Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 13, Nein: 1, Anwesend: 14

Anlage/n: Präsentation

 

Sachverhalt:

 

 

1.         Grundsätzliches

 

  • Laufzeit Januar 2019 - Dezember 2020
  • Der Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. begrüßt die Einrichtung der genannten Stelle und ist bereit, die Trägerschaft zu übernehmen.
  • Synergien aus Ehrenamtskoordination, Wohnraumvermittlung (Interkommunales Pilotprojekt „Fit for move“) und Flüchtlings- und Integrationsberatung werden für das Projekt genutzt.
  • Dienst- und Fachaufsicht liegen bei Caritas.
  • Gefördert wird eine Vollzeitstelle Sozialpädagog*in (oder vergleichbare Qualifikation) mit entsprechender Vergütung.
  • Die Finanzierung der Stelle muss Personal- und Sachkosten, sowie Mittel zur fachlichen und sozialräumlichen Steuerung umfassen.

 

Das geplante Projekt will an bestehende Strukturen vor Ort anknüpfen und ergänzende, eigene Angebote in Abstimmung mit diesen weiterentwickeln.

Auf die Netzwerkarbeit der Ehrenamtskoordination für Flüchtlingshelferkreise im Landkreis Würzburg/Integrationslotsen kann hier aufgebaut werden.

 

2.         Ausgangssituation

 

Im Landkreis Würzburg leben aktuell circa 3.000 Menschen, die in den letzten fünf Jahren Ihren Wohnsitz im Landkreis genommen haben und aus einem Nicht-EU-Land stammen (Stand Mai 2018). Von diesen Personen leben noch etwa 350 als sogenannte Fehlbeleger in den 34 dezentralen und vier Gemeinschaftsunterkünften im Landkreis.

Während die dezentrale Unterbringung zurückgefahren wird, werden die Gemeinschaftsunterkünfte in Aub, Giebelstadt und Ochsenfurt langfristig bestehen bleiben. Daher wird auch das Thema Integration in diesen drei Gemeinden dauerhaft von Bedeutung sein.

 

Die Erfahrung mit vergangenen Migrationsbewegungen zeigt, dass diese Menschen zum ganz überwiegenden Teil dauerhaft in Deutschland bleiben werden. Aufgrund der Wohnsitzauflage für anerkannte Asylbewerber ist davon auszugehen, dass ein großer Teil der im Landkreis lebenden Menschen auch in den nächsten Jahren im Landkreis wohnen bleiben wird.

 

Sich in unsere Gesellschaft zu integrieren ist dabei eine berechtigte Forderung an Migrant*innen, gleichzeitig aber auch eine gesellschaftliche Aufgabe.

 

Das Ziel einer jeden Hilfe zur Integration sollte dabei sein, Zugewanderten die Möglichkeit zu schaffen, ihr Leben in Deutschland aktiv zu gestalten und ihren individuellen Weg zu gehen, ohne die Rechte und legitimen Interessen, Sichtweisen und Lebensentwürfe anderer zu verletzen.

 

3.         Handlungsfelder

           

Vgl. Ergebnisprotokoll der Integrationsministerkonferenz am 15. und 16. März 2018 in Nürnberg, Seite 5 ff. (https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas_inet/integration/180411_ergebnisprotokoll_intmk2018.pdf)

 

a.            Eine konkrete Unterstützung bei der Integration ist es, Orientierung zu geben, indem die geltende Rechtsordnung und übergeordnete Werte vermittelt werden. Dies wird aktuell bereits in einer Reihe von Angeboten wie Integrationskursen, Migrationsberatung für Erwachsene, Erstorientierungskursen für Geflüchtete, Jugendmigrationsdiensten und der Integrationsberatung umgesetzt. Darüber hinaus kann es aber sinnvoll sein, gezielt Angebote nach dem Bedarf vor Ort anzubieten und bspw. Themen wie Gleichberechtigung von Mann und Frau, Akzeptanz einer Vielfalt von Lebensentwürfen, Ablehnung von Diskriminierung, Fremdenhass und Antisemitismus zu bearbeiten.

 

b.            Akzeptanz für Werte und Normen ergibt sich aber erst im Anschluss an gezielte Angebote im gelebten Miteinander. Dieses gelebte Miteinander findet insbesondere in den Regeleinrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Universitäten, aber auch am Arbeitsplatz, in Vereinen und der Nachbarschaft statt. Hier gilt es, Migrant*innen, Mitarbeitende und ehrenamtlich Engagierte zu stärken und zu begleiten.

