Beschluss: zur Kenntnis genommen

Sachverhalt:

 

„Deutschland ist eine Einwanderungs- oder Migrationsgesellschaft. Die damit verbundenen Prozesse, Entwicklungen und Veränderungen sind aber auch mit Fragen und Konflikten verbunden und führen zu Irritationen, Verunsicherungen und Ängsten. Daran knüpfen nationalistische, rassistische oder religiös begründete fundamentalistische Strömungen an und setzen der vielfältigen und pluralistischen Wirklichkeit ihre Ideologien der Ungleichheit entgegen. Der wachsende Zulauf zu solchen Strömungen ist gleichzeitig Ausdruck schwindender Integrationskräfte in der Gesellschaft.

Wir betrachten das auch als Chance: Für die beständig notwendigen Prozesse der Vergewisserung, Stärkung und Weiterentwicklung von Werten und Normen des Zusammenlebens in der Demokratie.“ (Aus dem Leitbild Ufuq-anerkannter Träger der freien Jugendhilfe und der politischen Bildung und Prävention zu den Themen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus).

 

In Augsburg und Nürnberg wurden bereits Präventionsnetzwerke gegen religiös motivierte Radikalisierung geründet. Zum 01. Mai 2017 wurde das Projekt auch in Stadt und Landkreis Würzburg gestartet. Das Bay. Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration fördert das interkommunale Projekt von Stadt und Landkreis Würzburg mit je einer Halbtagsstelle (sozialpädagogische Fachkraft) sowie die Projektkosten im Zeitraum 05/2017 bis 12/2019 bei mindestens 10 % Eigenfinanzierungsanteil:

 

Kostendarstellung/Antragssumme Landkreis Würzburg

 

 

2017

2018

2019

Personalkosten Projektmanagement

EG11                   mit 19,5 WoStd.

23.974,23 €

35.956,39 €

35.956,39 €

Projektkosten

 

7.000,00 €

15.000,00 €

15.000,00 €

Antragssumme

 

30.974,23 €

50.956,39 €

50.956,39 €

Komplementärmittel Landkreis Würzburg

Kosten Arbeitsplatz

 

1.666,66 €

1.666,66 €

1.666,66 €

Telefon

 

250,00 €

250,00 €

250,00 €

Verwaltungskostenpauschale

 

1.548,71 €

2.547,82 €

2.547,82 €

Sachkosten

 

1.100,00 €

1.400,00 €

1.400,00 €

Summe Komplementärmittel

 

4.565,37 €

5.864,48 €

5.864,48 €

 

Die Stelle wurde im Landkreis Würzburg mit einer Arbeitszeitaufstockung des bisher teilzeitbeschäftigten Diplom-Sozialpädagogen Herrn Schwab besetzt. Damit konnte eine Fachkraft gewonnen werden, die die Strukturen im Landkreis gut kennt, bereits sehr gut vernetzt ist und über gute Qualitäten im Bereich der Jugendarbeit und Jugendsozialarbeit verfügt. Die Projektkoordination für den Landkreis wird nach der Implementierungsphase Herr Junghans aus dem FB 31c übernehmen.

 

Inhaltliche Ausrichtung

 

In der Arbeit mit radikalisierungsgefährdeten, zumeist jungen Menschen, sind hauptsächlich die Handlungsfelder Schule und Berufsausbildung, Jugendhilfe und Jugendarbeit, sowie die Einrichtungen für Geflüchtete (Einrichtungen für unbegleitete Minderjährige Ausländer, Gemeinschaftsunterkünfte, dezentrale Unterkünfte) gefragt. Hindernisse beim Übergang von Schule und Beruf, Integrationsprobleme sowie Schwierigkeiten bei der Eingliederung in die Gesellschaft, kumulieren vorrangig in den Lebens- und Begegnungsorten der Menschen und ihren Sozialräumen.

 

Vorrangiges Ziel des Netzwerkes ist es, Maßnahmen und Angebote im Spektrum zwischen Prävention und Radikalisierung auf der Grundlage der Sensibilisierung zu implementieren. Die Ursachen von radikalisiertem Verhalten zu erkennen, Signale frühzeitig wahrzunehmen und ihnen mit fundierten Fachkenntnissen zu begegnen, sind weitere Aufgaben.

