Sitzung: 28.07.2014 Kreistag
Beschluss: zur Kenntnis genommen
Frau Kreisrätin
Elisabeth Schäfer gibt ihren Bericht als Behindertenbeauftragte für den Zeitraum Oktober
2012 bis Juli 2014 ab:
„Sehr geehrter Herr
Landrat,
liebe Kolleginnen
und Kollegen,
gerne erstatte ich
dem Kreistag Bericht über meine Arbeit in den vergangenen fast eindreiviertel
Jahren.
An den
Kernaufgaben, über die ich schon mehrfach hier im Kreistag berichtet habe, hat
sich nichts geändert, sie wurden lediglich umfangreicher.
Da sich der
Kreistag neu konstituiert hat, würde ich
gerne – auch im Sinne einer transparenten Information für die neuen Kolleginnen
und Kollegen – etwas näher darauf
eingehen.
Zur Aufgabe
eines/einer kommunalen Behindertenbeauftragten in einem Landkreis gehören:
·
Stellungnahmen zu allen Hoch- und
Tiefbaumaßnahmen im öffentlichen Bereich. Eine Zuschussgewährung erfolgt nur
dann, wenn die Bestätigung des/der Behindertenbeauftragten vorliegt, dass bei
der Planung die Belange von Menschen mit Behinderung ausreichend berücksichtigt
wurden.
Waren es in den Jahren 2010 – 2011
hauptsächlich Baumaßnahmen, die im Rahmen des Konjunkturpaketes II getätigt
wurden, so zeichneten sich die Jahre 2012 und 2013 vor allem dadurch aus, dass
Kindertageseinrichtungen neu- oder
umgebaut wurden. Da Eltern einen gesetzlichen Anspruch auf einen
Betreuungsplatz auch für Kinder unter 3 Jahren haben, haben die Gemeinden
reagiert und unzählige Krippenplätze geschaffen. Für jede Planung muss eine Stellungnahme
erarbeitet werden. Bei Umbauten im Bestand nicht immer ganz einfach. Aber: auch Kindertageseinrichtungen müssen von
Menschen mit Behinderung barrierefrei nutzbar sein, nicht nur von Kindern,
sondern auch von Eltern, Großeltern etc.
Das Gleiche gilt mittlerweile für
Gaststätten, wenn sie nach 2002 gebaut oder umgebaut wurden und eine neue
Gaststättenkonzession beantragt wird.
Hier ist immer noch die Diskrepanz
zwischen Baurecht und Gaststättenrecht festzustellen:
Im Rahmen der Baugenehmigung muss
Barrierefreiheit nicht geprüft werden, im Rahmen der Erteilung einer
Gaststättenerlaubnis schon.
·
Beratung und Information der Mitarbeiter
in den Gemeinden und im Landratsamt bei Fragen rund um das gesamte Spektrum der
Behindertenpolitik. Nachdem ich in den vergangenen Jahren sehr viele Termine in
den Gemeinden wahrgenommen habe, konnte manches gleich vor Ort geklärt werden.
Außerdem stelle ich fest, dass die Position der Behindertenbeauftragten
mittlerweile recht gut verankert ist, bei vielen Dingen werde ich schon zu
Beginn der Beratungen kontaktiert und eingebunden.
·
Beratung und Information sowie
Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern im Zusammenhang mit verschiedensten
Anliegen. Diese reichen von einer Nachfrage nach dem Standort von
Behindertentoiletten, nach finanzieller Unterstützung bei der barrierefreien
Gestaltung einer Wohnung, nach der Möglichkeit einer unterstützten
Beschäftigung für junge Menschen anstelle der Eingliederung in eine Werkstatt
für Menschen mit Behinderung, nach Austellung eines Behindertenausweises, nach
Erläuterung von Hilfebescheiden, nach Beantragung von Hilfen und vielen anderen
Anliegen mehr. Bei manchen Fragen und Problemen kommt mir meine Mitgliedschaft
im Bezirkstag zugute, bei anderen nutze ich auch gerne die Unterstützung von
Sozialverbänden wie dem VdK.
·
Kontakt zu Behindertenverbänden – dies
ist immer auch verbunden mit dem Besuch von verschiedensten Veranstaltungen. Es
kann sich dabei um eine Informationsveranstaltung über wichtige gesetzliche
Änderungen, aber auch um eine
Weihnachts- oder Jubiläumsfeier oder einfach nur um einen Informationsbesuch handeln.
·
Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen
der Bundes- bzw. Landesbehindertenbeauftragten, der VkIB oder anderer
Behindertenbeauftragter.
Diese Aufzählung könnte ich noch mit einigen weiteren
Themen ergänzen.
Alle diese Aufgaben stehen in Zusammenhang mit dem großen
Thema „Inklusion“.