 

c.            Interkulturelle Öffnung der Regelsysteme unterstützen. Durch die Sozialisation in anderen Ländern fehlt Migrant*innen an manchen Stellen Wissen, das bei vor Ort sozialisierten Personen als gegeben vorausgesetzt werden kann. Durch das fehlende Wissen kann es zu zusätzlichen Hürden im Umgang mit Regelsystemen wie öffentlicher Verwaltung, Schulen und anderen Bildungseinrichtungen kommen.

 

d.            Eigener Wohnraum ist ein wichtiger Schritt für das Zusammenleben vor Ort. Ein Schritt, der aber auch mit einigen Herausforderungen verbunden ist. Hier können individuelle Hilfestellungen ebenso wie gemeinwesensorientierte Angebote einen wichtigen Beitrag leisten.

 

e.            Integration in Ausbildung und Arbeit eröffnet Lebenschancen und ist für die meisten Menschen ein zentraler Baustein für ein gelingendes Leben. Zuwander*innen haben durch teils fehlende Sprachkenntnisse und formale Bildungsabschlüsse hier zusätzliche Hürden und größeren Unterstützungsbedarf.

 

4.         Herausforderungen im Landkreis Würzburg

 

In ersten Gesprächen mit Bürgermeistern und im Themenfeld aktiven Haupt- und Ehrenamtlichen wurden aus den oben beschriebenen Handlungsfeldern konkrete Herausforderungen im Landkreis Würzburg abgeleitet.

 

-       Wohnen: Nach wie vor gibt es im Landkreis Personen, die als ehemalige Asylbewerber inzwischen aus den Unterkünften ausziehen dürften, aber keinen Wohnraum finden. Bestehende ehrenamtliche wie hauptamtliche Unterstützungsangebote leisten hier bereits erfolgreiche Hilfen. Von Seiten der dort Aktiven wird aber zurückgemeldet, dass es weitere Bedarfe gibt, die über die Angebote nicht abgedeckt werden können. Ein konkretes Beispiel ist die Nachbetreuung nach der Vermittlung in eigenen Wohnraum und die Vermittlung von alltagspraktischem Wissen (z. B. Mülltrennung, Hausordnung, Ruhezeiten, Winterdienst, etc.) rund um Mietverhältnisse und Mehrfamilienhäuser. Aber auch bei bereits bestehenden Nachbarschaftskonflikten wäre eine neutrale Konfliktbegleitung zur Klärung der Probleme punktuell gewünscht.

 

-       Bürokratische Erfordernisse: In Zusammenhang mit Kinderbetreuung, Schule, Sozialleis-tungsbezug, Wohnsitzwechsel und vielen weiteren Themen müssen jeweils verschiedene Formulare und Anträge ausgefüllt werden. Aufgrund der sprachlichen Barrieren fällt dies vielen Migranten schwer. Dabei entsteht eine Versorgungslücke für Personen, die dies noch nicht alleine schaffen, aber auch nicht mehr auf eine Unterstützung in 1-zu-1-Beratungssituationen angewiesen sind. Hier wären Gruppenangebote und der gezielte Einsatz einfacher Sprache denkbare Ansätze.

 

-       Kindergärten und Schulen: Auch in Kindergärten und Schulen kommt es aufgrund von sprachlichen Barrieren und fehlendem Wissen über das deutsche Bildungssystem zu zusätzlichen Unterstützungsbedarfen. Eltern kennen die üblichen Gepflogenheiten (bspw. Pausenbrot) und Erwartungen der Bildungseinrichtungen nicht. Dieses fehlende Wissen kann bereits bei der Anmeldung als Hürde verzögernd oder verhindernd wirksam werden. Aufgrund der somit lückenhaften Unterstützung aus dem Elternhaus ist die Bildungsteilhabe der Kinder potentiell eingeschränkt.

 

-       Arbeit: Durch eigenes Engagement und bestehende Unterstützungsangebote gelingt vielen Migranten der Einstieg in das Berufsleben. Jedoch wäre es sinnvoll, zu prüfen, inwieweit bestehende oder zusätzliche Unterstützungsangebote die berufliche Situation verbessern könnten bzw. den Einstieg in reguläre Beschäftigungsverhältnisse ermöglichen könnten. Auch noch nicht erwerbstätigen Personen können so unterstützt werden.

 

-       Medizinische Versorgung: Gerade in Kommunen mit größeren Unterkünften kann eine ortsnahe medizinische Versorgung über das Hausarztsystem nur mit engagierten Ärzt*innen sichergestellt werden. Diese engagierten Ärzt*innen könnten durch flankierende Angebote entlastet werden. Dazu könnten die konkreten Bedarfe vor Ort geklärt und über Netzwerkpartner (z. B. Missionsärztliche Klinik, Gesundheitsamt, BRK) gezielte Angebote aus der Stadt Würzburg in die Fläche gebracht werden.

