. So sollen diese die Möglichkeit haben, aus ihrer eingeschränkten Lebenswelt auszubrechen, mit anderen Bürgern in Kontakt zu kommen und sich mitunter auch noch eine Kleinigkeit hinzuverdienen zu können.

                                   

                                    Der Förderverein hat weit über die Stadtgrenzen hinweg aufhorchen lassen als Träger von staatlich geförderten Projekten wie „ArtGERECHT“ und „lebensART“ oder durch Projekte wie „Schmökerkiste“ oder „livebooks“.

 

Straßenambulanz:    Seit 2003 gibt es in Würzburg die Straßenambulanz, getragen vom hiesigen Franziskanerkloster und betrieben von dem weit über Würzburgs Grenzen hinaus bekannten Franziskaner-Minoriten Bruder Tobias, einem gelernten Krankenpfleger und Lehrer für Pflegeberufe.

Bruder Tobias bietet pflegerische und medizinische Hilfen dort an, wo sich Wohnungslose normalerweise aufhalten. Bruder Tobias leistet durch seine Tätigkeit gerade aber auch wertvolle Beziehungsarbeit und ist mittlerweile in Würzburg eine „Institution“. Er genießt bei den Betroffenen einen enormen Vertrauensvorschuss. Bei seinen Kontakten verrichtet er nicht nur einfache Behandlungen (Versorgung kleinerer Verletzungen und Bagatellerkrankungen), sondern er gibt dort schon erste Informationen über das weiterführende Hilfesystem weiter.

Regelmäßige Besuche und Sprechstunden in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe (Bahnhofsmission, Wärmestube, Notunterkünfte) sind ebenso selbstverständlich wie das Angebot zur Fußpflege. Es ist bekannt, dass der Gesundheitszustand immer auch die prekäre Lebenssituation widerspiegelt, in der sich Menschen in Wohnungsnot befinden. Finanzielle Probleme oder der Verlust des Krankenversicherungsschutzes stellen strukturelle Hürden dar, die die Betroffenen abhalten, medizinische Behandlung und Regelversorgung in Anspruch zu nehmen. Dazu kommt, dass die Hemmschwelle, einen Arzt aufzusuchen, bei der Zielgruppe wesentlich höher ist als in der übrigen Bevölkerung. Es ist zumeist schwierig bis unmöglich, die Betroffenen selbst im schlimmsten Fall zu einem Gang zum Facharzt zu bewegen. So ist die Tätigkeit von Bruder Tobias nicht hoch genug wertzuschätzen.

 

Die Dienste von Bruder Tobias wurden von Beginn an aus Eigenmitteln des Klosters und aus Spendenmitteln finanziert. Konzeptionelle und insbesondere bauliche Veränderungen des Franziskanerklosters in Würzburg lassen ein weiteres Engagement der Klostergemeinschaft im bisherigen Rahmen ab sofort nicht mehr zu. Damit Bruder Tobias weiter nah am Menschen seinen Dienst verrichten kann, benötigt er dringend eine „Basisstation“ im Würzburger Stadtgebiet mit einer räumlichen Ausstattung, die ihm weiter die beschriebenen pflegerischen Maßnahmen erlauben. Eine verlässliche Finanzierung der Räumlichkeiten würde helfen. Die Dienstleistung selbst bzw. die Personalabstellung ist weiterhin durch das Kloster gewährleistet.

Problemanzeige:      Die Problemanzeige knüpft an die beschriebenen, unschätzbaren

Dienste von Bruder Tobias an. Bei nahezu allen Besucherinnen und Besuchern der Wärmestube und damit auch bei den von Bruder Tobias betreuten Menschen liegen besondere Lebensverhältnisse mit großen sozialen Schwierigkeiten vor. Ein wesentlicher Anteil der Bewohner/-innen weist in der Regel multiple Problemlagen auf. Die Menschen sind häufig akut oder chronisch suchtkrank, sie zeigen soziale und/oder psychische Verhaltensauffälligkeiten oder haben kurzfristige bzw. langjährige Wohnungslosigkeit oder mehrfachen Wohnungsverlust hinter sich. Es kann deshalb vermutet werden, dass diese Personen auch eingeschränkte lebenspraktische Fertigkeiten in der Führung eines eigenen Haushaltes haben. Ihre Situation kennzeichnen in der Regel auch Arbeitslosigkeit, psychosoziale und finanzielle Schwierigkeiten und/oder Überschuldung.

