Beschluss: einstimmig beschlossen

Sachverhalt:

 

Das BTHG ist ein großes sozialpolitisches Reformprojekt, das in verschiedenen Stufen bis zum Jahr 2023 in Kraft treten wird. Ziel ist es, mit dem BTHG die Lebenssituation von Menschen mit Behinderungen im Sinne von mehr Teilhabe und mehr Selbstbestimmung zu verbessern sowie Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht weiterzuentwickeln. Behördliche Schwellen, die es durch die verschiedenen Zuständigkeiten gibt, sollen abgebaut und eine Leistungsgewährung „aus einer Hand“ erreicht werden.

 

Bereits zum 01.01.2019 ist der erste Teil in Kraft getreten. Zum 01.01.2020 wird ein weiterer Teil folgen, der für die Kinder- und Jugendhilfe eine besondere Herausforderung darstellt.

 

Auf die beiden Fachbereiche 31a und 31b werden umfangreiche Zuständigkeitsüberprüfungen und die Einhaltung der sehr knapp gesetzten Fristen zur Antragsweiterleitung bei Nichtzuständigkeit innerhalb von 14 Tagen zukommen. Innerhalb dieser 14 Tage ist die Zuständigkeit des Jugendamtes zu überprüfen. Werden Fristen versäumt oder überschritten, wird der eigentlich nicht zuständige Reha-Träger als leistender Reha-Träger verpflichtet. Dieser tritt damit an die Stelle des zuständigen Trägers und wäre somit auch Kostenträger. Ergibt sich innerhalb der 14-Tages-Frist tatsächlich eine Zuständigkeit des Jugendamtes, so ist dieses gesamtverantwortlich für sämtliche Reha-Leistungen, unabhängig davon, ob es noch zusätzliche Leistungen von anderen Reha-Trägern gibt.

 

Der leistende Reha-Träger ist Koordinator und Verantwortlicher für das weitere Verfahren. Hierzu gehört das Teilhabeplanverfahren und die Teilhabeplankonferenz. In Abstimmung mit den beteiligten Institutionen, weiteren Reha-Trägern und dem Leistungsempfänger soll so die gleichberechtigte Teilhabe an der Gesellschaft erreicht werden.

 

Mit der Übertragung von Koordinations- und Steuerungsaufgaben werden die Jugendämter vor neue Herausforderungen gestellt. Es müssen Instrumente weiterentwickelt oder neu geschaffen werden, anhand derer die Bedarfe festgestellt werden können. Jugendämter werden als erstangegangene, leistende Reha-Träger Leistungen, egal, aus welchen Sozialgesetzbüchern, für Kinder und Jugendliche mit einer seelischen, geistigen oder körperlichen Behinderung, Hilfen zeitnah koordinieren und ggf. auch gewähren müssen.

 

Die Umsetzung des BTHG erfordert erfahrenes Personal, das nach Möglichkeit Erfahrungen im Umgang mit anderen Sozialgesetzbüchern hat. Das Personal soll zeitnah mit entsprechenden Maßnahmen qualifiziert werden. Bei der Personalbemessung muss berücksichtigt werden, dass die Verfahren aufwändiger werden und die Fallzahlen zunehmen können. Insbesondere sollte aber darauf geachtet werden, dass das Personal so bemessen ist, dass die Fristen eingehalten werden können.

 

Bisherige Fallzahlen im Bereich Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII

 

Die Eingliederungshilfe teilt sich in ambulante, teilstationäre und stationäre Hilfsmöglichkeiten auf.

 

Bei den ambulanten Hilfen (Legasthenie- und Dyskalkulie-Therapien, Schulbegleitung, Individualförderung) sind deutlich ansteigende Zahlen zu verzeichnen. Der bisherige Höchststand an ambulanten Eingliederungshilfen war im Jahr 2014 mit 44 Fällen. In 2017 und 2018 ist hier ein weiterer Anstieg auf 59 bzw. 53 Fälle zu verzeichnen.

 

Insbesondere die Legasthenie- und Dyskalkulie-Therapien konnten in der Vergangenheit durch eine Kooperation mit den Erziehungsberatungsstellen schnell erbracht werden. Jedoch gibt es auch hier inzwischen lange Wartezeiten, was Außenvergaben notwendig macht. Dieses Beispiel zeigt aber, wie rasant sich die Fallzahlen entwickeln. Erschwerend kommt hinzu, dass Eingliederungshilfe sofort zu gewähren ist, wenn der Bedarf festgestellt ist.