 

5.         Mögliche Ansätze vor Ort

 

Aus den oben beschriebenen Handlungsfeldern und den Herausforderungen im Landkreis Würzburg ergeben sich mögliche Ansätze, die vor Ort im vorliegenden Projekt zur Integration umgesetzt werden können. Pilotkommunen sollen die Stadt Aub, der Markt Giebelstadt und die Stadt Ochsenfurt sein.

Die Umsetzung orientiert sich dabei immer am jeweiligen Bedarf vor Ort und bindet relevante Akteure und Schnittstellen vor Ort mit ein. Insbesondere die Kommunen sollen weiter aktiv in die Zielfindung und Umsetzung der Maßnahmen eingebunden werden.

 

Im Sinne eines Pilotprojektes werden dabei in Abstimmung mit den genannten Pilotkommunen zunächst einzelne Ansätze herausgegriffen und bearbeitet. Neben der praktischen Umsetzung von Angeboten soll dabei auch jeweils ein Konzept erstellt werden. Mithilfe dieser Konzepte soll im weiteren Verlauf der Transfer aus den jeweiligen Pilotteilprojekten in andere Landkreisgemeinden vorbereitet und erleichtert werden.

 

1.    Wohntrainings:

 

Personen aus dem außereuropäischen Ausland sind mit den hier herrschenden bauli-chen und rechtlichen Rahmenbedingungen von Mietwohnungen und Häusern nicht immer vertraut. Dies birgt Potential für Konflikte zwischen Mietern, Vermietern und Nachbarn. Eine Möglichkeit, diese Konflikte zu entschärfen oder zu vermeiden, ist die Durchführung von gezielten Wohntrainings (bspw. nach dem Neusässer Konzept).

 

2.    Orientierung im Sozialraum und interkulturelle Öffnung der Regelsysteme:

 

- Ehrenamtliche Willkommenslotsen

- Anpassung, Ergänzung oder Entwicklung von Wegweisern für Neubürger

 

3.    Vereine und Organisationen vor Ort unterstützen:

 

- Ist Integration dort Thema? Gibt es Bedarf / Interesse?

- Gibt es Ansprechpartner*innen?

 

4.    Männerarbeit, Frauenarbeit und Rollenbilder:

 

- Andere Geschlechterrollen erfordern anderes Verhalten   

- Geschlechtsspezifische Angebote sinnvoll

 

5.    Arbeitsmarkt- und Bildungsintegration:

 

- Schulsystem, duale Ausbildung, Studium und Berufsleben in Deutschland sind abweichend organisiert als in Herkunftsländern

- Wissen kann nicht vorausgesetzt werden und muss vermittelt werden, um Zugang zu ermöglichen oder zu verbessern

 

6.    Interkulturelle Öffnung von Ehrenamt:

 

- Konzept einer „ehrenamtlichen Tätigkeit“ vermitteln

- Migrant*innen begleiten auf dem Weg ins Ehrenamt

- Organisationen/Vereine etc. bei der Öffnung für Migrant*innen unterstützen

 

 

6.    Option für Pilotgemeinden

 

Um die Projektarbeit direkt vor Ort in den Pilotgemeinden steuern zu können, wird es seitens der Verwaltung und des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. als sinnvoll und als erforderlich angesehen, Personalkapazitäten vor Ort, d.h. schwerpunktmäßig in den Pilotgemeinden, zu haben.

 

Daneben stellte sich in den Gesprächen mit den Pilotgemeinden die Frage, inwieweit derzeit in der Unterstützung von Migranten tätige Personen in den Pilotgemeinden vom Landkreis finanziert werden könnten. Eine Finanzierung von Personal einzelner Gemeinden ist seitens des Landkreises jedoch rechtlich nicht möglich.

 

Allerdings könnte eine Stellenaufteilung, die eine Eigenbeteiligung der Gemeinden voraussetzt, erfolgen. Mit dem eigenfinanzierten Anteil könnte der/die Mitarbeiter/in vor Ort bestehende Angebote weiterhin anbieten. Mit dem durch den Landkreis finanzierten Anteil ist die/der Mitarbeiter/in als Mitarbeiter/in des Projektes für die Unterstützung bei der Durchführung der Projektangebote und der Koordinierung des Projektes im Landkreis zuständig.