In Verbindung mit ihrer materiellen und sozialen Mangellage leidet ein hoher Anteil der Gäste der Wärmestube an gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Sie finden in der Regel schwerer Zugang zu gesundheitlichen Hilfen und zur gesundheitlichen Versorgung als Menschen in gesicherten Wohnverhältnissen. Ein Ziel dieses Projektes ist es, Versorgungslücken in diesem Bereich zu schließen. In Fällen von Krankheit sollen wohnungslose Menschen die notwendige medizinische Behandlung erhalten, wo immer das möglich ist. Bei wohnungslosen Menschen ist die Anzahl behandlungsbedürftiger körperlicher und psychischer Erkrankungen gegenüber der der Durchschnittsbevölkerung signifikant hoch. Bei wohnungslosen Menschen häufen sich u.a. Erkrankungen der Atmungsorgane, der Verdauungsorgane, des Herz- und Kreislaufsystems, Haut- und Zahnerkrankungen. Als psychische Erkrankungen treten vermehrt affektive Störungen, Angststörungen sowie Erkrankungen im Zusammenhang mit Suchtmittelmissbrauch auf.

Der schlechte Gesundheitszustand Wohnungsloser ist zumeist die Folge ihrer Lebensbedingungen. Schlechte Wohnverhältnisse oder gar das Leben auf der Straße bringen Kälte, Feuchtigkeit, schlechten Schlaf und mangelhafte Ernährung mit sich. Hinzu kommt die belastende Lebenssituation als solche, die durch Armut Ausgrenzung und mangelnder Unterstützung geprägt ist. Dies alles beeinträchtigt die körperliche und seelische Gesundheit. Zur Kompensation der Belastungen durch Wohnungslosigkeit werden deshalb oft Suchtmittel, überwiegend Alkohol eingesetzt. Über lange Zeiträume unterschätzen die Betroffenen ihren Gesundheitszustand. Werden nicht rechtzeitig und in ausreichendem Maße Angebote der gesundheitlichen Regelversorgung wahrgenommen, werden körperliche und psychische Krankheiten auch nicht erkannt und behandelt. Dadurch werden erschwerte Krankheitsverläufe, Chronifizierung und Mehrfacherkrankungen begünstigt.

Menschen, die an der Grenze zur Armut leben, denen Wohnungsverlust droht oder die bereits wohnungslos sind, suchen meist nur in Notfällen niedergelassene Ärzte oder Krankenhäuser auf. Die punktuelle Notfallhilfe dient Ihnen als Ersatz für die fehlende medizinische Regelversorgung. Die Folge ist, dass sich die medizinische Versorgung wohnungsloser Menschen häufig auf teure Notfallmedizin oder stationäre Aufnahme beschränkt. Präventive Hilfe, hausärztliche oder fachärztliche Versorgung werden zu wenig umgesetzt. Hier greift das Angebot der Würzburger Straßenambulanz. Bruder Tobias bildet für die Zielgruppe zumeist den ersten Kontakt mit dem Hilfesystem. Bruder Tobias führt regelmäßig Straßenbegehungen mit dem Ziel durch, mit den Wohnungslosen direkt Kontakt aufzunehmen. Er wird für die Menschen, sei es auf der Straße oder in den einschlägigen Einrichtungen, wo er regelmüßig Sprechstunden abhält, Gesprächspartner und stellt dann oft den Erstkontakt zum medizinischen Fachpersonal her. Bruder Tobias genießt bei der Klientel großes Vertrauen und hohe Akzeptanz. Im Bedarfsfall begleitet er die Menschen auch zu den Medizinern.