 

Bei den teilstationären und stationären Hilfen ist die Fallzahl konstant. Was schwer abzubilden ist, ist die intensive Bedarfsüberprüfung nach § 35a SGB VIII. Sobald eine 35a-Thematik bekannt wird, sind die MitarbeiterInnen aus dem ASD angehalten, eine entsprechende Überprüfung einzuleiten.

 

Allein die Begleitung der gesamten Hilfen nach §35a SGB VIII machte im ASD im Jahr 2018 eine Stelle in einem Umfang von 0,53 Stellen (20,66 Wochenstunden) aus. Die Überprüfung der weiteren, ggf. auch nicht bewilligten Anträge ist hier nicht erfasst. Aktuell ist für die Schwerpunktsachbearbeitung ein Stundenumfang von zusätzlichen 10 Wochenstunden angesetzt.

 

Der Gesetzgeber möchte über die Umsetzung des neuen BTHG genau informiert sein, was umfangreiche Melde- und Dokumentationspflichten nach sich zieht. Diese Daten fließen in den Teilhabeverfahrensbericht ein. Die zu erfassenden Merkmale gehen deutlich über die Meldepflichten nach dem SGB VIII hinaus. Die Daten müssen jährlich an die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation (BAR) gemeldet werden.

 

Umsetzungsplan im Landratsamt Würzburg

 

Zur Umsetzung des BTHG im Landkreis Würzburg soll für die Fachbereiche 31a und 31b ein spezialisiertes Team aus erfahrenen sozialpädagogischen und Verwaltungsfachkräften gebildet werden. Dieses soll so ausgestattet werden, dass die gegenseitige Vertretung sichergestellt und die Einhaltung der Fristen gewährleistet ist. Hierzu sind jeweils 1,5 Stellen an sozialpädagogischen und 1,5 Stellen an Verwaltungsfachkräften erforderlich.

 

Für die Tätigkeit braucht es erfahrene Fachkräfte, die entsprechend fortgebildet werden müssen. Um eine qualitativ hochwertige Einarbeitung zu sowie die statistische Abbildung zu gewährleisten, ist die Einrichtung des BTHG-Teams zum 01.10.2019 erforderlich. Dieses soll organisatorisch dem FB 31b zugeordnet werden.

 

Debatte:

 

Herr Obermayer trägt den Sachverhalt vor.

 

Herr stellvertretender Landrat Joßberger ist als Behindertenbeauftragter des Landkreises Würzburg in dieser Angelegenheit involviert. Insbesondere gibt es Auswirkungen auf die Leistungen, sowie die notwendige zukünftige Zusammenarbeit der Leistungsträger. Er sieht die Notwendigkeit, in diesem Rechtskontext einen Spezialdienst zusammenzustellen.

 

Herr Schrappe weist darauf hin, dass eine Stellenausweitung im Jugendamt im Zusammenhang mit dem BTHG keine primäre Intention war, wohl aber notwendig zu sein scheint. Wichtig ist ihm, dass im Gesetzeskontext die Personenorientierung in den sozialen Hilfen verbessert wird und Zuständigkeitskonflikte sozialer Rechtsträger reduziert werden. Deshalb sieht er es positiv, dass die verschiedenen Sozialleistungsträger sich zusammensetzen müssen, um einen guten Teilhabeplan für die betroffenen Menschen zu erarbeiten.

 

Herr Prof. Adams fragt an, wie im Beschlussvorschlag der Begriff Umsetzungsplanung im Entscheidungskontext zu verstehen ist. Geht es bei dem Beschluss bereits um die neuen Stellen, oder geht es um den nächsten Planungsschritt zur Einrichtung der neuen Stellen. Stellvertretender Landrat, Herr Joßberger und Kreisrätin Frau Wild, verweisen hier auf die Notwendigkeit einer Vorberatung im Personalausschuss. Da die Personalumsetzung bereits zum 01.10.2019 geplant ist und der nächste Personalausschuss erst im November 2019 zusammenkommt, ist verwaltungsintern zu klären, wie die Entscheidungswege korrekt zu organisieren sind. Eventuell müsste eine außerordentliche Sitzung des Personalausschusses stattfinden.


Beschlussvorschlag:

 

Der Jugendhilfeausschuss stimmt der dargestellten Umsetzungsplanung zu und empfiehlt dem Kreistag die damit verbundenen Stellen vorzusehen.

 

Beschluss:

 

Der Jugendhilfeausschuss stimmt der dargestellten Umsetzungsplanung zu und empfiehlt dem Kreistag die damit verbundenen Stellen vorzusehen.