Was ist Inklusion: Eine
Definition lautet: Jeder Mensch erhält die Möglichkeit, sich vollständig und
gleichberechtigt an allen gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen
Wenn
wir diesen Satz lesen, gehört viel, viel mehr als das von mir oben aufgelistete
dazu.
Es
gehört dazu, dass Kinder mit und ohne Handicap gemeinsam aufwachsen können. Das
beginnt mit einer gemeinsamen Zeit in der Kindertageseinrichtung, kann sich
dann fortsetzen in einer gemeinsamen Schulzeit. Ich bin stolz, dass im
Landkreis Würzburg Integration im Regelkindergarten schon seit langem groß
geschrieben wird. In der letzten Sitzung des Sozialausschusses des Bezirks
Unterfranken bekamen die Bezirksräte eine Übersicht über die Anzahl der Kinder:
Wir liegen nach der Stadt Würzburg an zweiter Stelle in Unterfranken.
Vielleicht
konnte ich mit meinen Infoveranstaltungen vor einigen Jahren dazu beitragen,
dass sich unsere Kindertageseinrichtungen geöffnet haben. Klar ist aber, der
Dank hierfür gehört den Trägern.
Wenn
wir die Definition von Inklusion lesen, erkennen wir, dass es noch vieler
Anstrengungen bedarf, damit Inklusion auch gelebt werden kann.
Ein
Beispiel möchte ich anführen:
Menschen
mit Behinderung sollen nicht nur in den Werkstätten, sondern auch auf dem
allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können.
Der
Bezirk Unterfranken möchte in seinem Zuständigkeitsbereich ein Projekt
etablieren, das behinderten Menschen ermöglicht, mit Unterstützung der
Werkstatt, des Bezirks und einem „Paten“ in einer Behörde, einer Firma
beschäftigt zu sein.
Da
sich u.a. die Mainfränkischen Werkstätten Würzburg-Ochsenfurt als
Projektpartner beteiligen, ist es mir sowohl als Behindertenbeauftragte als
auch als Bezirksrätin ein Anliegen, dieses Projekt im Landkreis Würzburg zu
unterstützen. Erste Gespräche habe ich schon geführt.
Um
den Zeitrahmen meines Berichtes nicht allzu lange auszudehnen, nenne ich
beispielhaft nur noch das Thema „barrierefreier Tourismus“ im Landkreis
Würzburg. Hier geht es um die Ausweisung
eines „barrierefreien Radweges“ am Main, um barrierefreie Gaststätten und
Übernachtungsmöglichkeiten. Ich habe ich mich schon mehrfach mit Frau Müller
vom Tourismusverband getroffen um hier voranzukommen, ist allerdings nicht ganz
so einfach, weil es keine große Unterstützung vom Hotel- und Gaststättenverband
gibt.
Nicht
vergessen darf auch, passend zum Tourismus, das Thema „barrierefreie Bahnhöfe“.
Wenn Bayern bis 2023 barrierefrei sein soll, dann muss die Bundesbahn auch ihr
Scherflein dazu beitragen und darf zukünftig nicht Maßstäbe wie „1.000 Fahrgäste
pro Tag“ für einen barrierefreien Ausbau
zugrunde legen.
Sehr geehrter Herr Landrat,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
am
1. Oktober 2014 sind 10 Jahre seit meiner Bestellung zur
Behindertenbeauftragten vergangen. Die Aufgaben wurden vielfältiger und viel,
viel umfangreicher.
Ich
bin deshalb froh, dass die Beratung zur Wohnraumanpassung ab Herbst 2014 beim
gemeinsamen Pflegestützpunkt von Stadt und Landkreis Würzburg erfolgen kann.
Bisher hat mich hier Herr Kraus, der Berater für barrierefreies Bauen der
Bayerischen Architektenkammer,
unterstützt. Er kann diese Beratung aufgrund der Vielfalt seiner
Aufgaben und der Zuständigkeit für ganz Unterfranken nicht mehr leisten.
Die
Stadt Würzburg hat die Koppelung von Pflegeberatung und Wohnraumanpassung an
den Pflegestützpunkt schon vor einigen Jahren umgesetzt, deshalb ist es gut,
wenn die Landkreisbürger diese Beratung ebenfalls aus einer Hand bekommen.
Zum
Schluss noch ein paar Sätze in eigener Sache:
Gerne
würde ich die Tätigkeit als Behindertenbeauftragte auch in der Wahlperiode 2014
– 2020 ausüben. Allerdings in Zukunft mit einer ausgeweiteten Sprechzeit. Da
ich in der Vergangenheit nur am Donnerstagnachmittag zuverlässig im Landratsamt
erreichbar war, habe ich planbare Termine auf andere Tage gelegt. Einiges
musste auch von zuhause erledigt werden.
Ich
möchte – sofern Sie mich wieder zur Behindertenbeauftragten bestellen –
zukünftig sowohl am Montagnachmittag als auch am Donnerstagnachmittag, jeweils
von 13.30 Uhr bis 16.30 Uhr im Landratsamt erreichbar sein.