 

Aufgrund der geforderten Eigenbeteiligung der Pilotgemeinden liegt es bei den Pilotgemeinden zu entscheiden, inwieweit diese Option gewählt wird.

 

Der Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. ist grundsätzlich bereit, entsprechendes Personal bei sich anzustellen. Der zeitliche Umfang und die Art des oder der Anstellungsverhältnis/se richtet sich nach dem Bedarf und den zur Verfügung stehenden Mitteln.

 

 

 

Beschlussvorschlag:

 

Der Kreisausschuss des Landkreises Würzburg nimmt den Vortrag des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. zum Pilotprojekt „Kommunales Integrationsprojekt `Komm In´ im Landkreis Würzburg“ zustimmend zur Kenntnis und empfiehlt dem Kreistag, die erforderlichen Haushaltsmittel für eine Vollzeitstelle, Sachkosten und zur fachlichen und sozialräumlichen Steuerung in den Haushalt für das Jahr 2019 aufzunehmen.

 

Der Kreisausschuss des Landkreises Würzburg nimmt den Vortrag hinsichtlich der bedarfsabhängigen Schaffung von bis zu drei Personalstellen beim Caritasverband für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. für die Projektbetreuung vor Ort und der Option für die Pilotgemeinden mit einer Eigenbeteiligung zu partizipieren zustimmend zur Kenntnis und empfiehlt dem Kreistag, die erforderlichen Haushaltsmittel für bis zu drei Personalstellen, Sachkosten und zur fachlichen und sozialräumlichen Steuerung in Höhe von 55.000 Euro in den Haushalt für das Jahr 2019 aufzunehmen.

 

 

 

Debatte:

 

Frau Meder, Geschäftsbereichsleitung Jugend, Soziales und Gesundheit, erläutert den Sachverhalt.

 

Herr Goldmann, Ehrenamtskoordination Flüchtlingshilfe, erläutert anhand einer Power-Point-Präsentation Details.

 

Stellv. Landrätin Haupt-Kreutzer nimmt vorweg, dass man sich in der Vorbesprechung darauf geeinigt habe, die Ergänzung der Vorlage (Beschlussvorschlag 2. Absatz) zurückzustellen und in den Fraktionen zu beraten.

 

Herr Goldmann teilt mit, dass bei den drei Pilotprojektgemeinden mit einer Vollzeitstelle Schwerpunkte im Landkreis gesetzt werden sollen. Bereits mit einer Stelle könne das Projekt sinnvoll gestartet werden. Bei Mehrbedarf könnten Ehrenamtliche eingebunden und Workshops angeboten werden. Für die flächendeckende Präsenz muss auf bestehende Strukturen aufgebaut werden.

 

Frau Meder geht auf die Ergänzungen der  Vorlage ein und teilt mit, dass es schwierig sei mit einer Vollzeitstelle vor Ort den persönlichen Kontakt zu pflegen. Drei  Teilzeitstellen sollen im Landkreis unterstützend tätig sein. Diese Stellen könnten von Geringverdienern bzw. Bundesfreiwilligendienstlern besetzt werden. Deswegen wurden bei der Kostenschätzung nur 55.000 € veranschlagt.

 

Stellv. Landrätin Haupt-Kreutzer schlägt vor, nur den ersten Absatz im  Beschlussvorschlag zu beschließen und die Mittel für eine Vollzeitstelle in den Haushalt aufzunehmen. Zu den Ergänzungen sollen von der Verwaltung für die Haushaltberatungen detaillierte Informationen bezüglich der praktischen Umsetzung an die Fraktionen weitergegeben werden. Eine Befristung, wie sie aus dem Gremium vorgeschlagen wurde, mache ihrer Meinung nach keinen Sinn, da heute nur die Aufnahme in die Haushaltsmittel 2019 beschlossen werden solle.

 

Nach kurzer Diskussion im Gremium wurde folgender Beschluss gefasst:

 


Beschluss:

 

Der Kreisausschuss des Landkreises Würzburg nimmt den Vortrag des Caritasverbandes für die Stadt und den Landkreis Würzburg e.V. zum Pilotprojekt „Kommunales Integrationsprojekt `Komm In´ im Landkreis Würzburg“ zustimmend zur Kenntnis und empfiehlt dem Kreistag, die erforderlichen Haushaltsmittel für eine Vollzeitstelle, Sachkosten und zur fachlichen und sozialräumlichen Steuerung in den Haushalt für das Jahr 2019 aufzunehmen.

 


Zur weiteren Veranlassung an GB 3, ZFB 2

 

Zur Kenntnis an ZB, KrPA