Das Angebot aufsuchender medizinischer Hilfen durch Bruder Tobias von der Würzburger Straßenambulanz ist jedoch nur ein freiwilliges. Es entspringt Eigenmitteln des Franziskanerordens, der den Minoriten Bruder Tobias für die beschrieben Tätigkeiten freistellt, das aber auch nur in beschränktem Umfang. Darüber hinaus finanziert sich die Straßenambulanz ausschließlich aus Spendenmitteln. Dies ist allein auf Dauer nicht ausreichend. Weder finanziell noch personell. Bruder Tobias versieht seinen Dienst mit über die Maße hohem persönlichen Einsatz. Sein Einsatzgebiet erstreckt sich über das gesamte Stadtgebiet Würzburg. Darüber hinaus erbringt der Bruder zu festgelegten Zeiten allwöchentliche Sprechstunden in den Obdachlosenunterkünften der Stadt Würzburg (Sedanstraße), in der Wärmestube und in der Bahnhofsmission. Eine Entlastung der Straßenambulanz von Bruder Tobias ist deshalb dringend geboten. Sowohl personell als auch finanziell und strukturell.

Sollte dieses beantragte Projekt als Modellprojekt befristet finanziert werden, sollte mittelfristig bzw. eine verlässliche Anschlussfinanzierung über die Krankenversicherungen aufgebaut werden. Von der Etablierung eines regelhaften niedrigschwelligen Zugangs Wohnungsloser zur gesundheitlichen Versorgung dieses Personenkreises würde auch die Kommune profitieren. Werden Menschen in prekären Lebenslagen besser gesundheitlich versorgt, kann dies dazu beitragen, ein Abgleiten in eine längerfristige volle Erwerbsminderung und damit in den Sozialhilfebezug zu vermeiden.

Die strukturellen Voraussetzungen für die Etablierung eines verlässlich finanzierten und personell bedarfsdeckend ausgestatteten niederschwelligen Angebotes aufsuchender medizinischer Hilfen in Würzburg sind günstig, sie müssen jedoch ausgebaut bzw. weiterentwickelt werden:

-       Der Hauptanlaufpunkt für die projekthaft zu entwickelnden Hilfen zur medizinischen Versorgung Wohnungsloser sollte in der Würzburger Wärmestube sein, da sich dort die Menschen aufhalten und sich dort schon Sprechzeiten ehrenamtlich engagierter Ärztinnen und Ärzte etabliert haben.

-       Für die Menschen, denen der Zugang zur Wärmestube nicht möglich ist, sollen regelmäßige hausärztliche und fachärztliche Sprechstunden in anderen Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe angeboten werden.

-       In Würzburg befindet sich eine Zentrale Beratungsstelle für Wohnungslose, die sich als Fach- und Koordinierungsstelle für diese Zielgruppe versteht. Die medizinisch-pflegerische Beratung muss in die Aufgaben dieser Zentralstelle integriert werden. Bei entsprechenden Indikationen muss an die aufsuchende medizinische Hilfe vermittelt werden.

 

Aufgaben

der Stelle:                  Neben Bruder Tobias von der Würzburger Straßenambulanz und den ausschließlich ehrenamtlich tätigen Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften wird eine personelle Unterstützung durch eine sozialpädagogisch versierte Fachkraft eingesetzt. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit von Medizinern, Pflegekräften und Sozialpädagogen wird als besonders effektiv angesehen. Die sozialpädagogische Fachkraft bildet das Bindeglied zwischen der aufsuchenden medizinischen Hilfe durch Bruder Tobias und den Ärztinnen und Ärzten. Sie ist fester Bestandteil der Würzburger Straßenambulanz und Ansprechpartnerin für alle medizinischen Belange auch außerhalb der ärztlichen Sprechstunden. Der sozialpädagogischen Fachkraft fallen konkret folgende Aufgaben zu:

-       Vertrauensaufbau und Unterstützung im Alltag und bei Existenz sichernden Maßnahmen

-       Begleitung zum Arzt der Regelversorgung, Facharzt, Apotheken oder Sanitätsfachgeschäften

-       Begleitung bei von Klienten bei Krankenhausaufenthalten. Versorgung mit Wäsche und Hygienemitteln. Außerdem Zusammenarbeit mit dem Sozialdienst der Kliniken, um weitere Schritte gemeinsam mit Klienten zu planen

-       Schnittstelle von ambulant und stationär unterstützender Hilfen der Obdachlosenhilfe.