Ortstermine
müssen natürlich außerhalb dieser Zeiten stattfinden.
Außerdem
muss das Netz der Ansprechpartner in den Gemeinden neu geknüpft werden, durch
die Änderung in der Zusammensetzung der Gremien haben sich auch hier Änderungen
ergeben. Auch das kann nicht innerhalb der beiden Nachmittage erfolgen.“
Debatte:
Landrat Nuß bedankt sich bei Frau Schäfer und stellt fest, dass sie ihre Tätigkeit als
Behindertenbeauftragte, mit Sachverstand, aber auch mit viel Herz ausführe.
Kreisrat Müller hätte sich gewünscht, den Bericht bereits vor
der Sitzung zu erhalten.
Auch sollte dieses
Thema zukünftig im Kreisausschuss vorbesprochen werden.
Probleme habe er
auch damit, dass die Behindertenbeauftrage keine neutrale Person sei, sondern
aus der Mitte des Gremiums bestellt werde. Dies sei beim Bezirk auch so.
Er spricht die im
Bericht genannte Aufgabenbeschreibung und auch eine Erklärung zur Inklusion an.
Leider fehlen ihm hier punktuelle Maßnahmen und ein Konzept.
Er schlägt vor,
ähnlich wie es der Bezirk Schwaben getan habe, einen Aktionsplan zum Thema „Inklusion - Umsetzung der UN
Menschenrechtskommission für Menschen mit Behinderung“ zu erarbeiten.
Die GRÜNEN könnten
anbieten, die Behindertenbeauftragte bei der Erstellung eines solchen Planes zu
unterstützen. Auch für die am nächsten Tag stattfindende Bezirkstagssitzung
seien ähnliche Anträge von der Fraktion „Bündnis 90 – Die Grünen“ gestellt
worden.
Er bedankt sich bei
Frau Schäfer für ihre wertvolle Arbeit, für die er sich noch eine stärkere
konzeptionelle Ausrichtung wünsche.
Kreisrätin Schäfer äußert sich, dass die Aufgaben einer
Behindertenbeauftragten des Bezirks grundsätzlich nicht vergleichbar seien mit
denen einer Behindertenbeauftragten des Landkreises.
Was den Antrag auf
Satzungsänderung beim Bezirk angehe, sehe sie ein Problem. So sei hier eine
Weisungsberechtigung der Sozialausschüsse an die Behindertenbeauftragte
enthalten. Dies ist grundsätzlich nicht möglich, da der/die Behindertenbeauftragte
seine Tätigkeit weisungsungebunden ausübt. Auch als Kreisrätin sei sie komplett
ungebunden dem Landrat gegenüber. Sie habe während der letzten 10 Jahre auch
keine Weisung erhalten. Ein kommunale(r) Behindertenbeauftragte(r), die/der
Mitglied eines Gremiums ist, tut sich insofern leichter, als er sowohl in den
Gemeinden als auch bei den Verantwortungsträgern bekannt ist und die kommunalen
Strukturen kennt. Dies ermögliche ein
sehr konstruktives Arbeiten.
Neu aufgestellt
wurde die Beratung zur
Wohnraumanpassung. Ab Herbst werden auch Landkreisbürger zu diesem Thema
direkt beim gemeinsamen Pflegestützpunkt für die Stadt Würzburg und den
Landkreis Würzburg beraten.
Der zweite neue
Bereich ist die Erweiterung der Sprechzeiten. Diese sollen künftig an zwei
Nachmittagen im Landratsamt Würzburg stattfinden (Mo und Do von 13.30 – 16.30
Uhr).
Was das Thema
Aktionsplan angehe, so wurden bereits Gespräche mit dem Landrat und Prof. Dr.
Schraml geführt. Die Erstellung eines Aktionsplanes wäre zwar denkbar,
allerdings braucht man als Landkreis die Kommunen mit im Boot. Man kann eine
Umsetzung der erarbeiteten Ziele zwar anregen, jedoch von den Gemeinden nicht
zwingend einfordern. Die Stadt Würzburg
habe bereits einen hervorragenden Aktionsplan erarbeitet. Der Unterschied zur
Stadt Würzburg bestehe jedoch darin, dass diese beispielsweise
Sachaufwandsträger für ihre Grund- und Mittelschulen sei und diese problemlos
barrierefrei umbauen lassen könnte.
Der Landkreis könne
dies seinen Gemeinden nur empfehlen.
Kreisrat Müller hält die Erstellung eines
Leitlinienaktionsplanes für wichtig. Diese seien nützlich für die Gemeinden. Er
bittet darum, bei evtl. diesbezüglichen Planungen mit einbezogen zu werden.
Zur weiteren
Veranlassung an Behindertenbeauftragte, Frau Schäfer
Zur Kenntnis an