 

Das interkommunale Präventionsnetzwerk Radikalisierung soll eine Radikalisierung von Jugendlichen verhindern. In diesem Zusammenhang verstehen wir Radikalisierung nicht nur als religiös begründete, sondern auch als politisch motivierte. Beide Seiten der Radikalisierung tragen zu einer Polarisierung der Gesellschaft, insbesondere auch der Lebenswelt von jungen Menschen bei. Wir wollen ein hohes Maß an vertrauensvollem Zusammenleben in den Sozialräumen und Wohnquartieren der Stadt und des Landkreises Würzburg erhalten.

 

Dabei ist es uns wichtig, dass sich das Netzwerk und die sich daraus ergebenden Angebote an der Praxis orientieren. Landesweite Konzepte aus „Bayern Netzwerk für Prävention und Radikalisierung“, Konzepte und fachliches Knowhow erfahrener Träger wie Ufuq, sowie Erfahrungen bereits bestehender Netzwerke in Augsburg und Nürnberg werden mit einbezogen. Wichtig wird des Weiteren die Zusammenarbeit mit einer großen Bandbreite von Kooperationspartnern aus der Region Würzburg sein.

 

Konkret agiert das interkommunale Präventionsnetzwerk Radikalisierung in 3 Handlungsebenen:

 

Ebene 1 - Netzwerk

·         Aufbau eines interkommunalen Netzwerks „Prävention gegen religiös motivierte Radikalisierung“

·         Gemeinsame Federführung Stadt und Landkreis Würzburg

·         Mögliche Akteure: UMA-Einrichtungen, Polizei, Jugendzentren und Jugendorganisationen, Glaubensverbände, Jugendhilfeträge, Schulen und Jugendsozialarbeit an Schulen, und andere

·         Regelmäßige Arbeitskreise/Fachgespräche

·         Öffentlichkeitsarbeit

·         Netzwerkgründung und Auftaktveranstaltung ist für den Herbst 2017 geplant.

 

Ebene 2 - Multiplikatoren

Organisation von Veranstaltungen (Tagungen, Fachtage, Fortbildungen) für Fachkräfte in der unmittelbaren und mittelbaren Arbeit mit jungen Geflüchteten und Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund:

·         Fachkräfte in der Betreuung von UMA/jungen Flüchtlingen

·         Fachkräfte der Mittelschulen und weiterführenden Schulen (Lehrkräfte, JaS)

·         Fachkräfte in der beruflichen Bildung

·         Fachkräfte in der öffentlichen Jugendhilfe (ASD und Vormünder)

·         Pädagogische Fachkräfte der Jugendzentren, Jugendorganisationen und Vereine

 

Ebene 3 - Sensibilisierungs- und Präventionsveranstaltungen

Gemeinsame Projekte und Angebote für männliche und weibliche Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund bzw. Fluchterfahrung in Kooperation mit:

·         UMA-Einrichtungen

·         Schulen

·         Dezentrale Unterkünfte und Gemeinschaftsunterkünfte für Asylbewerber

·         Jugendzentren und Einrichtungen der Jugendarbeit

 

Daraus wird deutlich, dass das Hauptaugenmerk auf Netzwerkarbeit und Primärprävention, also auf dem Vorfeld der Radikalisierung liegt. Die Beratung von unmittelbar Betroffenen, also bereits radikalisierten jungen Menschen sowie deren Bezugspersonen (Eltern und betreuende Fachkräfte) erfordert besondere pädagogische und interkulturelle Kompetenz. Solche Fachkräfte gibt es, aber nicht in unserer Region. Hier wird das interkommunale Präventionsnetzwerk Radikalisierung mit in der Beratung erfahrenen Trägern wie Ufuq zusammen arbeiten.

 

Ergebnissicherung:

 

Das Projekt wird durch eine interkommunale Steuerungsgruppe begleitet. In enger Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration werden alle Tätigkeitsebenen, Projekte und Ergebnisse sowie Erfahrungen abgestimmt. Rechtzeitig vor Ende des Pilotprojektes (2. Halbjahr 2019) wird das Projekt evaluiert. Die Evaluation sowie prozessabhängige Zwischenberichte werden dem Jugendhilfeausschuss zur Beratung vorgelegt.