-       Begleitung bei Amtsbesuchen im Zusammenhang mit gesundheitlichen Hilfen, zu Fachstellen und Hilfestellung im Schriftverkehr. (Jobcenter, Krankenkassen, Amt für Soziales, Obdachlosenbehörden, Zentrale Beratungsstelle für Wohnungslose Drogenberatung, Schuldnerberatung usw.) 

-       Annahme der Medikamentenspenden, Kontrolle auf Unversehrtheit, Haltbarkeit. Sortierung in den Medikamentenschrank.

-       Mitorganisation des Sprechstundenbedarfs

-       Überprüfung der Hygienestandards (Desinfektion)

-       Ausgabe und Kontrolle der regelmäßigen Medikamentenausgabe

-       Durchführung von Verbandswechsel.

-       Kleidungsausgabe, sortieren von Kleiderspenden

-       Organisation von Erste-Hilfe-Schulungen für die Mitarbeitenden der Wärmestube und anderer einschlägiger Dienste

 

 

 

Die Wärmestube in Würzburg wurde dereinst vom Diözesancaritasverband Würzburg als Beispiel angewandter Menschenliebe ins Leben gerufen und bietet heute unter dem Dach der Christophorus-Gesellschaft elementare Hilfen für Menschen, die aus den verschiedensten Gründen aus der Bahn geworfen wurden oder nur schwer einen Platz in der Gesellschaft finden können. Aufsuchende medizinische Hilfe, wie sie mit diesem Projektantrag installiert werden soll, ergänzt das Angebot elementarer Hilfen in der Würzburger Wärmestube sinn- und wirkungsvoll. Die Wärmestube in der Rüdigerstraße lebt von der Wärme, die die Einrichtung mit all ihren räumlichen und personellen Möglichkeiten ausstrahlt.

 

 

Fallbeschreibung durch den Sozialpädagogen des Projekts

 

Ein paar Fallbeispiele aus der Praxis im Rahmen des medizinischen Projektes:

 

1.    Hilfestellung bei der Anmeldung von einem Coronatest

Ein Besucher der Wärmestube stand mit Erkältungssymptomen vor der Türe – Einlasstopp! Nach Absprache wurde für ihn Kontakt zu der Teststrecke aufgenommen. Terminbuchung voll. Gesundheitsamt Würzburg kontaktiert und Dringlichkeit geschildert, dadurch eine direkte Durchwahl bekommen, um künftig eine schnelle Terminabwicklung für Obdachlose zu bekommen, sodass sie schnellstmöglich alle Angebote der Obdachlosenhilfe wieder nutzen zu können.

Kontaktaufnahme über das Haus Antonia Werr für eine Klientin ofW die in eine stationäre Einrichtung übergehen kann und dafür schnellstmöglich einen PCR Test benötigte. Online alle Termine ausgebucht. Ich habe das Gesundheitsamt Würzburg über die vereinbarte Durchwahl kontaktiert und konnte für die Klientin am selben Tag einen Testtermin vereinbaren.

 

2.    Begleitung in das Krankenhaus

Anruf auf das Diensthandy vom Kontaktcafé Condrobs, dass ein Mann mit einem geschwollenen Bein bei ihnen sitzt. Ich habe mir das Bein angeschaut, konnte natürlich keine Diagnose stellen. Es musste eine Bildgebung stattfinden und habe ihn ins Juliusspital begleitet und angemeldet. Er wurde für eine Nacht stationär aufgenommen.

 

3.    Weitervermittlung in das Krankenhaus

Die Bahnhofsmission hat mich kontaktiert, dass ein junger Mann bei ihnen ist, er bräuchte ganz dringend Insulin. Ich habe Dr. Liebscher (Ärzteteam) angerufen und ihm dies geschildert. Da Insulin gekühlt gelagert werden muss und man eine Blutzuckerbestimmung machen muss, sollte der junge Mann ins Krankenhaus Juliusspital. Habe der Bahnhofmission dies ausgerichtet.

 

4.    Unterstützung und Begleitung nach Krankenhausaufenthalt

Über die Zentrale Beratungsstelle für Wohnungslose, wurde ich benachrichtigt, dass ein Klient mit Gedächtnisausfällen ins Krankenhaus eingeliefert worden ist. Ich habe zum klinischen Sozialdienst Kontakt aufgenommen um das weitere Vorgehen nach der Entlassung zu besprechen und ob er mit Kleidung versorgt werden müsste. Der Mann wurde nach der Entlassung zu mir in die Wärmestube geschickt und ich habe versucht mir ein Bild von der Situation zu machen. Habe ihm gezeigt, wo er erstmal für eine Nacht schlafen kann und die Kolleg*innen der Kurzzeitübernachtung und ZBS kontaktiert, sodass er am nächsten Morgen in die Beratung gehen kann. Dort konnte dann der weite Weg besprochen werden.

Engmaschige Zusammenarbeit mit einer Kollegin aus der Zentralen Beratungsstelle für Wohnungslose bei einer Begleitung von einem Klienten mit schmerzenden entzündeten Zähnen, Terminvereinbarung als auch Begleitung zum Zahnarzt. Anschließende Nachsorge mit Schmerzmitteln. Die ZBS übernahm die bürokratischen Angelegenheiten (Jobcenter, Berufsgenossenschaft) und ich kümmerte mich um die Angelegenheiten mit der Krankenkasse, da der Klient ausschließlich nach § 16 Abs. 3a SGB V versichert ist und sich in einem akuten Schmerzustand befand.

 

5.    Wundversorgung

Über zwei Wochen habe ich bei einem Patienten mit offenen Wunden an beiden Beinen einen regelmäßigen Verband und ihn mit einer antibiotischen Wundsalbe versorgt. Zusätzlich habe ich Dr. Liebscher (Straßenambulanz) eingeschaltet.

Ein Besucher der Wärmestube kam auf mich zu mit einer mittelgroßen Wunde am Handgelenk. Zuerst wurde medizinische Grundversorgung geleistet, so dass sich die Wunde nicht weiter entzünden kann. Hinzuziehen der Straßenambulanz. Nach Klärung direkte Einweisung in das Juliusspital, da ein dringender Verdacht auf eine Sepsis und möglicher Amputation bestand. Durch das schnelle Agieren konnte dem Klienten mit Hilfe einer Antibiose geholfen werden und das Handgelenk erhalten bleiben. Anschließender Auftrag der Straßenambulanz mit täglicher Nachsorge und Verbandswechsel.

 

6.    Vermittlung an Facharzt

Kontaktanfrage über die Sedanstraße Fachbereich Gefährdetenhilfe bezüglich eines jungen Mannes der mit Kleiderläuse befallen ist. Der junge Mann wurde in die Wärmestube vermittelt. Kontaktaufnahme zu Straßenambulanz, Hautklinik und Meldung an das Gesundheitsamt um weitere Vorgehensweise zu besprechen. Haben ihn diesbezüglich beraten und einen Arzttermin bei einem Dermatologen vereinbart.

 

7.    Begleitung und Hilfestellung bei (Langzeit-) Therapieplätzen und Einweisung

Anfrage über die Drogen – und Jugendberatung von Holger Faust bezüglich einer Begleitung für einen Klienten der einen Therapieplatz in einer soziotherapeutischen Einrichtung in München bekommen hat.

 

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Das Medizinische Projekt in der Wärmestube der Christophorus Gesellschaft soll ab dem 01. Juli 2022 bis 31.12.2022 durch den Landkreis Würzburg finanziell gefördert werden. Der Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag in den Haushaltsberatungen die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.  

 

 

 

Debatte:

 

Frau Fiedler und Herr Urban stellten jeweils eine Präsentation vor.

 


Beschluss:

 

Das Medizinische Projekt in der Wärmestube der Christophorus Gesellschaft soll ab dem 01. Juli 2022 bis 31.12.2022 durch den Landkreis Würzburg finanziell gefördert werden. Der Sozialausschuss empfiehlt dem Kreistag in den Haushaltsberatungen die entsprechenden Mittel zur Verfügung zu stellen.